Hallo!
Durch den Threadtitel fühle ich mich angesprochen

. Wobei: An Dostoevskijs Überlegungen kann ich ganz Grundsätzliches nicht nachvollziehen, nämlich die Bezugnahme auf die Seitenzahl. Ich verbringe offenbar (wesentlich) mehr Zeit meines Lebens mit dem Lesen als ihr beide, aber schon der Ausdruck "Pensum" wäre für mich falsch gewählt. Das klingt nach Pflichterfüllung, ob nun von außen oder von mir selbst auferlegt - und das ist Lesen (für mich) nie (weshalb ich gegenüber Berufen, die mit Schreiben oder Lesen zu tun haben, stets misstrauisch war: Weil ich Angst habe, durch die Verpflichtung die Freude am Lesen zu verlieren).
Für mich ist ein erfüllender Lesetag weitgehend von der bewältigten Seitenzahl unabhängig. Sondern vom Gelesenen bzw. meiner Freude daran. Typisch war etwa der Genuss jener 20 Seiten, die Lindberg (Die Anfänge des abendländischen Wissens) über Aristoteles geschrieben hat. Ich habe diese Seiten dann nochmal gelesen, wie ich überhaupt jemand bin, der Abschnitte gerne mehrfach liest: So etwa derzeit in Alberts "Kritik der reinen Erkenntnislehre", wo ich einzelne Abschnitte schon öfter als dreimal gelesen habe. Das Gefühl, etwas verstanden, oder auch - im Falle belletristischer Texte - einen ästh. Genuss empfunden zu haben, ist für mich der Gradmesser eines "erfolgreichen" Lesetages. Die Seitenzahl ist hingegen zweitrangig, als ich beim Thiong'o an einem Tag mehr als 250 Seiten gelesen habe, habe ich darüber keinerlei Befriedigung empfunden. Im Gegenteil: Ein derartiger Umfang macht mich skeptisch, weil ich mich frage, was denn von dieser so umfänglichen Lektüre in meinem Gedächtnis haften geblieben ist. Denn ich will ja nicht nur die Zeit mit dem Lesen verbringen (totschlagen?), sondern mich an das Gelesene erinnern, es in irgendeiner Form in mein Denken und Leben integrieren.
lg
orzifar