Author Topic: Samuel Beckett: Murphy  (Read 7174 times)

Offline orzifar

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Samuel Beckett: Murphy
« on: 16. Juni 2013, 04.13 Uhr »
Hallo!

Ein verrücktes, witziges, trauriges Buch. Über das man gelehrte Abhandlungen schreiben könnte (was denn wohl auch schon getan wurde), dem man aber mit dieser Zergliederung Unrecht tun würde. Diese Gruppe durchgeknallter Iren, die allesamt einer sehr individuellen, irren Philosophie anhängen, deren Handlungen, Wünsche, Sehnsüchte ohne Zweifel mit einigem literaturkritischen Geschick als Allegorie sämtlicher Vorkommnisse in der Geschichte der Menschheit sich interpretieren ließen, diese Gruppe, deren Zentrum der dem Buch den Namen gebenden Murphy ist, sollte man schlicht genießen in diesen wirren, geistreichen Dialogen und aberwitzigen Plänen - unbeleckt von aller interpretatorischen Bemühung.

Manchmal will das alles wie ein Studentenulk erscheinen, eine fortgesetzte Anti-Sinnsuche von Intellektuellen, bei denen meine Elterngeneration dem Bedauern Ausdruck verliehen hätte, dass die moralerhebende Instution der Arbeitshäuser (oder Sträflingsgaleeren) leider einer um sich greifenden Verweichlichung zum Opfer gefallen seien. Doch als bloßer Studentenulk, als ein inhaltsleeres fortgesetztes Manifest des Dadaismus ist das Ganze viel zu gut, sprachlich, inhaltlich - und überhaupt. Einfach nur lesenswert. Und im übrigen sehr an ein anderes, viel berühmteres Buch erinnernd, das auch irische Verrückte zu seinen Protagonisten zählt: Den Ulysses.

lg

orzifar
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