Author Topic: Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie  (Read 8937 times)

Offline mombour

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Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« on: 09. April 2011, 13.04 Uhr »
Norman G. Finkelstein: Die Holocaust-Industrie - Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird


„Mir scheint, der Holocaust wird verkauft – er wird nicht gelehrt.“


Das ist das Motto des Buches, ein Zitat von Rabbi Arnold Jacob Wolf

Einführung

Norman G. Finkelstein will in diesem Buch darlegen, „daß DER HOLOCAUST  eine von Ideologie geprägte Darstellung der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist. Für Finkelstein ist Elie Wiesel „offizieller Interpret DES HOLOCAUST.., weil er unbeirrbar die Dogmen DES HOLOCAUST artikuliert, und so die Interessen stützt, die hinter diesem stehen".  Der Staat Israel und die Juden in Amerika ziehen große Vorteile auf sich, dass sie einen Opfer-Status haben, z.b. haben sie Immunität gegenüber Kritik, auch wenn sie vielleicht berechtigt ist. Finkelstein deutet diese Ideologie in der Einleitung nur an, wird sie aber in den folgenden Kapiteln noch viel deutlicher erklären und beleuchten.

Wie ist Norman G. Finkelsteinzu zu diesem Thema gekommen?  Das liegt auf der Hand, denn Finkelsteins Eltern selbst waren Holocaust-Überlebende, dieses Thema aber in der Familie ausgeschwiegen wurde.

Das man Geschäfte mit dem Holocaust machen konnte, darauf kamen amerikanische Juden erst Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Das hört sich zynisch und gemein an, ist es auch. Es ist natürlich zu überlegen, inwieweit man Finkelsteins Thesen glauben schenken darf, oder inwieweit ein normaler Durchschnittsleser das überprüfen kann. Dieses Buch wurde nach seinem Erscheinen in Deutschland kontrovers diskutiert. Es muss auch gesagt werden, Finkelstein gibt alle seine Quellenangaben penibel an. Es ist ein ernstzunehmendes Buch, über das nachgedacht werden muss, dass man nicht verdrängen braucht, nur weil es ein unangenehmes Thema ist. Anscheinend sind manche Menschen so  geldbesessen,  dass sie im Prinzip alles zu Geld machen bereit sind, dabei nicht vor dem größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts halt machen. :(

Liebe Grüße
mombour
« Last Edit: 09. April 2011, 14.27 Uhr by mombour »
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Offline orzifar

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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #1 on: 09. April 2011, 15.44 Uhr »
Hallo!

Da ich diesen Beitrag geschrieben habe, bevor ich den deinigen las, gleich der Hinweis, dass ich die Quellenangaben ganz und gar nicht für "penibel" halte, dass es vor allem sehr viele apodiktisch anmutende Feststellungen gibt, die ohne Beleg bleiben. Bei einer Seminararbeit würde man vom Verfasser in jedem Fall eine genauere Dokumentation einfordern.

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Nach den ersten 40 Seiten vermag ich die Kritik am Buch sehr gut nachzuvollziehen. Das ist eine essayistisch-polemische Aufbereitung einer im Kopfe Finkelsteins vorformulierten These; um dieselbe zu stützen durchforstet er Geschichts- und Soziologiebücher oder periodische Publikationen auf deren Verwendbarkeit, wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass er all jenes ausblendet, das nun nicht als eine solche Unterstüzung angesehen werden kann. Der Historiker in mir moniert die mangelnden Quellenangaben als auch die gänzlich verwaschene Terminologie, derer sich Finkelstein bedient: So ist von "jüdisch-amerikanischen Eliten" die Rede, die einmal links, einmal rechts, einmal pro-israelisch, dann anti-amerikanisch usf. sind, immer entsprechend seinem bereits vorformulierten Anliegen. Weshalb seine These, dass es zu einem Ausbeuten des "Holocausts" (den er so nur in Zusammenhang mit seiner ökonomischen Instrumentalisierung verwendet, ansonsten spricht er vom Massenmord an den Juden) erst nach dem Sechstagekrieg von 1967 gekommen sei, eigentümlich verwaschen und wenig stringent erscheint. Eine historisch fundierte Arbeit müsste wesentlich mehr Quellenangaben bieten als auch sich einer durchsichtigeren Terminologie befleißigen, außerdem gewinnt man - wie häufig bei solchen (jaja, Herr Finkelstein - ökonomisch ausgerichteten) Arbeiten - den Eindruck, dass die Quellen einzig nach Bestätigendem durchforstet werden und Widersprechendes außen vor gelassen wird.

Schade ist das alles v. a. deshalb, weil man der Grundthese einer ökonomischen Instrumentalisierung des Massenmords an den Juden durchaus etwas abgewinnen kann (wie auch nicht: Ruth Klüger hat das einmal schön damit zum Ausdruck gebracht, dass "Auschwitz keine Besserungsanstalt gewesen sei" (allerdings wird Klüger in ihren Büchern manchmal von feministischen Erleuchtungen heimgesucht, die das Lesen ihrer Werke nicht unerheblich erschweren)). Wobei es nicht nur der ökonomische Aspekt ist, der einem vor lauter Gedenken bezüglich des Holocausts (in nicht Finkelsteinscher Terminologie) sauer aufstößt, sondern auch das moralische Ablass-Wallfahrten zu den Verbrennungsöfen, wo man sich tiefinnerlich erschüttert an die Brust klopft und nach Heimkehr (wie weiland aus dem Beichtstuhl) und Bestätigung der moralischen Integrität (es gibt also immer noch Schlimmere) so weitermacht wie bisher. (Paradebeispiel für mich ein gymnasialer Geschichtelehrer, der seine Schüler zu sämtlichen Mahn- und Gedenkmalen schleppte, von lauter Erschütterung kaum noch ein Wort herausbrachte, selbst aber ein feiger Heuchler und Kriecher war, devoter Erfüllungsgehilfe des Direktors, bar jeder Zivilcourage und - wäre ihm nicht die Gnade der später Geburt zugefallen - mit Sicherheit treuer Diener eines linken oder rechten Regimes geworden wäre. Übrigens genau der Typus, der die Haltung von Jugendlichen, "nichts mehr von all dem hören zu müssen", fördert, weil er, wenn das auch oft nicht wirklich ausformuliert werden kann, eben genau das vorlebt, was er zu kritisieren sich unterfängt).

lg

orzifar
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Offline mombour

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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #2 on: 10. April 2011, 07.50 Uhr »
Hallo!

Da ich diesen Beitrag geschrieben habe, bevor ich den deinigen las, gleich der Hinweis, dass ich die Quellenangaben ganz und gar nicht für "penibel" halte, dass es vor allem sehr viele apodiktisch anmutende Feststellungen gibt, die ohne Beleg bleiben. Bei einer Seminararbeit würde man vom Verfasser in jedem Fall eine genauere Dokumentation einfordern.


Zumindest für das erste Kapitel, welches ich auch kritisiere, trifft das zu.

Quote from: orzifar
Das ist eine essayistisch-polemische Aufbereitung einer im Kopfe Finkelsteins vorformulierten These;

Einige Kritiker damals, als das Buch erschienen ist, haben Finkelstein auch so was, ich sage mal, unterstellt; vielleicht aus Rache, weil seine Mutter nur einen sehr bescheidenen Betrag als Entschädigung bekommen hat. Ich zweifele aber daran, dass es sich so verhält. Ich sehe das Buch nicht als historisches Werk sondern eher als Reportage, die ab dem zweiten Kapitel für mich jedenfalls sich nachvollziehbarer gestaltet.

Ich fasse meine Eindrücke vom ersten Kapitel mal zusammen:

Es folgt das erste Kapitel in dem Finkelstein zu belegen versucht, dass die Holocaust-Industrie, die eine Schöpfung der amerikanischen jüdischen Elite sein soll, erst nach dem israel-arabischen  Krieg im Juni 1967 eingesetzt habe. Ich stimme mit dir überein, dieses Kapitel ist wirklich nicht stringent genug, und wenn man so will, Finkelsteins Ausführungen kommen mir persönlich, wenn ich das als historischer Laie lese,  ziemlich undeutlich herüber,  ich immer nicht mich darüber aufgeklärt fühle, warum die Holocaust-Industrie nach diesen Kriegen 1967 und 1973 einsetzte. Erwarten darf ich als Leser eine aufbauende historische Analyse, die hier nicht gegeben ist.

Es geht nicht nur darum, Quellen hier und da heranzuziehen, sondern eben auch darum, die Glaubwürdigkeit von Quellen zu bewerten. Eine Quelle von Finkelstein möchte ich anführen, deren Wert ich nicht für sehr bedeutend halte, sodass man sie für historische Schlussfolgerungen auf ganz Amerika heranziehen könnte. Es geht um ein kurz vor dem Junikrieg  gehaltenes Symposium des AJC (American Jewish Committee) mit dem Thema zur „Jüdischen Identität hier und heute“. Nur drei der einunddreißig Teilnehmer erwähnten Israel, „zwei von ihnen jedoch nur, um seine Bedeutung abzuwerten." Die Teilnehmer dieses Kongresses waren, so Finkelstein, die „besten Köpfe  der jüdischen Gemeinde“. Was das für Leute waren, verschweigt Finkelstein. Ein Kongress kann natürlich nicht als überzeugende Quelle dafür herhalten, dass Israel für ganz Amerika bedeutungslos gewesen sei. Finkelstein sagt, von den bekannten jüdischen Intellektuellen waren es nur Hannah Arendt und Noam Chomsky, die vor dem Juni 1967 eine Verbindung zu Israel geknüpft hatten.

Natürlich widerspricht das meine Behauptung, Finkelstein habe penibel Quellenangaben angegeben. Einerseits gibt er natürlich auf fast jeder Seite Quellenangaben an, andererseits ist dieses erste Kapitel von einer mangelhaften  historischen Analyse geprägt, außerdem nehmen in einem guten wissenschaftlichen Sachbuch im Verhältnis zum Gesamttext noch mehr Seiten für Quellenangaben ein.

Für z.B. folgende Behauptung wünsche ich mir von irgendeinem Historiker dieser Welt eine genaue historische Analyse, und nicht so ein unübersichtliches Herumgehüpfe wie in diesem ersten Kapitel:
Quote from: Finkelstein
So, wie die amerikanischen Mainstream-Organisationen der Juden die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis in den Jahren nach dem Krieg herunterspielten, um sich den Prioritäten der US- Regierung im Kalten Krieg anzupassen, blieb auch ihre Haltung gegenüber Israel mit der Politik der USA im Gleichschritt.

Das Buch heißt Holocaust-Industrie, aber der sog. Beweis, dass es diese Industrie überhaupt gibt, ist zu bemängeln, zumindest in diesem Kapitel. Es hat mich aber doch sehr überrascht, dass im zweiten Kapitel „Schwindler, Geschäftemacher und die Geschichte“ eine erfreuliche Wende einkehrt. Argumentation und Quellen werden glaubhafter an den Leser vermittelt, und ich werde an einigen Stellen versuchen aufzuzeigen, warum  Finkelsteins Argumentation nachvollziehbarer wird, und warum ich einige Quellen für glaubwürdig halte.

Liebe Grüße
mombour
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Offline orzifar

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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #3 on: 10. April 2011, 13.29 Uhr »
Hallo!

Zu den Quellen: Finkelstein arbeitet mit Scheinbelegen, mit Fußnoten, die Wissenschaftlichkeit suggerieren. So stellt er etwa fest, dass amerikanische Juden zusehends stärker konsvervativ geprägt wären (was ihm über Umwege zur Bestätigung seiner Thesen dient, wie im übrigen auch die gegenteilige Feststellung, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Juden linksliberal gewählt hätten, die "Beweisführungen haben etwas Beliebiges). Fußnote 55 weist jedenfalls auf das konservative Potential jüdischer Wähler in New York hin: Dort hätten im Jahr 2000 75 % den republikanischen Kandidaten gewählt - und das, obwohl die demokratische Kandidatin jüdisch gewesen wäre. Schon zuvor weist Finkelstein auf den relativen Reichtum amerikanischer Juden hin und hätte damit ein sehr viel besseres Erklärungsmodell für die 75 % gefunden als den plötzlichen Rechtsruck unter Juden zu diagnostizieren: Allüberall, zwischen Feuerland und dem Nordkap wählen Reiche, damit auch Mächtige zu einem großen Teil konservativ, es ist die Gruppe, die etwas zu verlieren hat und die den Status quo bewahren will. Eine solche Binsenweisheit nun als Beleg für irgendetwas anderes als eben für diese Binsenweisheit heranzuziehen ist nichts anderes als Lesertäuschung, das Vorgeben von Wissenschaftlichkeit. Außerdem müssten - um dem ganzen irgendeinen Wert zu verleihen, auch vorherige Wahlergebnisse untersucht werden (nur dann kann man von Zu- bzw. Abnahme sprechen), man müsste Vergleich mit ähnlichen Wählerschichten ziehen, möglicherweise vorhandene Besonderheiten dieser (anderer) Wahlen berücksichtigen. - Im übrigen haben seine Fußnoten entweder affirmativen Charakter, indem er sich von irgendjemandem die Richtigkeit seiner Anschauungen bestätigen lässt, oder aber er lässt die dümmsten Vertreter der anderen Seite paradieren (welche dann zu widerlegen keine große Kunst ist: Hier mich an Dürrs "Traumzeit" erinnernd, der sich auch als Großmeister dieser Unsinnigkeiten erwiesen hat).

(Das von dir erwähnte Beispiel ist ähnlich: Irgendwer von irgendeinem Kongress, dessen Bedeutung der Leser nicht kennt bzw. nicht kennen kann, sagt irgendetwas: Man weiß aber nicht, worum es bei diesem Kongress ging, worüber diskutiert wurde, welche Leute eine Einladung erhielten, was überhaupt aufgezeichnet und dadurch zitiert wurde (nur die Beiträge, die Diskussionen etc). Das alles ist so verwaschen, dass ich, wie schon erwähnt, befürchte, ein Seminarist an der Uni würde seine Arbeit mit dem Verweis zurückerhalten, er möge doch die Quellenangaben ein wenig genauer gestalten. Vielleicht ist es eine Reportage, aber dann hat das Ganze nicht mehr Gewicht wie ein feuilletonistischer Beitrag. Schade v. a. deshalb, weil in Kapitel zwei - da bin ich ganz bei dir - seine Überlegungen durchaus klug und nachvollziehbar sind.)

In Kapitel zwei kritisiert Finkelstein zurecht die Immunisierungsstrategie jüdischer Organisationen, Menschen: Wer sie angreift wird zum Antisemiten gestempelt. Das allerdings ist ein Phänomen, das allüberall in der Öffentlichkeit mutatis mutandis angewandt wird: So wurde etwa von der Kritik an Westerwelle vermutet, dass sie durch seine Homosexualität motiviert wäre (was in seinem Falle mir als Schwachsinn erscheint), so stilisiert sich generell der Angegriffene zum Verfolgten, zu einem Verfolgten, der aufgrund ganz anderer Ursachen (Homosexualität, Neid - wie bei Guttenberg oder eben Judentum) angegriffen würde, was nun der Angreifer aber bloß nicht zugestehen kann. Der Holocaust eignet sich nun in besonderem Maße für eine solche Unangreifbarkeit - einem tatsächlichen oder vorgeblichen Opfer gegenüber lässt man sehr viel eher Nachsicht walten.

Des weiteren hat Finkelstein mit seiner Kritik an Elie Wiesel (dessen Schriften ich aber nicht kenne, weshalb es schwer fällt zu beurteilen, ob die Zitate seine tatsächliche Haltung widerspiegeln) Recht: Wenn man den Holocaust als etwas Besonderes im Sinne von Unbegreiflichkeit betrachtet, erübrigt sich jede Diskussion. Aber der Holocaust ist tatsächlich nichts anderes als eine der vielen Ungeheuerlichkeiten der Weltgeschichte, er hat Besonderes (wie auch andere Phänomene) und er hat Vergleichbares. Dieses Hochstilisieren zum unvergleichlichen Ereignis (wie die von Wiesel zitierten Textpassagen suggerieren) mag angesichts seiner eigenen Geschichte verständlich sein, trägt aber nichts zum Verständnis von Geschichte bei - im Gegenteil: Hier bin ich ganz auf Seite Finkelsteins bezüglich seines Vorwurfs der Mystifikation.

Auch den Ärger darüber, dass implizit ständig von Historikern eine Art von moralischer Rechtfertigung für die Beschäftigung mit dem Holocaust eingefordert wird, kann ich nachvollziehen. Einer (von vielen) Gründen, weshalb ich in meinem Studium - soweit es die Vorschriften zuließen - um diese Geschichte einen großen Bogen gemacht habe. Bei uns haben sich zumeist Betroffenheitsapostel mit der "Aufarbeitung" dieser Zeit beschäftigt, von historischer Analyse war kaum die Rede; im Grunde wurden implizit Ergebnisse im Sinne der Goldhagenschen Thesen erwartet. (Man muss m. E. als Historiker einzig der Objektivität - soweit möglich - genügen. Man muss etwa auch untersuchen können, ob die Zahl getöteter Juden den "offiziellen" Zahlen 1 entspricht: Schon allein deshalb, um dem Vorwurf vorzubeugen, dass man durch das Errichten eines Tabus die geschichtliche Vergangenheit entsprechend der gängigen Überzeugungen umgestaltet und dadurch den "Unverbesserlichen" in die Hände spielt. Es gibt kein Tabu in der Forschung bzw. es darf keines geben. Wenn also Wiesel eine Art von Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit postuliert, verhindert er die Auseinandersetzung, Analyse und das Verstehen dieser Verbrechen.)

lg

orzifar

1) Diesbezüglich meine ich mich an eine Auseinandersetzung um eine Arbeit zu einnern, die die Zahlen der in Mauthausen Getöteten nach unten revidierte. Durfte nicht sein. Als ob dadurch, dass man statt (Hausnummer) 100 000 nur 95 000 Opfer habe irgendetwas am Gesamtbefund sich ändere. Das ist einzig Wasser auf den Mühlen rechter Dummköpfe.

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Offline mombour

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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #4 on: 10. April 2011, 14.45 Uhr »
Wenn also Wiesel eine Art von Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit postuliert, verhindert er die Auseinandersetzung, Analyse und das Verstehen dieser Verbrechen.)

Viele Bücher von Elie Wiesel könnte ich von meiner Mutter ausleihen....Das Dogma der Einzigartigkeit des Holocaust ist bis nach Deutschland übergeschwappt. Jedenfalls habe ich im Laufe meiner jüngeren Jahre, warscheinlich durch Einfluss von Schule, erste Holocaust-Filme u ä.  diesen Eindruck gewonnen, man dürfe diese Einzigartigkeit nicht anzweifeln, obwohl später Zweifel kamen, inbesondere wegen den Völkermorden in Armenien und Ruanda. Das das jüdische VOlk auch so besonders Einzigartig sein soll, wie Wiesel bestätigt haben soll, dass ist mir neu. Was steckt bloß dahinter? Eine Arroganz? Nein, es steckt wohl nur dahinter, dass an den einzigartigen Juden ein einzigartiges schreckliches Verbrechen ausgeübt war, und weil das alles so einzigartig ist und diese Einzigartigkeit nicht anzweifeln darf, weil man sonst zum Antisemiten abgeurteilt wird, muss Deutschland immer weiter bezahlen, Schadensersatz leisten und und und.  Ich habe mir eingebildet, von Elie Wiesel, dem Friedensnobelpreisträger, sei viel zu halten. Ich bin enttäuscht, mich treibt aber die Neugier zur wieseligen Lektür', aber ich fürchte, das Finkelstein nicht manipuliert hat.

Die Lektürenindustrie gefälschter Holocaust-Memoiren ist auch so ein Kapitel für sich.. Wilkormirski: Bruchstücke; Jerzy Kosinski: The painted wall; bedrückend, wenn ich lese, dass Elie Wiesel dieses Buch  von Kosinski immer noch als bedeutend hinstellte, als dieses Buch schon längst als Lügenmärchen galt und Schwindler Wilkorminski hofiert wurde an Universitäten usw. Angebliche Klassiker der Holocaustliteratur zum Lügenmärchen entlarvt.

Es gibt noch mehr Fälschungen:

Misha Defonseca: "Überleben unter Wölfen" (hier)
Hermann Rosenblat, ein 79jähriger aus New York, erfand eine rührende KZ-Liebesgeschichte. Das Buch wurde nie veröffentlicht, da eine Lüge. (hier)

Das Memoirenfälschungen ein beliebtes Geschäft ist, zeigt auch dieser link.
Liebe Grüße
mombour
« Last Edit: 12. April 2011, 07.02 Uhr by mombour »
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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #5 on: 11. April 2011, 14.38 Uhr »
Hallo!

Ich bin mit dem Buch durch. Das zweite und dritte Kapitel sind wesentlich besser, nachvollziehbar und auch ausreichend mit Quellen belegt. Ich nehme auch meinen Verdacht zurück, dass Finkelstein das Buch aus ökonomischen Gründen geschrieben hätte, ich habe jedenfalls bei der Lektüre diesen Eindruck nicht (mehr) gehabt.

Finkelstein beschreibt vor allem die Tricks jüdischer Organisationen, von Deutschland, der Schweiz (später Österreich und den osteuropäischen Ländern) Geld zu erhalten, wobei sich seine Kritik nur teilweise auf die Tatsache an sich richtet, sondern vielmehr in Richtung der Methode (auf erpresserische Weise mit wirtschaftlichen Sanktionen drohend als auch eine ständige Erhöhung der "Überlebendenzahl" betreibend, die die Mutter Finkelsteins etwa zur Aussage veranlasste, dass die Lager wohl so schlimm nicht haben sein können, da offenbar alle überlebt haben --- die Mutter war eine Überlebende) und auf die Verwendung der Gelder, die offenbar zum allergrößten Teil für mehr-weniger dubiose jüdische Organisationen aufgewendet wurden, welche sich - ohne ein solches Mandat je erhalten zu haben - zum Fürsprecher der Opfer machten. Die von ihm angeführten Zahlen kann man natürlich nicht überprüfen, scheinen aber durchaus plausibel.

Ein weiteres moralisches Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass die USA alle diesbezüglichen Aktionen unterstützten, ohne selbst je einen relevanten Beitrag zur Entschädigung zu leisten (die Zahl der sog. namenlosen Konten scheint dort ebenso groß gewesen zu sein wie in der Schweiz). Und die USA unterstützte zwar die These der Unverjährbarkeit geschichtlicher Gräueltaten, allerdings nur dort, wo sie nicht davon betroffen war. So blieben Forderungen nach Entschädigung für Sklavenarbeit, die aufoktroyierten Verträge für amerikanische Ureinwohner überall außen vor - und diese Art der Politik dokumentiert - einmal mehr - das moralische Desaster der USA: Die aufgrund wirtschaftlicher und militärischer Macht Forderungen stellen, denen sie selbst nicht genügen.

Die Kritik am ersten Kapitel halte ich insofern aufrecht, als dass die These, dass es erst nach dem Sechstagekrieg zu einem Ausbeuten des Holocausts kam, auf wackligen Füßen steht und diese These auch als ein Beleg für die nachfolgenden Vorwürfe vollkommen überflüssig ist. Ansonsten artikuliert Finkelstein das (mein) Unbehagen bezüglich des Umgangs mit der Massenvernichtung auf absolut nachvollziehbare Weise: Die Immunisierungsstrategie gegenüber jeder Kritik aufgrund des einzigartigen Opferstatus, das Vorwegnehmen historischer Ergebnisse bezüglich Untersuchungen des Holocausts, die Instrumentalisierung der Opfer für profane Zwecke.

Zurück bleibt, wie schon von mombour vor der Lektüre angedeutet, ein veritables Unbehagen am Zustand der Welt, die alles und jedes zu Geld zu machen versucht. Solches ist noch widerlicher dort, wo Opfer benutzt werden, wo unter vorgeblich hochmoralischer Gesinnung solches betrieben wird. Das Buch aber ist durchaus empfehlenswert.

lg

orzifar
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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #6 on: 11. April 2011, 16.25 Uhr »
Hallo orzifar,

Schon durch? Schön. ;D Wollte ich eigentlich um diese Uhrzeit auch schon. Aber ich habe über dieses Buch in einem anderen Forum eine Diskussion angeleiert, und dort ist man mit einigen Aussagen nicht einverstanden und so musste ich mich bemühen, dort den Finkelstein zu verteidigen (Ich habe natürlich so was geahnt, hat dort jemand doch den Goldhagen gerade gelesen).  Hat Spaß gemacht. Außerdem ich den Vormittag im Wartezimmer verplempert habe - nur wegen einem Blutbild und jetzt FRau mit Kaffee kommt. Ich bin auf Seite 100 und schreibe später noch.....

Liebe Grüße
mombour
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Offline mombour

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Re:Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #7 on: 12. April 2011, 14.01 Uhr »
Hallo,

es ist wirklich verrückt. Da macht der Jüdische Weltkongress einen Beutezug durch Europa, sackt noch mehr Geld ein, in dem er die Zahl der Überlebenden erhöht, d.h. die Definition für "Holocaust-Leugner" wird revidiert. Alles nur um materiellen Reichtum anzuhäufen, bzw. das gegenwärtige jüdische Leben zu finanzieren, Gemeinden wieder aufzubauen usw., und die meisten Holocaust-Überlebenden schauen ins leere Portemonnaie. BIs zur moralischen Erpressung, die erlauben sich wirklich alles. Was in diesem dritten Kapitel zutage gefördert wird, ist schon schauerlich.

Rafael Seligmann  hat Finkelstein vorgeworfen, er arbeite mit falschen Zahlen von Überlebenden und Opfern. Offenbar gibt es in dieser Angelegenheit unterschiedliche Ansichten. Finkelstein stützte sich auf Zahlenangaben, wie sie in Büchern von Leonard Dinnerstein und Henry Friedländer angeben werden. Selbst wenn diese Zahlen nicht stimmen sollten, schmälert diese Sache Finkelsteins Buch gar nicht. Der Geldraubzug der Holocaust-Industrie ist gut belegt, das gilt auch für die Aussagen über Amerika, die wir in der Schlussbemerkung des Buches lesen. Die USA hat das Problem, sich intensiv um die Erinnerung an den Holocaust zu erinnern, aber die Aufarbeitung eigener Menschheitsverbrechen, begonnen bei den Indianern, zu verdrängen.

Was in dem Buch von Finkelstein zu kurz gekommen ist, sind die inneren Verflechtungen zwischen USA und Israel. Finkelstein komprimiert:

Quote from: Finkelstein
Die organisierten Juden Amerikas haben den Massenmord der Nazis ausgebeutet, um Kritik an Israel und an ihrer eigenen unhaltbaren Politik abzuwehren.

Hierüber wüsste ich mehr. Erinnern wir uns noch, wie bedacht konnte Barack Obama vor einigen Jahren in Begleitung von Elie Wiesel und Angela Merkel in Buchenwald reden. Diese Nation hat im 20. Jahrhundert  Millionen von Menschen einen gewaltsamen Tod gebracht. HOLOCAUST.

Liebe Grüße
mombour
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Re: Norman G. Finkelstein: Die Holocaust- Industrie
« Reply #8 on: 03. Januar 2017, 10.13 Uhr »
Man könnte diese Form der polemisch-ideologisch gestützten Vertretung von Machtinteressen "Semitismus" nennen. Ich schlage vor, den traditionellen sogenannten Antisemitismus als (rassistisch fundierten) Judenhass zu bezeichnen, während Antisemitismus dann die Gegenreaktion gegen den Semitismus wäre und genau diese durchaus nachvollziehbare Gegenreaktion sehe ich auch in diesem Thread. Problem des "Semitismus", auch im Zusammenhang mit dem Holocaust ist eben diese polemische Instrumentalisierung des eigenen Opferstatus und die Tabuisierung jeglicher Gegenreaktion. Problem dabei ist natürlich die saubere Trennung von Antisemitismus und Judenhass. Andrerseits kann man auf der Basis dieser Unterscheidung konstatieren, dass der Semitismus kräftig am Antisemitismus mitarbeitet, die semitische PR  präsentiert sich in weiten Teilen elitär, selbstbezogen und erstarrt, reklamiert dagegen bei jeder Gelegenheit Anspruch auf dominanter Präsenz. Dagegen werden diejenigen Juden, die wirklich herausragende geistige Leistungen vollbringen und für eine Selbsterneuerung stünden seitens des S. gängigerweise entweder ignoriert oder bekämpft.