Hallo sandhofer,
Du warst fleißig zum Jahresende und hast ausgemistet! Gut so, zum Jahreswechsel soll man sich von Ballast und Überlebtem trennen. In manchen Ländern wirft man zu Silvester symbolisch und ganz konkret alten Hausrat aus dem Fenster… Ich komm erst heute dazu.
Deinen Einlassungen zu 12/1797 hab ich kaum etwas hinzuzufügen. Zur Verteidigung der „
vorher nicht in Erscheinung getretenen“ Louise Brachmann sei vielleicht noch gesagt, dass sie bei Erscheinen der letzten Nummer erst knapp zwanzig war. Ihre Gedichte wurden Schiller von Novalis empfohlen, weitere sind in Schillers Musenalmanach erschienen. Von Müllner später als die
deutsche Sappho bezeichnet, wegen ihres Schicksals (sie drehte durch und nahm sich schließlich das Leben) oft mit Karoline v. Günderode verglichen, soll sie immerhin nachfolgenden Dichtern Anregungen gegeben haben, z.B C.F. Meyer …
In Bezug auf Einsiedels Utopie bestätigtest Du mir in einem Deiner Posts, dass Utopien,
weiß der Himmel warum, irgendwie die Tendenz haben, rückwärts gerichtet zu sein. Schlimmer, sie weisen (fast) immer auch faschistische Spurenelemente auf. In Einsiedels Utopie heißt die Kaste der Bauern
die Nährenden. Hat Goebbels das gelesen? Reichs-
Nährstand war die Bezeichnung für die Bauern im 3. Reich.
Die Coda, finde ich, reißt das ganze ein bisschen heraus,weil ironisch zurücknommen wird.
Zu den Horen als ganzes:
Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen(Wallenstein)
Hoch im Anspruch, kläglich in der Realisierung, sind die
Horen für mich eine einzige Demonstration dieses Satzes, den Schiller1797 - vielleicht auch im Hinblick auf sein dahinsiechendes Horen-Projekt - dem Wallenstein in den Mund legt.
Es stimmt leider, bis auf die unabhängig von den
Horen bereits bekannten Texte ist die Mehrzahl der Beiträge kaum wert gelesen zu werden. Verborgene literarische Schätze habe ich nicht gefunden. Für das Scheitern der
Horen auf ganzer Linie mag es viele Gründe geben, einer ist sicher das Politisierungsverbot, das zur Auflage für Beiträger gemacht wurde. So wird der Leser, dem ganz anderes auf den Nägeln brennt in dieser politisch brisanten Zeit, mit ästhetischen, poetologischen und anderen weltfremden Themen abgespeist. Alles, was irgendwie spannend, konfliktgeladen oder aktuell ist, wird abgewürgt und hinausgedrängt. Nun gut,
der Weg zur Freiheit soll über das Schöne gehen, gab Schiller in seiner Revolutionsvermeidungsschrift Ä.E. die Devise aus und sie hat einiges für sich. Aber was in den Horen übrigbleibt, ist brav, bieder, konservativ, von jeglicher Brisanz und Lebendigkeit gereinigt, steril und sterbenslangweilig. Die präferierte „lyrische“ Gedichtform ist das Dinggedicht: der
Dorffriedhof, der
Spaziergang, die
Eichbäume. usw. Kurzum, den Horenerzeugnissen mit ihrer Verdrängung und Ver
leugnung der Realität fehlt es - um im Jargon der Klassik zu sprechen - am Wahren. Und das Wahre ist Vorbedingung für das Gute und Schöne.
Rien n’est beau que le vrai - wie Schiller und die Horen wissen.
Ich gratuliere uns zu unserer Leserunde, zu unserem Durchhaltevermögen bei dieser strohtrockenen Lektüre.

Die
Horen von A bis Z gelesen zu haben, kann kaum jemand von sich sagen!Der Kommentator unserer Ausgabe jedenfalls nicht.
Ich habe trotz allem unendlich viel durch die Beschäftigung mit den
Horen gelernt: über die Weimarer Klassik, über Goethe &Schiller usw. Mit letzterem bin noch nicht fertig.
