Ich hatte das irgenwie positiver gelesen. Aber wahrscheinlich, weil ich diese Bezugnahmen vornahm.
Ich hatte fast eine Art schlechtes Gewissen beim Schreiben und habe manche Formulierungen weichgespült. (An meine Erstlektüre hatte ich ebenfalls positive Erinnerungen.) Aber es gab immer wieder so hohle Phrasen, die mich dann unduldsam werden ließen: "Niemand neigt ihnen [den Toren] ihnen gegenüber zu Gehässigkeiten, sogar wilde Tiere lassen diese Menschen ungeschoren, als ob sie ein natürliches Gespür für ihre Harmlosigkeit hätten." Ob die Dorfeinfaltspinsel im 16. Jahrhundert tatsächlich immer ungeschoren davon kamen? Ja sie können noch nicht einmal Beleidigungen empfinden: "Höchstens ein Stein, der ihnen aufs Haupt fiele, würde von ihnen als Übel empfunden." Dann kommt ein Loblied auf das goldene Zeitalter, wo "man zu ehrfürchtig war, um die Geheimnisse der Natur aufzudecken", erst später wurde "anmaßendes Wissen" angesammelt und damit alles Unglück herabbeschworen - als der Mensch versuchte, "die Schranken seines Schicksals zu überschreiten". Das ist dümmliche Zivilisationskritik - nichts weiter. Und darf so karikierend auch mal ausgesprochen werden - aber nur, wenn dann ein wenig tiefer gegraben wird. Und im Gegensatz zum Toren der Weise, Gelehrte, der "den besten Teil des Lebens mit unaufhörlichen Nachtwachen, Sorgen und Schweiß verdirbt und auch sonst sich im Leben kein bißchen Vergnügen erlaubt, der immer knauserig, arm, gedrückt, finster ungerecht und hart gegen sich war, von Bleichsucht, Magersucht, Kränklichkeit und Triefäugigkeit gezeichnet, von Greisentum und Weißhaarigkeit vor der Zeit entstellt und vor der Zeit aus dem Leben fliehend". Usf. Das ist billig und nichts weiter als ein Klischee, einzig wo Erasmus ganz konkret das Christentum kritisiert, wird es interessanter.
lg
orzifar