Das 2. Buch (Wow! wieviel Zündstoff auf 20 Seiten!) behandelt den Lebensabschnitt der Pubertät und Adoleszens, den Augustin in Thargaste, als Schüler/Student in Madaura und im Alter von sechzehn - feriatus ab omni schola - wieder bei den Eltern, die das Schulgld nicht mehr aufbringen können, in Thargaste verbringt, bevor er dann nach Karthago zum Studieren geht.
Seinen damaligen Lebensinhalt beschreibt er wie folgt:
Was war es anderes… als zu lieben und geliebt zu werden? Der Weg von Geist zu Geist als der lichtvolle Pfad der Freundschaft war es nicht…, vielmehr erhoben sich die Dünste aus dem Sumpf fleischlicher Begierde, aus dem Quell der Mannbarkeit, und umwölkten und verfinsterten mein Herz….. Total Testosteron - gesteuert würde man heute sagen. Während sein Vater der Sexualität positiv gegenübersteht, bekommt er von Mutter Monica, die Christin ist, schon die ganze Verteufelung der Sexualität mit, die er sich später zu eigen machen wird.
In dieser Zeit hat er ein Schlüsselerlebnis. Er begeht mit Altersgenossen einen (harmlosen) Diebstahl, ohne Not und Grund, um der bösen Tat selbst willen, ein acte gratuit sozusagen. In diesem Zusammenhang sagt er:
Es ist gewiss, dass den Diebstahl dein Gesetz, Herr, und das Gesetz, das den Menschen eingeprägt ist…strafen. Warum diese Doppelung? Gibt es für ihn neben dem göttlichen ein angeborenes, allen Menschen innewohnendes Gesetz, eine Art Naturrecht( vom positiven Recht spricht er nicht)? Wozu dann Gott, fragt man sich.
Die Art und Weise der Auseinandersetzung mit der Tat finde ich allerdings spek-ta-ku-lär! Sie nimmt fast das ganze 2. Buch ein. Peinlich genau und stringent fragt Augustin nach seinen Motiven, „analysiert“ sich und legt sein Innerstes bloß. Mit Gott beugt er sich quasi über sein damaliges Ich: Sieh mein Herz, mein Gott, ……Sieh, nun soll dieses mein Herz dir sagen, worauf es damals aus war, mir den Freibrief des Übeltäters zu erteilen, ohne, dass es für meine Bosheit einen Grund gab, ausgenommen die Bosheit selbst…. Sie war widerwärtig, aber ich liebte sie… Natürlich kommen einem da Dostojewski, Nietzsche, Camus e tutti quanti in den Sinn. Und das Interessante ist, auch der Mann des 4/5.Jahrhunderts nach Chr. kommt drauf, dass da so etwas wie das (pervertierte) Streben nach Freiheit, Allmacht und Gottähnlichkeit vorliegt. Und er findet schöne Metaphern dafür.
Bemerkenswert auch der Satz: Wie soll ich dem Herrn vergelten, dass sich mein Gedächtnis das wieder vergegenwärtigen kann, ohne dass sich meine Seele davor fürchtet? Das ist ja wie in der Psychotherapie, wo es u.a. darum geht, angstfrei sich wieder in eine Situation zu begeben, sie sich gemeinsam mit dem Therapeuten anzuschauen (wie Augustin das mit Gott tut). Nur dass das Ziel der „gottlosen „Therapie darin besteht, vor allem sich selbst und anderen zu verzeihen, bei Augustin geht es um die Vergebung Gottes. Die Wirkung (das Mit-sich-ins-Reine-Kommen) ist vielleicht dieselbe.
Beim Schildern dieses tiefgreifenden Erlebnisses kommt Augustin unvermittelt und mittendrin auf den Adressaten seiner Schrift und den Sinn seines Erzählens zu sprechen: Doch wem erzähle ich das? Dir fürwahr nicht, mein Gott, aber von dir erzähle ich das meinem Geschlecht, dem Menschengeschlecht, mag auch nur ein Bruchteil davon auf diese Schrift stoßen! Und wozu das? Damit wir, ich und jeder, der das liest, bedenken, aus welcher Tiefe man zu dir rufen darf.