Hallo!
"Unwiederbringlich" führt in ein aristokratisches Milieu (Schleswig-Holsteins) - und vielleicht ist dies der Grund, warum mir dieser Roman weniger gelungen erscheinen will als die letzten, eher dem Bürgerlichen verpflichteten (vielleicht aber auch macht es die Menge an Fontanescher Lektüre, die abstumpft und empfindlich macht). Hork, ein Graf aus dem (damals noch) dänischen Schleswig, lebt mit Christine in einer offenbar glücklichen Ehe, aus der auch zwei Kinder hervorgegangen sind (die aber im Verlauf des Romanes nur die Funktion von Stichwortgebern übernehmen). In den letzten Jahren waren jedoch dunkle Schatten aufgezogen: Der sanguinische, lebensfrohe Graf fühlt sich in der Gegenwart seiner immer mehr dem Glauben sich zuwendenden Gattin unwohl, ihr rigides Moralbewusstsein, ihre völlige Humorlosigkeit in religiösen Dingen entfremdet das Ehepaar einander. Hork wird zum Kammerdienst bei der Prinzessin nach Kopenhagen abberufen und lernt dort Ebba, eine Hofdame (mit jüdischen Wurzeln) kennen und später auch lieben (eine Liebe, die aber keineswegs auf Gegenseitigkeit beruht: Für Ebba ist Hork ein Spielzeug, ein Vergnügen, dass sie sich während des langweilenden Hofdienstes gönnt, wobei in ihrer Darstellung man das eine oder andere antisemitische Klischee erkennen kann - so man böswillig ist). Hork trennt sich von seiner Frau, wird von Ebba jedoch zurückgewiesen, ja lächerlich gemacht und verbringt einige Zeit auf Reisen, um schließlich wieder zur Gräfin (die ihn in Gnaden wieder aufnimmt) zurückzukehren. Dieses Glück ist aber nur von kurzer Dauer, Christine kann nicht wirklich verzeihen und sucht in ihrer zunehmenden Einsamkeit und Verzweiflung den Freitod.
Der lockere, plaudernde Stil anderer Romane, das geistreiche Gespräch, die Ironie kommen hier in nur gedämpfter Form zum Ausdruck. Den Hofszenen mangelt es an satirischer Schärfe, selbst der Hofmann Pentz, dem nichts heilig zu sein scheint, wirkt in seinem Zynismus ein wenig mühsam. Wirklich gelungen ist nur die Figur der selbstgefällig-bigotten Christine, die an ihren eigenen, strengen Maßstäben und Regeln erstickt, auch wenn der Selbstmord bei einer derart tiefgläubigen Frau wenig plausibel erscheint (vielleicht aber sollte das Ausmaß ihrer Verzweiflung durch diesen scheinbaren Widerspruch unterstrichen werden). Alles in allem haben die Figuren hier weniger Esprit, sind eine Spur einfacher und durchschaubarer konstruiert als in Fontanes anderen Romanen und haben - wenigstens mich - weniger in den Bann gezogen.
lg
orzifar