Author Topic: Der alte Mann  (Read 128396 times)

Offline sandhofer

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Der alte Mann
« on: 30. Juni 2013, 16.14 Uhr »
... merkt gerade, dass er nicht jünger wird. Gestern den Abschied eines Kollegen gefeiert. Im Vergleich zu früher fast nichts getrunken. 3 oder 4 Bier, 1 Glas Wein, 1 Rum. Vor Mitternacht schon zu Haus. Und trotzdem heute keinen Kopf zum Lesen. Gut, die Bierchen waren BMM (Bairisches Minimal-Maß = 0.5 l) - dennoch: da war früher mehr möglich. Seufz...
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline Dostoevskij

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Re: Der alte Mann
« Reply #1 on: 30. Juni 2013, 23.21 Uhr »
Moin, Moin!

Das Alter macht mir momentan weniger Sorge als vielmehr die äußeren Umstände. Seitdem ich wieder arbeiten gehe, sackt meine Lesepensum rapide ab, weil ich erstens nur 2 Stunden am Tag Zeit habe und diese zweitens nicht richtig nutzen kann; denn wenn ich um diese enge Spanne weiß, verkrampft sich mein Inneres und ich bin im Kopf nicht entspannt genug, um gut zu lesen. Die täglich Ausbeute lag beispielsweise gestern bei lächerlichen 60 Seiten Thomas Mannscher Erzählungen. Bin zutiefst deprimiert.
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Offline sandhofer

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Re: Der alte Mann
« Reply #2 on: 01. Juli 2013, 07.37 Uhr »
Hallo!

Das klingt für mich nach ungeheuer viel - sowohl die Stunden- wie die Seitenzahl. Meine tägliche Lesezeit ist - die Wochenenden mal ausgenommen, da kann es mehr sein (allerdings nicht gestern) - weit unter 2 Stunden. Und wenn ich 60 Seiten Thomas Mann an einem Tag schaffen würde ...

Grüsse

sandhofer
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Offline Dostoevskij

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Re: Der alte Mann
« Reply #3 on: 01. Juli 2013, 18.47 Uhr »
Moin, Moin!

Das klingt für mich nach ungeheuer viel - sowohl die Stunden- wie die Seitenzahl. Meine tägliche Lesezeit ist - die Wochenenden mal ausgenommen, da kann es mehr sein (allerdings nicht gestern) - weit unter 2 Stunden. Und wenn ich 60 Seiten Thomas Mann an einem Tag schaffen würde ...

Ich habe ja immer so die leise Vermutung, daß du dein Licht unter den Scheffel stellst. Seitdem es dieses Forum gibt, ahnt man ja, zu welchen Höhenflügen du, orzifar und die anderen sich aufschwingen. :-)

60 Seiten Thomas Mann war auch nur möglich, weil es sich gerade um "Herr und Hund" handelt, dieser doch mit leichter Hand hingeworfenen Haustieridylle.
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Offline sandhofer

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Re: Der alte Mann
« Reply #4 on: 01. Juli 2013, 21.19 Uhr »
Hallo!

Ich werde heute vielleicht noch eine Viertelstunde zum Lesen kommen. Wenn's hoch kommt, ein Kapitel im Luo Guanzhong. Das sind 8-12 Seiten. Das war's dann für heute.

Ich kann am Wochenende (manchmal) mehr lesen - aber was die Menge des gelesenen Stoffs betrifft, bist Du wohl uns allen hier über. Selbst an einem Deiner schlechten Tage.  ;)

Grüsse

sandhofer
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Offline Dostoevskij

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Re: Der alte Mann
« Reply #5 on: 01. Juli 2013, 22.52 Uhr »
Moin, Moin!

Ich kann am Wochenende (manchmal) mehr lesen - aber was die Menge des gelesenen Stoffs betrifft, bist Du wohl uns allen hier über. Selbst an einem Deiner schlechten Tage.  ;)

Wir sind ja wohl alle gleich oder ähnlich. Also ist es mir völlig klar, daß ihr, wenn ihr den weit schwereren Stoff lest als ich, quantitativ ein bißchen weniger habt als ich.

Ich jedenfalls ziehe vor dir, sandhofer, seitdem ich ich mitbekommen habe, was und in welcher Breite du liest, den Hut, und das ist ernst gemeint.

Neuerdings bin ich auf dem Trip, daß ich im Prinzip nichts Neues mehr kennenzulernen brauche und selbst bei konsequenten Zweit- Dritt-  usw-Lektüren für die Zukunft locker ausgebucht wäre. Deshalb meine Wiederlektüren der letzten Zeit von GGM, Thomas Mann usw.
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Offline orzifar

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Re: Der alte Mann
« Reply #6 on: 03. Juli 2013, 19.29 Uhr »
Hallo!

Durch den Threadtitel fühle ich mich angesprochen ;). Wobei: An Dostoevskijs Überlegungen kann ich ganz Grundsätzliches nicht nachvollziehen, nämlich die Bezugnahme auf die Seitenzahl. Ich verbringe offenbar (wesentlich) mehr Zeit meines Lebens mit dem Lesen als ihr beide, aber schon der Ausdruck "Pensum" wäre für mich falsch gewählt. Das klingt nach Pflichterfüllung, ob nun von außen oder von mir selbst auferlegt - und das ist Lesen (für mich) nie (weshalb ich gegenüber Berufen, die mit Schreiben oder Lesen zu tun haben, stets misstrauisch war: Weil ich Angst habe, durch die Verpflichtung die Freude am Lesen zu verlieren).

Für mich ist ein erfüllender Lesetag weitgehend von der bewältigten Seitenzahl unabhängig. Sondern vom Gelesenen bzw. meiner Freude daran. Typisch war etwa der Genuss jener 20 Seiten, die Lindberg (Die Anfänge des abendländischen Wissens) über Aristoteles geschrieben hat. Ich habe diese Seiten dann nochmal gelesen, wie ich überhaupt jemand bin, der Abschnitte gerne mehrfach liest: So etwa derzeit in Alberts "Kritik der reinen Erkenntnislehre", wo ich einzelne Abschnitte schon öfter als dreimal gelesen habe. Das Gefühl, etwas verstanden, oder auch - im Falle belletristischer Texte - einen ästh. Genuss empfunden zu haben, ist für mich der Gradmesser eines "erfolgreichen" Lesetages. Die Seitenzahl ist hingegen zweitrangig, als ich beim Thiong'o an einem Tag mehr als 250 Seiten gelesen habe, habe ich darüber keinerlei Befriedigung empfunden. Im Gegenteil: Ein derartiger Umfang macht mich skeptisch, weil ich mich frage, was denn von dieser so umfänglichen Lektüre in meinem Gedächtnis haften geblieben ist. Denn ich will ja nicht nur die Zeit mit dem Lesen verbringen (totschlagen?), sondern mich an das Gelesene erinnern, es in irgendeiner Form in mein Denken und Leben integrieren.

lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
John Irving: Owen Meany

Offline Dostoevskij

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Re: Der alte Mann
« Reply #7 on: 04. Juli 2013, 01.46 Uhr »
Moin, Moin!

An Dostoevskijs Überlegungen kann ich ganz Grundsätzliches nicht nachvollziehen, nämlich die Bezugnahme auf die Seitenzahl. Ich verbringe offenbar (wesentlich) mehr Zeit meines Lebens mit dem Lesen als ihr beide, aber schon der Ausdruck "Pensum" wäre für mich falsch gewählt. Das klingt nach Pflichterfüllung, ob nun von außen oder von mir selbst auferlegt

Ich poche gar nicht so sehr auf ein Pensum oder eine zu erfüllende Seitenzahl, sondern nehme sie als Gradmesser für einen zureichenden Freiraum zum Lesen. Ich könnte das Pferd aus anders herum aufzäumen. Wenn ich täglich über 4 volle Stunden verfügen könnte, dann ist mir die Ausbeute oder das Pensum oder die Ergiebigkeit schnurz. Denn wenn ich diese Zeit wirklich nutze, dann stellte sich das Gefühl der Befriedigung automatisch ein. Was ich vielmehr beklage sind zwei Sachen: daß ich zu wenig Zeit zu lesen habe und daß, wenn ich mal Zeit habe, sie für andere Sache verplempere. Ich beklage immer mich als inkonsequenten Menschen bzw. die doofen Umstände meiner Arbeit und des Lebens, das eine Zuwendung zum Buch unterminiert.
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Offline orzifar

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Re: Der alte Mann
« Reply #8 on: 04. Juli 2013, 02.34 Uhr »
Hallo!

Das hinwiederum kann ich sehr gut verstehen. Die leidliche Pflicht, die es zu erfüllen gilt - und die davon abhält, sich sehr viel Angenehmerem zu widmen.

lg

orzifar
« Last Edit: 04. Juli 2013, 06.26 Uhr by orzifar »
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Offline sandhofer

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Re: Der alte Mann
« Reply #9 on: 05. Juli 2013, 15.18 Uhr »
Hallo

Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Thread eine derartige Resonanz findet. Ich fürchte nun, alle, die Material für eine Hausaufgabe zu Hemingway suchen, werden hier landen  >:D .

Dabei wollte ich nur mein Leid klagen und um Mitleid heischen, weil mein Kopf vom Weisswein verkatert war.  :angel:

Grüsse

sandhofer

PS. Das wollte ich noch festgehalten wissen:

in welcher Breite du liest,

Soooooooo dick bin ich aber nun auch wieder nicht ...  ;D

Im Ernst. Danke fürs Kompliment, aber ich lese eigentlich sehr schmal. Ein bisschen Philosophie der Antike und des 17. Jahrhunderts; (vorweigend deutsche) Literatur und Literaten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Das aktuelle Feuilleton wird seid Jahrzehnten kaum noch bewirtschaftet. Und Wiederholungslektüren aktuell viel zu wenige ...
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Re: Der alte Mann
« Reply #10 on: 05. Juli 2013, 18.32 Uhr »
Moin, Moin!

Ein bisschen Philosophie der Antike und des 17. Jahrhunderts; (vorweigend deutsche) Literatur und Literaten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts.

Damit deckst du die Gebiete ab. die für mich terra inkognita sind. Vermutlich deswegen fallen sie mir besonders auf. Ich lese am liebsten 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhundert.

Quote
Das aktuelle Feuilleton wird seid Jahrzehnten kaum noch bewirtschaftet. Und Wiederholungslektüren aktuell viel zu wenige ...

Wiederlektüre spielt bei mir eine zunehmende Rolle. Das Feuilleton verfolge ich ich kaum, reagier aber auf intuitive Winke mit dem Zaunspfahl. Das heißt, sobald ich einmal über ein aktuelles Buch stolpere und das Bauchgefühl habe, das könnte mich ansprechen, wehre ich mich nicht allzu heftig dagegen. Die Trefferquote als versierter Leser ist allemal hoch genug.
-- 
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Offline sandhofer

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Re: Der alte Mann
« Reply #11 on: 05. Juli 2013, 19.54 Uhr »
Die Trefferquote als versierter Leser ist allemal hoch genug.

Dem ist so, ja.  ;)
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BigBen

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Re: Der alte Mann
« Reply #12 on: 06. Juli 2013, 12.35 Uhr »
Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Thread eine derartige Resonanz findet. [...]

Dabei wollte ich nur mein Leid klagen und um Mitleid heischen, weil mein Kopf vom Weisswein verkatert war.  :angel:

Och, ich fand Euch beide amüsant. Mir fehlte hier nur ein Popcorn-Smiley. *duckundweg* 

Offline Dostoevskij

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Re: Der alte Mann
« Reply #13 on: 06. Juli 2013, 23.30 Uhr »
Moin, Moin!

Och, ich fand Euch beide amüsant. Mir fehlte hier nur ein Popcorn-Smiley. *duckundweg*

Ich finde das nicht mehr lustig. Heute habe ich bis 18.15 Uhr geschlafen. Wann bitte soll ich da lesen?
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Offline orzifar

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Re: Der alte Mann
« Reply #14 on: 07. Juli 2013, 01.20 Uhr »
Och, ich fand Euch beide amüsant. Mir fehlte hier nur ein Popcorn-Smiley. *duckundweg*

Ich finde das nicht mehr lustig. Heute habe ich bis 18.15 Uhr geschlafen. Wann bitte soll ich da lesen?

Des nächtens - wie ich ;). Oder immer dann, wenn man nicht schläft. - Zu deinem Weißweinkater, Sandhofer, kann ich nicht viel Kommentierenswertes beitragen, da ich der Nationaldroge vollkommen entsage.

lg

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