Author Topic: Wolf Haas: Brennerova  (Read 5825 times)

Offline orzifar

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Wolf Haas: Brennerova
« on: 27. November 2014, 23.15 Uhr »
Hallo!

Der vorläufig letzte Krimi der "Brenner-Serie", nicht der beste, aber durchaus unterhaltsam und angenehm zu lesen. Haas hat eine ellipsenartige, an die österreichische Umgangssprache leicht angenäherte Schreibweise entwickelt, die er virtuos handhabt und mit viel Gefühl und Witz einsetzt. Ich vermute, dass es vor allem diese Sprache ist, die einen Gutteil des Erfolges dieser Krimis ausmacht, wobei ihm auch sein Gefühl für die Komik von Alltagsdialogen, für die Sprechweise der unterschiedlichsten sozialen Schichten entgegenkommt. Die auktoriale Erzählstruktur tut das ihre dazu: So kann sich Haas an den Leser wenden, das Verhalten seiner Hauptfigur verteidigen oder kritisieren, das Geschehen von einer Metaebene aus kommentieren. 

Brenner ist ein ehemaliger Kriminalkommissar, der sich später als Privatdetektiv seinen Unterhalt verdiente und den Typen des unkoventionellen, häufig gegen den guten Geschmack verstoßenden Ermittlers darstellt und der so manchmal eine größere Nähe zur Unterwelt als zum gesetzestreuen Bürger hat. Keineswegs ein Held, vielmehr jemand, der durch die Umstände in die verschiedensten Kalamitäten gerät, oft gegen seinen eigenen Willen. Auch in diesem Buch sind es Zufälle, die ihn zu einem Ermittler im Rotlichmilieu werden lassen auf der Suche nach einer verschwundenen Russin, deren geheimnisvolles Verschwinden sich schließlich als sehr viel weniger geheimnisvoll als angenommen herausstellt. Der Plot ist nicht übermäßig originell, allerdings lebt das Buch mehr von den skurrilen Charakteren, den privaten Beziehungsproblemen Brenners und den sehr genau beobachteten Alltagssituationen. Gute Unterhaltung, allerdings auch nicht mehr.

lg

orzifar
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Offline sandhofer

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Re: Wolf Haas: Brennerova
« Reply #1 on: 28. November 2014, 23.18 Uhr »
Hallo!

Zu Haas habe ich noch eine Frage: Mir sind seine Krimis letztens als Beispiel österreichischer Nationalliteratur präsentiert worden. Mal von der Problematik des Terminus "Nationalliteratur" abgesehen: Ist Haas wirklich soooo österreichisch? Was ich im Internet auf die Schnelle über ihn herausfinden konnte, schien mir eher auf eine Verwandtschaft mit andern Europäern zu deuten: Teilweise Glauser, was den Helden seiner Krimis betrifft, oder auch auf einen Franzosen, dessen Namen und den Namen von dessen Polizeiinspektor ich leider vergessen habe.

Grüsse

sandhofer
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Offline orzifar

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Re: Wolf Haas: Brennerova
« Reply #2 on: 28. November 2014, 23.33 Uhr »
Hallo!

Zu Haas habe ich noch eine Frage: Mir sind seine Krimis letztens als Beispiel österreichischer Nationalliteratur präsentiert worden. Mal von der Problematik des Terminus "Nationalliteratur" abgesehen: Ist Haas wirklich soooo österreichisch? Was ich im Internet auf die Schnelle über ihn herausfinden konnte, schien mir eher auf eine Verwandtschaft mit andern Europäern zu deuten: Teilweise Glauser, was den Helden seiner Krimis betrifft, oder auch auf einen Franzosen, dessen Namen und den Namen von dessen Polizeiinspektor ich leider vergessen habe.

Tja, ist wirklich eine Frage der Definition. Der Sprachduktus hat schon etwas spezifisch Österreichisches, aber es ist nicht im entferntesten so, dass er etwa dadurch schwer zu verstehen sei. Der Vergleich mit Glauser trifft es schon ein wenig (den Franzosen konnte ich aufgrund deiner rudimentären Beschreibung nicht identifizieren ;)), allerdings ist Glauser näher am Burgtheaterdeutsch als Haas. Inwieweit man als Nichtösterreicher die Sprache als originell oder witzig empfindet weiß ich nicht wirklich: Allerdings kenne ich einige Deutsche, die genau von dieser Sprache sehr angetan waren.

lg

orzifar
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Offline sandhofer

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Re: Wolf Haas: Brennerova
« Reply #3 on: 29. November 2014, 00.46 Uhr »
(den Franzosen konnte ich aufgrund deiner rudimentären Beschreibung nicht identifizieren ;)),

Ich musste mit verschiedenen Umwegen Google strapazieren, um meinem Gedächtnis aufzuhelfen: ich meine die Reihe um den Kommissar San-Antonio von Frédéric Dard. Die sind über weite Strecken in Argot geschrieben, mehr Parodie als ernst gemeinter Krimi allerdings - mit einem immer-geilen und immer-schnoddrigen Kommissar.
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