Hallo!
Ich habe mir das Vergnügen einiger Fontane-Romane gegönnt, ohne diese aber einer allzu eingehenden Betrachung unterziehen zu wollen (schon das Nachwort zu "Graf Petöfy" über die "Präfigurationen" in diesem Roman hat mir gezeigt, dass ich in dieser Form über Belletristik nicht (mehr) nachdenken möchte). Ich belasse es vorerst beim Genießen oder kurzen Bemerkungen: So kann ich das Diktum beim "Grafen Petöfy", dass es sich um ein teilweise misslungenes Werk handle (weil der Autor vom österreichisch-ungarischen Lokalkolorit keine Ahnung habe), ganz und gar nicht teilen. Zum einen ist nach meinem Dafürhalten das "österreichische Wesen" (so es ein solches gibt) ganz gut getroffen, zum anderen aber ist dies ohnehin nicht entscheidend. Sondern etwa die vorkommenden, brillianten Dialoge, Gespräche, die in ihrer sprachlichen Genauigkeit vielleicht nur noch bei Thomas Mann zu finden sind.
Mathilde Möhring imponiert durch eine untypische Fontanegestalt: Sind ansonsten die Frauen oft Spielball ihrer Gefühle (bzw. der Männer), wird hier eine sehr selbstbewusste Frau präsentiert (eine junge, energische, aber sehr viel unabhängigere Jenny Treibel): Die sich einen wenig durchsetzungsfreudigen, aber formbaren Mann erwählt, diesen sanft, doch mit Überlegung in eine Richtung lenkt und nach dessen Tod nicht etwa das freudlose Dasein einer Witwe führt, sondern einen Beruf ergreift und ihr ganz eigenes Leben lebt. Wenngleich sie auch feststellen muss, dass nicht nur sie ihren verstorbenen Ehemann beeinflusst hat, sondern - nach seinem Tode - auch ihrerseits den Einfluss seines ganzen, weichen, fast künstlerischen Wesens spürt und erst dadurch zu einem erfüllten Leben gelangt.
Quitt hinwiederum ist eine Art Kriminalroman: Wilderer erschießt Förster, nachdem dieser als - ungerechter und selbstgefälliger - Repräsentant der Obrigkeit ein entsprechendes Regime führt. Lehnert Menz, der Wilderer, flieht nach Amerika, dem schon zuvor ihm Freiheit versprechenden Land, kommt dort kurz zu Vermögen, verliert alles wieder und tritt in eine Mennonitengemeinde ein, wo er sich in das hübsche Töchterchen des Patriarchen verliebt. Aber es soll nicht sein: Bei der Suche nach einem Vermissten stürzt er von einem Felsen und muss einen ähnlichen Tod erleiden wie der von ihm erschossene Förster: Und beide finden kurz vor ihrem Dahinscheiden verzeihende, an die Gerechtigkeit appellierende Worte.
Sowohl bei diesem letzten Werk als auch bei "Graf Petöfy" wirkt die starke Betonung der Frömmigkeit bzw. der Tatsache, dass man seinem Schicksal offenbar nicht entfliehen kann, ein wenig deplatziert: Wobei in "Quitt" mit dem bei den Mennoniten weilenden Freidenker L'Hermite ein Gegengewicht zu dem fatumhaften Verlauf des Lebens geschaffen wird (jedoch nur zum Teil: Auch dem Franzosen werden allerlei "seherische" Erkenntnisse zuteil). Diese phantastischen Einsprengsel zerstören einiges der ansonsten so wunderbaren Ironie und Souveränität der Figuren (wie sie etwa einem Stechlin eignet).
lg
orzifar