Author Topic: R. Safranski – F. Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus (2004)  (Read 11832 times)

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Nun also, ergänzend zu den Horen, eine Schiller-Biografie (obwohl ich sonst kaum zu diesem Genre greife), bestehend aus 24 Kapiteln, einem Prolog und dem üblichen Anhang (Zeittafel, Werk- und Personenregister, Zitatnachweise, Literatur). Der Prolog beginnt – nicht ganz ungeschickt - mit Schillers Tod und der Frage: Wie konnte dieses körperliche Wrack 45 Jahre alt werden? Safranskis Antwort „Indem er seinen Willen über den Körper triumphieren ließ“ war allerdings Anlass für schlimme Befürchtungen – zumal sie garniert wurde mit Sätzen wie „Idealismus ist, wenn man mit der Kraft der Begeisterung länger lebt, als es der Körper erlaubt.“

Die beiden ersten Kapitel waren zwar locker zu lesen, aber doch recht langweilig, weil sie die ersten Lebensstationen des Buben Fritz (so nannte ihn der Vater) als biografische Pflichtübung absolvierten. Ab dem 3. Kapitel nimmt Safranskis Buch Fahrt auf. Er hält sich dankenswerterweise ein wenig auf bei den verschiedenen philosophischen Strömungen des 17. und 18. Jahrhunderts, um den Zwiespalt des jungen Schiller zu beschreiben, der sich eingeklemmt sah zwischen rhetorischem Talent (und deshalb ursprünglich Prediger werden wollte!) und philsosophisch-naturwissenschaftlichen Neigungen, die von seinem Lehrer Jakob Friedrich Abel, einem rationalistisch orientierten Aufklärer, unterstützt wurden. Auch die literarische Bewegung des Sturm und Drang sowie Herders Geniebegriff (der wohl von Lehrer Abel übernommen wurde) und dessen nahezu postaufklärerische „Lebenshervorbringungsphilosophie“ haben  heftig auf den jungen Schiller eingewirkt. 

Die geistigen Verwerfungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschreibt Safranski als „anthropologische Wende“, die vom kalten Rationalismus und Materialismus zur Empirie (Locke!) verlief und dem Erfahrungswissen gegenüber dem reinen Denken den Vorzug gab. Es entstand so etwas wie „die Naturwissenschaft der Seele und des Geistes“ (Safranski) – eine Sichtweise, die Schiller begrüßte und schließlich zum Medizinstudenten machte. Das empirisch-anthropologísch ausgerichtete Studium zwingt ihn zu einem Naturalismus, der auch abstrakte Probleme wie das der menschlichen Freiheit nicht metaphysisch, sondern empirisch behandelt. Die Fragen der Seele betrachtet er bald als das kühl sezierende Geschäft empirischer Beobachtung, so wie er die Operationen der Seele und des Geistes als Prozesse definiert, die tief in den Körper hineinweisen. Schiller kommt also früh zu der Überzeugung, das der menschliche Körper das geistig-seelische Schicksal formt, wobei die Seele für ihn nicht ohne Einfluss auf das Körperliche ist.

Ein erstes Fazit nach vier Kapiteln: Safranski beschreibt recht intelligent und dennoch anschaulich die Ideenwelt, in der Schiller nach Orientierung suchte. Er versteht es bislang, dem Leser die Stationen, vor allen aber die Gedanken und Beweggründe des späteren Theaterstars ein wenig näher zu bringen – und das alles auf einem Niveau, das nicht überragend ist, aber dennoch zufriedenstellt.

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Schillers medizinische(!) Dissertationen: Philosophische Anfänge

Im 18. Jahrhundert war die Medizin eng mit der inzwischen empirisch ausgerichteten Philosophie verknüpft. Philosophen suchten im Geist das Körperliche, die Mediziner im Körper das Geistige, wobei für Letztgenannte die Kenntnis des Körpers eine wesentliche Voraussetzung für das Vordringen zu den Geheimnissen des Geistes darstellte. Zwei Richtungen bestimmten die medizinische Diskussion: ein körpermaterialistischer Determinismus und ein animistisches Konzept, das somatische Erkrankungen auf seelische Ursachen zurückführte. Das Erkenntnisinteresse lautete: Wie lässt sich die zweifelsfrei vorhandene Verbindung zwischen Körper und Geist definieren? Welche Zwischenglieder und Wechselwirkungen sind für den Übergang der materiellen Realität in eine geistige Welt verantwortlich?

Schillers erste Dissertation (1779, nur das Inhaltsverzeichnis und das Anfangskapitel sind erhalten) trug den Titel „Philosophie der Physiologie“. Sie wurde abgelehnt aufgrund des Hochmuts, mit dem Schiller die Medizinerzunft abkanzelte. Eine zweite Dissertation (1780) über „entzündungsartige Fieber“ fiel ebenfalls durch. Erst im dritten (ebenfalls 1780) unternommenen Anlauf hat Schiller Erfolg. Mit der Schrift „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“ kehrt er inhaltlich zur ersten Dissertation zurück, weshalb deren Annahme ein kleines Wunder ist.

Die erste und dritte Dissertation bilden die Bühne für Schillers Philosophie der „Liebe als kosmisches Prinzip“, die er als Gegengift gegen den drohenden Nihilismus der Körpermaterialisten verstanden wissen möchte. Die Liebe ist das beseelende Prinzip der Körpermaschine, sie gewährleistet den Übergang zwischen Materie und Geist und den Dualismus zwischen erkennender und erkannter Wirklichkeit. Sie überführt das Erkennende in das Erkannte. Schiller greift die bekannte Metapher der „großen Kette der empfindenden Wesen“ auf. Darin ist die Welt ein Werk des göttlichen Überflusses und Reichtums, in der jedes Wesen seinen Platz hat, mit anderen verbunden ist und daher das prinzipielle Vermögen hat, die ganze Welt in sich einzusaugen und sich so selbst zu vervollkommnen. Zusammengehalten wird diese Kette durch die seelische Gravitation der Liebe, ein ständiges Geben und Nehmen bzw. Erzeugen und Empfangen (wie W.v. Humboldt es 1795 in seinem Horen-Aufsatz „Über den Geschlechtsunterschied ...“ nennt). Die selbstbewusste Liebe zwischen den Menschen bringt schließlich einen Gott hervor, der aber kein jenseitiges Wesen ist, sondern eine Metapher für die lebendige Kraft der Natur. (Anmerkung: das ist Spinoza!). Wer diesen Gott nicht ehrt, entfernt sich aus der Kette der empfindenden Wesen und wird ein kalter Materialist und Egoist wie Franz Moor.

Schillers „Beseelung der Körpermaschine“ mittels der Liebe und der "Kette der empfindenden Wesen" ist die Voraussetzung für seine endgültige Erledigung des deterministischen Denkens zugunsten von Spontaneität und Freiheit. Zusätzlich greift er auf die damals zirkulierende Theorie der Aufmerksamkeit zurück, mit der er erklärt, dass die auf Geist und Seele wirkende Realität keine zwingend instruierende Wirkung, sondern eher den Charakter einer Anregung hat – von Ausnahmen wie Lebensgefahr einmal abgesehen. Also hat der Mensch die unbedingte Freiheit, seine Aufmerksamkeit willkürlich auf interpretierbare Realitäten zu richten, um die daraus gewonnenen Eindrücke zu selbständigen Ideen zu verarbeiten. (Anmerkung: Schiller als Vorläufer des Radikalen Kosntruktivismus?)       

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Geschichte, Kant und die Folgen

Durch die intensive Kant-Lektüre ab 1791 fühlt Schiller sich in vielen Gedanken bestätigt. Vor allem die kantischen Sätze „Bestimme Dich aus Dir selbst“ und „Die Natur steht unter dem Verstandesgesetz“ waren für Schiller logische Konsequenzen aus Spinozas „Gott oder Natur“, wobei es nur auf die innere Haltung ankommt, ob man die Natur als göttlich oder das Göttliche bloß als Natur begreift, ob man also der „fühllosen Notwendigkeit“ und dem Determinsimus oder der kreativen Freiheit, der „großen Kette der empfindenden Wesen“ das geistige Szepter überlässt. Endgültige Wahrheiten kann weder die eine noch die andere Position für sich beanspruchen. Eine Entschleierung der „Wahrheit“ kann zuweilen sogar zutiefst banal und deprimierend sein. Deshalb näherte Schiller sich diesen Fragen nicht als kalter Materialist, sondern als Enthusiast des schöpferischen Prinzips und der Liebe.

Kants Verlagerung der Metaphysik auf die Bedingungen und Strukturen des Erkenntnisakts sowie dessen Schlussfolgerung, Erkennen sei weniger ein Rezipieren als vielmehr ein Produzieren, sind für Schiller kraftvolle Ermächtigungen des Subjekts. Kant rückt endgültig die schöpferische Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen in das Zentrum des Schillerschen Denkens. Alle Ideen, auch der geistvergessene Materialismus, sind Konstruktionen des Geistes. Vom  selbstvergessenen Dogmatismus bis zum schwärmerischen Glauben: Alles liegt im erkennenden Subjekt.

Auch die historischen Werke zwischen 1788 und 1790 (u.a. „Geschichte des Abfalls der Niederlande“, „Geschichte des 30jährigen Krieges“) sowie die Antrittsvorlesung in Jena (Mai 1789) liefern Anhaltspunkte für Schillers Philosophie. Die Geschichte ist bei ihm nicht, wie bei Rousseau, ein Abstieg zur Verkommenheit. Schiller sieht vielmehr keinen Grund, die Vergangenheit der Menschheit zu idealisieren, wohl aber die Aussichten auf mehr Demokratie und Gleichheit vor dem Gesetz (angesichts der französischen Ereignisse nicht unverständlich). Diese Einstellung steht im starken Kontrast zu den philosophischen Gedanken des Geisterseher-Romans. Dort ist Geschichte kein panoramaartiges Kontinuum, sondern ein Konstrukt und Phantasma, das vom Individuum nicht erfasst werden kann. Anstelle einer historischen Teleologie herrscht im „Geisterseher“ die blinde Aufeinanderfolge von Ursache und Wirkung. Safranski beharrt jedoch darauf, dass dies zwei Seiten einer Medaille seien.

Offline Sir Thomas

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Schönheit, Anmut, Würde und Erhabenheit

Diese Kernstücke Schillerscher Ästhetik vor dem Erscheinen der "Ästhetischen Briefe" fasst Safranski  wie folgt zusammen:

Schönheit ist der Inbegriff all dessen, was dem Sein nicht aufgezwungen, sondern aus seiner Freiheit heraus quasi von allein entsteht. „Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung“ … und die Idee der Selbstbestimmung (Kallias-Briefe). Die Menschen kommen im Zustand der Freiheit zu sich selbst und führen in der vollendeten Gestalt ihrer Möglichkeiten ihr Spiel des Lebens auf.

Während Schönheit und Sinnlichkeit von Natur gegeben sind, entsteht Anmut nur in Kooperation zwischen Natur und Freiheit. Die Natur vergeistigt sich, der Geist wird natürlich.

Anmut versöhnt natürliches Begehren und Freiheit, Natur und Vernunft/Sittlichkeit. Der Mensch wird durch diese Versöhnung zur schönen Seele, was bedeutet: Er kann gar nicht anders als sittlich/moralisch handeln, weil Moral und Sittlichkeit ihm gegen alle Affekte zur Natur und Gewohnheit geworden sind. Die Vernunft ist also nicht im Feindesland der Natur unter den mühsamen Bedingungen des (für Schiller Grazien feindlichen) kategorischen Imperativs unterwegs. Sie ist Natur, wenn der Mensch eine schöne Seele ist. Eine mönchische Asketik ist für den Weg zur Vollkommenheit folglich nicht notwendig. Das ist die Abwendung von Kant, der Freiheit und Vernunft als mühsam zu erkämpfenden Triumph über die menschliche Triebnatur definiert hatte. Aus Kants „Du sollst“ macht Schiller „Du willst“ – unter der Bedingung, dass das Sollen im Willen enthalten ist.

Wenn das Sollen nicht in das Wollen integriert ist (sprich: unangenehm ist) und trotzdem ausgeführt wird, handelt es sich um einen Akt der Würde. Sie ist ein Triumph der (moralischen) Selbstbehauptung gegenüber allen Schicksalsschlägen. Wer nicht vor einer übergroß scheinenden Macht kapituliert, zeigt darüber hinaus Erhabenheit.

So komprimiert und verständlich habe ich das noch nicht "serviert" bekommen. 

Offline orzifar

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Kants Verlagerung der Metaphysik auf die Bedingungen und Strukturen des Erkenntnisakts

Das klingt ein wenig irreführend. Kant ist es darum zu tun, die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis zu untersuchen. U. a. eben auch, ob Metaphysik möglich ist (wie er es für die Mathematik und die Naturphilosophie zeigt). Er verlagert nicht, sondern überprüft, ob es synthetische Erkenntnisse a priori auch in Hinsicht auf die Metaphysik geben kann. In der Dialektik verneint er dies, in der transzendentalen Methodenlehre meint er dann über den Umweg der Moral einen Weg zur Metaphysik zu finden.

lg

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Erziehung zu literarischem Geschmack – Die Horen

1793 trafen Schiller und der junge, ehrgeizige und aufstrebende Verleger Johann Friedrich Cotta erstmals aufeinander. Cotta wollte aus dem seit 1659 bestehenden Familienunternehmen „Cotta‘sche Verlagsbuchhandlung“ (Tübingen) Deutschlands größten und einflußreichsten Verlag machen. Der damals schon berühmte Schiller mit seinen Weimarer Verbindungen kam ihm da gerade recht.

Schiller entwickelte das inhaltliche Konzept der Horen, das er im Sommer 1794 u.a. Goethe vorstellte, auf den er nicht verzichten wollte. Er war erstaunt, dass der Geheimrat Zustimmung signalisierte. Anfang 1795 kam das erste Heft mit einer Auflage von 2.000 Stück in den Umlauf – eine für die damalige Zeit beträchtliche Anzahl.

Waren „Thalia“ und „Neue Thalia“ für Schiller noch im Geist der „Verbrüderung“ mit der Leserschaft ins Leben gerufen worden, hatten die Horen einen gänzlich anderen Hintergedanken: Schiller und Goethe wollten die ständig wachsende Zahl der Leser erziehen – und zwar zu dem, was sie als guten Geschmack empfanden und definierten. Der damalige Markt wurde nämlich mit einer wahren Flut an billigem und einfachem Lesestoff überschwemmt. In diesen Zusammenhang gehören die sog. Literaturfabriken, in denen u.a. der junge Tieck arbeitete, um sich nebenbei ein wenig Geld zu verdienen. Deren Output bestand aus rührseligen Liebesgeschichten, bunten Räuberpistolen und dem, was man heute als „Thriller“ à la Dan Brown bezeichnen würde.

Die Horen liefen anfangs gut, die Autoren standen Schlange – nicht zuletzt, weil die Honorare recht üppig waren. Schon nach wenigen Ausgaben musste Schiller jedoch einiges an Kritik einstecken: Zu elitär sei das Ganze, zu sehr von der Willkür Schillers sei es abhängig, wer publizieren dürfe und wer nicht. Es kam zu Reibereien mit zurückgewiesenen Autoren wie Fichte und Friedrich Schlegel, was insbesondere für den älteren Bruder August Wilhelm ein Problem war, der an den Horen gut verdiente.

Der Verleger Cotta erwies sich als wenig zimperlich, wenn es darum ging, das Ansehen der Horen zu stärken. Bezahlte Jubelarien wurden in Auftrag gegeben. Schiller war damit einverstanden. Als diese zweifelhaften Aktionen bekannt wurden, haben sie dem Ansehen der Horen sehr geschadet.

Schiller nutzte die Horen vor allem zur Propagierung seiner „Ästhetischen Briefe“. Spätestens mit dem Erscheinen des letzten Stücks über die „Naiven und sentimentalischen Dichter“ Anfang 1796 hatte er sein Pulver in philosophischer Hinsicht endgültig verschossen. Die Horen hatten für ihn die Schuldigkeit getan; die „philosophische Bude“ (Schiller) konnte endgültig geschlossen werden, denn etwas Großes harrte der Vollendung: Wallenstein.

So gingen die Horen langsam aber sicher ihrer Einschläferung entgegen. Wenn man einen Blick auf die Qualität der Beiträge wirft, dann bleibt die ernüchternde Erkenntnis: Die Horen sind an ihrem Anspruch, ihrer Hybris und zuletzt am Desinteresse des Herausgebers Schiller gescheitert. 

Offline Sir Thomas

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Kants Verlagerung der Metaphysik auf die Bedingungen und Strukturen des Erkenntnisakts

Das klingt ein wenig irreführend.

Ich habe das wohl etwas oberflächlich formuliert und stimme Dir deshalb zu. 

Offline Gontscharow

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Quote from: Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 09:45
So gingen die Horen langsam aber sicher ihrer Einschläferung entgegen…. Die Horen sind an ihrem Anspruch, ihrer Hybris und zuletzt am Desinteresse des Herausgebers Schiller gescheitert.

Und warum lesen wir die Horen jetzt noch? ;)

Quote from: Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 09:45
Anfang 1796 hatte er sein Pulver in philosophischer Hinsicht endgültig verschossen. Die Horen hatten für ihn die Schuldigkeit getan; die „philosophische Bude“ (Schiller) konnte endgültig geschlossen werden, denn etwas Großes harrte der Vollendung: Wallenstein.

Daher die Zäsur in  Schillers  dramatischem Schaffen… und in meinen Auslassungen darüber. Eigentlich wollte ich ja mit Wallenstein bis zur Schließung der philosophischen Bude warten. Aber das kann ja noch Jahre dauern. Daher geht’s bald mit „Wallenstein“ weiter.

Offline Sir Thomas

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Quote from: Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 09:45
So gingen die Horen langsam aber sicher ihrer Einschläferung entgegen…. Die Horen sind an ihrem Anspruch, ihrer Hybris und zuletzt am Desinteresse des Herausgebers Schiller gescheitert.

Und warum lesen wir die Horen jetzt noch? ;)

Aus historischem Interesse.
« Last Edit: 26. März 2013, 11.57 Uhr by Sir Thomas »

Offline sandhofer

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Auch. Es hat aber schon Perlen drin ...  ;)
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline Sir Thomas

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Auch. Es hat aber schon Perlen drin ...  ;)

Natürlich. Schillers Aufsätze (Ich freue mich schon auf die naiven und sentimentalischen Dichter!) und Goethes Elegien sind schlicht hervorragend.

Offline orzifar

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Hallo,

habe nun endlich die Lektüre dieser Schillerbiographie angefangen (bzw. fortgesetzt). Das liest sich anfangs recht eingängig, auch informativ, wird aber dort, wo es um philosophische Bereiche geht, eigentümlich belanglos und ungenau. Mir scheint, dass da ein routinierter Schreiberling am Werk ist, der aus dem Fundus bereits ganz oder erst halb geschriebener Bücher schöpft und eine Allerweltsarbeit abliefert, die noch dazu recht ungenau wirkt. (Da wird zum Beispiel Plato eine "Philosophie des Enthusiasmus" unterstellt. Warum sich ausgerechnet dieser Philosoph als Gewährsmann einer solchen Richtung eignen sollte, bleibt Safranskis Exklusivwissen, das genaue Gegenteil entspräche wohl eher Platos Ansichten. Oder Hobbes: Der sich vor allem an den Bürgerkriegen im Frankreich des 17. Jahrhunderts sein Menschenbild angeeignet haben soll. Ich bezweifle, ob Hobbes dafür den Blick - in gerade dem betreffenden Jahrhundert - über den Kanal richten musste. Das mögen Kleinigkeiten sein, passt aber sehr gut zu diesem formelhaften Philosophielehrerstil, der da ohne großes Interesse und mit noch weniger Einfühlungsvermögen irgendetwas wiederkäut.)

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orzifar
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Offline sandhofer

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Halte uns auf dem Laufenden. Im Moment sieht es nicht so aus. als ob ich dem Adorno-Schüler eine Chance geben werde ...  >:D

Grüsse

sandhofer
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline orzifar

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Hallo!

Möglicherweise lässt sich durch einen Vergleich meine Kritik an Safranski am besten illustrieren: Bei Philipp Blom hatte ich den Eindruck, dass ihm an seinem Thema gelegen war, er sich diesem mit persönlichem Engagement gewidmet hatte und dass dies in seinem Buch auch zum Ausdruck kam. Er wurde vom Thema ergriffen - nicht umgekehrt. Während Safranskis Buch wie eine Auftragsarbeit erscheint, gut geschrieben (sprachlich gibt es da nichts auszusetzen), im Grunde durchaus kompetent, aber dann doch wieder floskelhaft und nachlässig. Als ich gestern wieder einigermaßen versöhnt mit dem Buch war, stieß ich alsobald auf den Satz " ... wird er (Schiller) auch eine ästhetische Theorie ausarbeiten, die in ihrer erhellenden Kraft in der Geschichte des ästhetischen Denkens einzig dasteht." Das sind diese Klischeesätze, die eine persönliche Anteilnahme am Buchgegenstand suggerieren sollen, aber eben nichts weiter sind als Leerformeln. (Bis zu jener Stelle, an der Schiller "Prosa ohnegleichen" attestiert wird, bin ich noch nicht vorgedrungen. Aber solche Superlative ersetzen nicht die Begründung für von ihnen Ausgedrückte.)

Safranski erinnert an Geyer, der ebenfalls solche Bücher produziert: Routiniert geschrieben, leicht lesbar, aber dann doch den Eindruck eines ins Kraut geschossenen Enzyklopädieartikels erweckend. Wobei das fast zu hart klingt: Das Buch ist beileibe nicht schlecht, aber eben auch nichts Besonderes. (Bei Durchsicht der letzten Veröffentlichungen Safranskis bestätigt sich mein Verdacht: Er schreibt ein Buch ums andere zu einem sehr änlichen Themenkreis: Goethe und Schiller; Romantik; Schiller als Philosoph; - und eben dieses Buch. Das lässt den Verdacht von literarischer Gewinnmaximierung aufkommen ...)

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Safranski erinnert an Geyer, der ebenfalls solche Bücher produziert: Routiniert geschrieben, leicht lesbar, aber dann doch den Eindruck eines ins Kraut geschossenen Enzyklopädieartikels erweckend. Wobei das fast zu hart klingt: Das Buch ist beileibe nicht schlecht, aber eben auch nichts Besonderes.

Es wurde für ein breites Publikum geschrieben, nicht für Fachgermanisten. Den Versuch, Schiller ein wenig zu popularisieren, betrachte ich deshalb als gelungen - trotz aller berechtigten Kritik.