Hallo!
Ein leicht und angenehm zu lesendes Buch, das sich doch ein wenig von den üblichen Werken über diese Epoche absetzt. Geier zeichnet anhand von sieben Porträts das Jahrhundert zwischen der Glorreichen und der Französischen Revolution nach; aber neben den allseits bekannten Enzyklopädisten oder John Locke kommen auch unbekanntere Personen zum Zug: So etwa Moses Mendelsohn oder Olympe de Gouges, die neben ihren Forderungen der Geschlechtergleichheit auch eine der ersten war, die den Skandal einer fast überall still akzeptierten Sklaverei thematisierte.
Und immer wieder versucht Geier auch Bezüge zur Gegenwart herzustellen, fragt, inwieweit Kants Definition von Aufklärung, seine Maximen noch heute Gültigkeit haben (eine Diskussion, die ich selbst mit Erstaunen und Befremden nach 9/11 verfolgt habe). Gerade weil in diesen Diskussionen wieder einmal spürbar war, wie sehr der Name Kant oder der Begriff "Aufklärung" zu sinnentleerten Floskeln geworden sind, welche von dem Betreffenden einzig zu dem Zwecke einer "Intellektualisierung" seiner Aussage verwendet werden. (Besonders dumm ist die oftmals angetroffene Gleichsetzung von "Aufklärung" und "christlichem Abendland": Die beiden Begriffe sind Gegensätze, die Aufklärung wurde gegen den massiven Widerstand des Klerus durchgesetzt, gegen christlich-klerikale Prinzipien, die nichts weniger als Meinungsfreiheit oder Gleichheit auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Man (vor allem Politiker des christlichen Lagers) schien völlig vergessen zu haben, dass so gut wie jedes mit den Gedanken der Aufklärung sympathisierende Buch auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, ein Schicksal, das man auch den Verfassern gegönnt hätte; nur die schwindende Macht der Kirche verhinderte ein solches.)
Dennoch bleibt der Leser auch ein wenig enttäuscht zurück: Genauere, tiefergehende Analysen bleiben weitgehend ausgespart. Dies ist das häufige Schicksal solcher Sachbücher, die für ein breites Publikum geschrieben werden, obschon in einigen Kapiteln durch die häufige Bezugnahme auf Kants "Kritiken" und deren Interpretationen (etwa durch die Brüder Humboldt) der Versuch gemacht wird, die Implikationen reiner Philosophie auf die politische Wirklichkeit aufzuzeigen. Allerdings befürchte ich, dass hier für den mit Kant nicht Vertrauten vieles im Unklaren bleibt - und eine Einführung in den Kantschen Gedankenkosmos kann hier natürlich nicht gegeben werden. So bleibt es eine angenehme, leicht zu lesende und routiniert geschriebene Lektüre für den Lehnstuhl. Nicht das schlechteste ...
lg
orzifar