Nun also, ergänzend zu den Horen, eine Schiller-Biografie (obwohl ich sonst kaum zu diesem Genre greife), bestehend aus 24 Kapiteln, einem Prolog und dem üblichen Anhang (Zeittafel, Werk- und Personenregister, Zitatnachweise, Literatur). Der Prolog beginnt – nicht ganz ungeschickt - mit Schillers Tod und der Frage: Wie konnte dieses körperliche Wrack 45 Jahre alt werden? Safranskis Antwort „Indem er seinen Willen über den Körper triumphieren ließ“ war allerdings Anlass für schlimme Befürchtungen – zumal sie garniert wurde mit Sätzen wie „Idealismus ist, wenn man mit der Kraft der Begeisterung länger lebt, als es der Körper erlaubt.“
Die beiden ersten Kapitel waren zwar locker zu lesen, aber doch recht langweilig, weil sie die ersten Lebensstationen des Buben Fritz (so nannte ihn der Vater) als biografische Pflichtübung absolvierten. Ab dem 3. Kapitel nimmt Safranskis Buch Fahrt auf. Er hält sich dankenswerterweise ein wenig auf bei den verschiedenen philosophischen Strömungen des 17. und 18. Jahrhunderts, um den Zwiespalt des jungen Schiller zu beschreiben, der sich eingeklemmt sah zwischen rhetorischem Talent (und deshalb ursprünglich Prediger werden wollte!) und philsosophisch-naturwissenschaftlichen Neigungen, die von seinem Lehrer Jakob Friedrich Abel, einem rationalistisch orientierten Aufklärer, unterstützt wurden. Auch die literarische Bewegung des Sturm und Drang sowie Herders Geniebegriff (der wohl von Lehrer Abel übernommen wurde) und dessen nahezu postaufklärerische „Lebenshervorbringungsphilosophie“ haben heftig auf den jungen Schiller eingewirkt.
Die geistigen Verwerfungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschreibt Safranski als „anthropologische Wende“, die vom kalten Rationalismus und Materialismus zur Empirie (Locke!) verlief und dem Erfahrungswissen gegenüber dem reinen Denken den Vorzug gab. Es entstand so etwas wie „die Naturwissenschaft der Seele und des Geistes“ (Safranski) – eine Sichtweise, die Schiller begrüßte und schließlich zum Medizinstudenten machte. Das empirisch-anthropologísch ausgerichtete Studium zwingt ihn zu einem Naturalismus, der auch abstrakte Probleme wie das der menschlichen Freiheit nicht metaphysisch, sondern empirisch behandelt. Die Fragen der Seele betrachtet er bald als das kühl sezierende Geschäft empirischer Beobachtung, so wie er die Operationen der Seele und des Geistes als Prozesse definiert, die tief in den Körper hineinweisen. Schiller kommt also früh zu der Überzeugung, das der menschliche Körper das geistig-seelische Schicksal formt, wobei die Seele für ihn nicht ohne Einfluss auf das Körperliche ist.
Ein erstes Fazit nach vier Kapiteln: Safranski beschreibt recht intelligent und dennoch anschaulich die Ideenwelt, in der Schiller nach Orientierung suchte. Er versteht es bislang, dem Leser die Stationen, vor allen aber die Gedanken und Beweggründe des späteren Theaterstars ein wenig näher zu bringen – und das alles auf einem Niveau, das nicht überragend ist, aber dennoch zufriedenstellt.