Vielleicht eine Vor-Bemerkung zum "gemeinsamen Lesen". Ich habe bemerkt, dass ich durch die zeitliche Belastung oder auch die psychische Inanspruchnahme in anderen Lebensbereichen zumeist nicht dazu komme, ein gemeinsames Lesen für längere Zeit durchzuhalten. Mir fehlt irgendwann die berühmte "Muße", die Puste geht aus und die Konzentration auf ein Werk läßt nach, wenn auch das Lesen klassischer Literatur für mich ein tägliches Muss ist. Aber das sind dann immer wieder andere Werke.
Vielleicht wird das in der Rentenzeit anders und man fühlt sich nicht mehr so "gehetzt",

aber bis dahin sind es schon noch ein paar Jährchen.
Im "Klassikerforum" habe ich es zwar geschafft, Leserunden zu Fontanes "Stine" und zu Goethes "Wilhelm Meisters Wanderjahre" über Wochen mit Beiträgen zu bestücken, aber bei anderen musste ich irgendwann aussteigen, hier bei der "Agnes von Lilien" wie bei den "Horen".
Wenn ich jetzt sage, was ich noch gern lesen würde, so werden sich wahrscheinlich keine neuen Leserunden ergeben; wie gesagt, im "Klassikerforum" würde ich nicht durchhalten, so etwas für längere Zeit zu moderieren.
Als Nächstes kann ich mir gleichfalls vorstellen, dass der Antrieb gering ist, schon wieder "empfindsame" und gefühlvolle Werke des 18. Jahrhunderts lesen zu wollen. Der Wunsch nach hartgesottenen Darstellungen, nach realistischer, schonungslos aufdeckender Literatur wird stark bleiben.
Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: ich möchte noch einmal Rousseaus "Neue Heloise" in einer vollständigen Ausgabe lesen. Frühere Herausgeber glaubten, nicht ohne erhebliche Kürzungen vorgehen zu können.
Ich las diesen langen Roman 1976 ausgerechnet auf einer Reise nach Ungarn mit einem sogenannten "Freundschaftszug", obwohl ich ständig von anderen Jugendlichen umgeben war.
Aber ich konnte mich zumindest für Stunden zurückziehen und bei einem Glas Rotwein, auf einer Parkbank oder sogar in einem Eisenbahnabteil in diese völlig andere Welt in der Schweiz eintauchen, von der ich glaubte, sie nie mehr im Leben besuchen zu können. Das änderte sich 1989/90, aber am Genfer See war ich nach wie vor nicht, an dem die Orte der Handlung gelegen sind.
Die teilweise beklemmenden "Bekenntnisse" hatte ich schon vorher gelesen.
In den dazwischen liegenden 40 Jahren ist mir aber klar geworden, dass dieses Werk, das im 18. Jahrhundert einen beispiellosen Siegeszug antrat (viel mehr als der "Gesellschaftsvertrag") auf so ziemlich alle Debatten eingeht, die um 1761 die Menschen bewegten.
Dann kamen 2012 die "Träumereien eines einsamen Spaziergängers", sein letztes Werk, als Lektüre dran. Rousseau ist zur Ruhe gekommen. Dafür ist jetzt sein Reich schon endgültig nicht mehr "von dieser Welt", er ist vollkommen "durch", wie die Jugend heute sagt.
Vielleicht fasst jemand wirklich ein Herz und begleitet mich (in "heroischer Selbstüberwindung"

) bei dieser Lektüre. Aber auf konkrete Zeitvorstellungen kann ich mich leider nicht einlassen. Ich werde irgendwann einen entsprechenden Thread eröffnen, immer mal etwas einstellen und abwarten, was sich dann ergibt.