Author Topic: Daniel Kehlmann: Ruhm  (Read 5704 times)

Offline orzifar

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Daniel Kehlmann: Ruhm
« on: 18. Februar 2014, 02.39 Uhr »
Hallo!

Neun kunstvoll ineinander verflochtene Geschichten, doppelte Erzählebenen, geistreiche Plots - viel mehr kann man eigentlich von einem Autor nicht verlangen. So seltsam mir Kehlmann als Mensch - als sich selbst zur Aufführung bringender Schriftsteller - auch erscheinen will (etwa die äußerst dumm-humorlose Auseinandersetzung im "Profil" mit Franzobel), so unbestreitbar ist sein literarisches Talent.

Wenngleich ich das Gefühl hatte, nicht wirklich einen Roman gelesen zu haben, so ist das Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit, einem geträumten Leben (lebenden Traum), in dem die Figuren verschwinden, auftauchen oder zum Schweigen verurteilt werden (explizit durch den auftretenden Autor der Geschichte) ein geistreiches Vexierspiel, in dem das souveräne Können Kehlmanns sichtbar wird. Vielleicht hätte - bei mehr Hingabe - auch ein wirklich großer Roman daraus werden können, aber auch so ist das ein sprachlich sehr ansprechendes, humoriges und geistreiches Buch, in dem nicht nur der Coelho-Verriss sehr gelungen erscheint.

Ich muss zugeben: Eigentlich hätte ich das Buch lieber verrissen. Des erwähnten Autors, seiner Wichtigtuerei in diversen Talkshows, seiner Selbstinszenierung wegen. Aber so weit geht die Antipathie denn doch nicht, dass sie das Vergnügen an diesem Buch verleugnen würde.

lg

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Offline sandhofer

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #1 on: 18. Februar 2014, 11.51 Uhr »
Ich habe mal Kehlmanns Erstling gelesen - die Story um Gauss und Bach. Nicht uninteressant, auch wenn die Manie(r), alles in der indirekten Rede (Konjunktiv II Plusquamperfekt oder so was) zu erzählen, nicht nötig gewesen wäre. Den Schluss aber hat Kehlmann dann komplett "versaut". Somit ist er aus meinem Aufmerksamkeitsraster gefallen - sowohl, was mediale Präsenz, wie was literarische Produktion betrifft.
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Offline Gontscharow

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #2 on: 18. Februar 2014, 16.29 Uhr »

...die Story um Gauss und Bach...

 ??? ;D

Offline sandhofer

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #3 on: 18. Februar 2014, 20.06 Uhr »
Du hast ja Recht - der eine war Humboldt, der Alexander von ...

Die Vermessung der Welt.

Was zeigt, wie rasch ich Kehlmann vergessen habe.  :teufel:
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Offline orzifar

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #4 on: 18. Februar 2014, 22.46 Uhr »
Hallo!

Das Buch über Bach war das erste nicht, da gab's schon vier oder fünf zuvor (die teilweise mehr Anerkennung erfuhren als die "Vermessung"). An letzterer störte mich die eher platte, klischeehafte Darstellung des Mathematikers, sprachlich fand ich da nichts auszusetzen. Aber wir hatten diese Diskussion schon mal (im Klassikerforum?): Mir scheint, dass Kehlmann schon seines Erfolges wegen nicht gelobt werden darf.

lg

orzifar
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Offline sandhofer

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #5 on: 19. Februar 2014, 07.54 Uhr »
Ach, mit der Sprache konnte ich auch leben. Nein, mir gefiel der Schluss nicht. Aber ich müsste schauen, ob ich noch genau herausfinde, warum ...
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Offline Anna

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #6 on: 21. Februar 2014, 16.06 Uhr »
Hallo!

Ich habe mal Kehlmanns Erstling gelesen - die Story um Gauss und Bach.

Das Buch über Bach war das erste nicht

Hauptsache, Ihr beide seid Euch einig! ;D

Von Kehlmann habe ich die "Vermessung der Welt" und "Ich und Kaminski" gelesen. Beide Male ging es mir ähnlich. Zunächst fand ich die Romane unterhaltsam, im Laufe der Lektüre ließ mein Interesse dann ziemlich nach. Kehlmann hat zweifellos Talent und Witz, aber mir fehlte es in den Büchern an Substanz, kaum zugeklappt, waren sie auch schon vergessen. Bisher hatte ich nicht das Bedürfnis nach weiteren Werken des Autors, allerdings bestätigt diese Rezension das fast durchweg positive Urteil über das Buch in den Foren und im Feuilleton, so dass ich es bei Gelegenheit doch mal damit versuchen will. Vielleicht warte ich aber vorsichtshalber erst noch Kehlmanns nächsten Roman ab. ;)

Gruß
Anna



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Offline orzifar

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #7 on: 22. Februar 2014, 05.23 Uhr »
Hallo!


Ich habe mal Kehlmanns Erstling gelesen - die Story um Gauss und Bach.

Das Buch über Bach war das erste nicht

Hauptsache, Ihr beide seid Euch einig! ;D


Vollkommen!  ;D Aber wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass dieses Buch von unserem Chefadministrator in ein völlig verstaubtes und vergessenes Verlies seiner oberen Regionen verbannt worden ist, dann durch den Hinweis auf den Eisenacher Musikus. Ich habe mir auch die Augen gerieben: Der vorgebliche Antipode Gauss wurde erstmals knapp 30 Jahre nach dem Tode Bachs gewindelt. Bessel, Wöhler, Herschel - das hätte ich alles noch verstehen können.

Aber wie erwähnt: Absolut glaubwürdig im Sinne des Vergessen.

lg

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Offline Gontscharow

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #8 on: 22. Februar 2014, 10.02 Uhr »


Ich habe mal Kehlmanns Erstling gelesen - die Story um Gauss und Bach.

Das Buch über Bach war das erste nicht

Hauptsache, Ihr beide seid Euch einig! ;D

Ich glaube ja, bei sandhofers "Fehlleistung" handelt es sich um eine Verwechslung bzw. Kompilierung des Kehlmannschen Machwerks mit dem ungleich gehaltvolleren  Gödel, Escher, Bach – An Eternal Golden Braid ;D . Kann das sein, sandhofer?

Offline sandhofer

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #9 on: 22. Februar 2014, 10.20 Uhr »
Ich glaube ja, bei sandhofers "Fehlleistung" handelt es sich um eine Verwechslung bzw. Kompilierung des Kehlmannschen Machwerks mit dem ungleich gehaltvolleren  Gödel, Escher, Bach – An Eternal Golden Braid ;D . Kann das sein, sandhofer?

Ich müsste unbewusst Kehlmanns Theaterstück Geister in Princeton wahrgenommen haben (bewusst kann ich mich nicht erinnern), das von Gödel handelt und so die Assoziation hingekriegt haben. Ich vermute aber eher, dass mich das Verhältnis Gauss-Vater / Gauss-Sohn an ein anderes Stück Literatur erinnert hat, wo das Verhältnis Bach-Vater / Bach-Sohn thematisiert wurde, und an das ich mich auch vage zu erinnern glaube.
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Offline orzifar

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Re: Daniel Kehlmann: Ruhm
« Reply #10 on: 22. Februar 2014, 11.01 Uhr »
Hallo!

 ;D Da sieht man mal, wie sehr du uns ans Herz gewachsen bist: Das gesamte Forum macht sich Gedanken um deine Assoziationen. Aber von Hofstadters "Gödel, Escher, Bach" ist es doch auch ein ziemlicher Sprung zu Humboldt und Gauss, obschon: Wenn sich kein besseres Erklärungsmodell anbietet? Und Gauss-Vater und -Sohn: Träfe das nicht eher das Verhältnis von Bolyai (Vater und Sohn), mit denen Gauss in Verbindung stand? (Bolyai und Bach - hmmm ...)

Grinsend

orzifar
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