Author Topic: Guy de Maupassant  (Read 7025 times)

Offline Camenzind

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Guy de Maupassant
« on: 08. April 2015, 17.32 Uhr »
Von ihm kannte ich bislang nur aus Schul-Zeiten "Auf dem Wasser" (die Novelle, nicht den Reisebericht) sowie noch die eine oder andere Kurzgeschichte.

Wie es der Zufall ( = das Zufallen) so will, fiel mir vor einiger Zeit der Roman 'Mont-Oriol' in die Hände. Ich dachte zunächst, naja, guckste mal rein, große Lust habe ich nicht, schauen wir mal. Nach der Lektüre habe ich dann 'Bel Ami' gelesen' und dann damit begonnen, die Gesamtausgabe (Goldmann, aus der Leihbücherei) Band für Band zu lesen ... (bin beim fünften von zehn.)

(Aus einem "Blog": )

Wenn zwei das gleiche …

Sie begriff nicht, daß er von der Rasse der Liebhaber, aber nicht von der Rasse der Väter war. Seit er wußte, daß sie in anderen Umständen war, entfernte er sich von ihr. Er hatte früher immer gesagt, daß eine Frau, die geboren habe, der Liebe nicht mehr würdig sei.

Was ihn bei der Liebe so mit sich riß, war das Emporfliegen zweier Herzen zu einem unerreichbaren Ideal, diese Umschlingung zweier immateriellen Seelen. Das Poetische und Unfaßbare, das die Dichter in den Liebeskult gelegt haben. Sein Frauenideal war Venus, deren heiliger Leib immer die reine Form der Unfruchtbarkeit bewahrt.

Der Gedanke an ein kleines Wesen, das ihm das Leben verdankte, an eine menschliche Larve, die in diesem Leib sich bewegte, der durch ihn befleckt und so entstellt worden, flößte ihm eine fast unüberwindliche Abneigung ein. Die Mutterschaft machte ein Tier aus dieser Frau. Das war nicht mehr das geträumte, angebetete Ausnahme- Wesen, sondern das Tier, das seine Rasse fortpflanzt. Und zu dem abstoßenden Gedanken kam ein körperlicher Widerwille.

Nie hätte sie das gefühlt und erraten, sie, die jede Bewegung des ersehnten Kindes doppelt an den Geliebten kettete, an diesen Mann, den sie anbetete, den sie jeden Tag mehr geliebt seit der Stunde ihrer ersten Umarmung. Er war bis in die tiefsten Tiefen ihres Herzens eingedrungen, er war eingedrungen in die Tiefe ihres Körpers, in die er sein eigenes Leben gesät, das dann klein wieder ans Licht kam.

Ja, sie trug ihn da, unter ihren gefalteten Händen, ihn selbst, diesen guten, lieben, zärtlichen, einzigen Freund, der da in ihr durch das Mysterium der Natur wiedergeboren wurde. Und sie liebte ihn doppelt so, da sie ihn zweimal besaß, den Großen und den Kleinen, den sie noch nicht kannte, den sie aber in sich fühlte, und den sie sprechen hörte und den sie küßte, dessen Bewegungen sie unter ihrer Haut spürte.


(Maupassant, Mont-Oriol)

Eine Entdeckung …

(Eine deutsche Biographie zu finden, ist derzeit kaum möglich … Warum ?!? Und auch in Sachen Buchausgaben sieht es wahrlich kläglich aus …)

Noch eine Kostprobe:

Da fand sie sich ganz verlassen auf dieser Erde, mehr noch wie an jenem Abend, da sie sich so entsetzlich einsam auf der Welt vorgekommen war in ihrem Zimmer, als sie vom See bei Tazenat zurückgekehrt. Sie begriff, daß alle Menschen Seite an Seite schreiten dem Schicksal entgegen, ohne daß jemals irgend etwas zwei Menschen wirklich eint. Sie fühlte durch den Verrat dessen, dem sie all ihr Vertrauen geschenkt, daß alle andern für sie niemals mehr etwas anderes bedeuten würden, als gleichgiltige Kameraden auf dieser langen oder kurzen Lebensreise, die da traurig oder heiter sein würde, wie der morgende Tag, den keiner vorher kennt.

Sie begriff, daß selbst in den Armen dieses Mannes, mit dem sie gemeint ganz eins zu sein, verschmolzen mit ihm, bei dem sie geglaubt, daß ihre Leiber, ihre Seelen, nur noch ein Leib waren und eine Seele, sich nur zwei Körper einander ein wenig genähert, daß nur die undurchdringlichen Hüllen, in denen die geheimnisvolle Natur des Menschen isoliert nnd verschlossen, sich gerade berührt hatten. Sie sah genau, daß keiner je die unsichtbare Schranke würde brechen können, die die Wesen im Leben einander so fern hält wie die Sterne am Himmel.

Sie erriet die vergeblichen Bemühungen seit Erschaffung der Welt, die unermüdlichen Anstrengungen der Menschen, den Kerker zu brechen, in dem ihre Seelen ewig eingeschlossen ruhen, ewig einsam. Ein Kampf der Arme, der Lippen, der Augen, des Mundes, das zitternde Ineinandergleiten, ein Kampf der Liebe, die sich in Küssen erschöpft, um wieder nur dahin zu kommen, einem anderen ewig Verlassenen das Leben zu schenken.


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"Verachtung und Schmerz angesichts der Mittelmäßigkeit der Menschen"

(Das Brockhaus-Literaturlexikon in Sachen Maupassant)