Hallo!
Ein sprachlich sehr ansprechender Essayband, der die Dummheit und Ignoranz österreichischer Politik auf den Punkt bringt. Österreich ist ja in vieler Hinsicht ein besonderes Land: Eines, das die Ambiguität (Doppelmoral?) als staatstragendes Prinzip einsetzt. Menasse findet dafür eine Unzahl von Beispielen: Die scheinbare, von niemandem anerkannte Neutralität Österreichs (die einen gänzlich anderen Charakter als die der Schweiz hat), das Lavieren zwischen den Blöcken, die Geschichtslüge bezüglich des Zweiten Weltkrieges, in dem Österreich als das erste Opfer Hitlerdeutschlands dargestellt wurde (und großteils wird), überhaupt ein Geschichtsverständnis, das mit dem tatsächlich Land nichts zu tun hat bzw. aus ihm ein historisches Ausstellungsstück der k.k. Monarchie macht. Daneben der eigentümlich Deutschenhass (nebst der Umwerbung derselben als zahlungskräftige Urlauber)- und - über allem - eine verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Schattenregierung in Form der Sozialpartnerschaft (die durchaus Verdienste hat, allerdings über Jahrzehnte den Proporz zementierte und dadurch den Aufstieg eines Haiders beschleunigte).
Andererseits findet man als Bewohner eines Landes wohl immer mehr Kritikpunkte als der Außenstehende - dies liegt in der Natur der Sache (bzw. der Nähe). Ein störendes Element: Wenn jemand wie Menasse ernsthaft und ohne Augenzwinkern eine Terminologie verwendet, die das Wort "Überbau" ohn alle Ironie strapaziert, so neige ich dazu, den Autor doch nicht so ganz ernst nehmen zu können. Aber insgesamt bisher sehr lesenswert, weil eine alternative Geschichte Österreichs.
lg
orzifar