Author Topic: Carl Julius Weber: Demokritos  (Read 5962 times)

Offline sandhofer

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Carl Julius Weber: Demokritos
« on: 20. Oktober 2012, 08.06 Uhr »
Hallo zusammen!

So, nun mache ich mich langsam an dieses Monster. Eigentlich war es ja offenbar gedacht als eine Art philosophische Untersuchung des Lächerlichen, als eine "Enzyklopädie des Lachens". Doch scheint Weber nicht unbedingt Systematiker zu sein, und so haben wir im Grunde genommen diverse Essays vor uns, die mehr oder weniger zum Thema passen. Mehr oder weniger, denn einerseits geht dem Weber sein eigener satirischer Gaul des öftern durch, andererseits wieder liefert er ungeheuer moralinsaure Kapitel ab, die weder mit dem Lachen noch mit dem Lächerlichen zu tun haben und auch keine Satire sind, sondern ganz einfach hausbackene Moralpredigten eines zu kurz Gekommenen.

"Es ist ungeheuer, was der Mann las und fraß: nämlich Bücher", schreibt ein zeitgenössischer Kritiker. So heisst es in der einzigen Biografie, die ich auf der Schnelle im Internet finden konnte. Weber besass offenbar eine riesige Bibliothek (ca. 11'000 Bücher) und benutzt sie dementsprechend. Kaum ein Satz, in den nicht eine Lesefrucht einfliesst. Ob als direktes Zitat oder auch nur als Anspielung.

Grüsse

sandhofer
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Offline orzifar

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #1 on: 20. Oktober 2012, 21.45 Uhr »
Hallo!

Meine Ausgabe beginnt mit einer 30seitigen Selbstbiographie. Ansonsten kann ich dem Schreiber des von dir verlinkten Artikels nur zustimmen: Zur Eigenart des "Demokritos" gehört es, daß man das Buch in homöopathischen Dosen genießen kann. Ich werd' allenthalben mal drin schmökern. Auf dass die Leserunde in einigen Jahren ihr Ende finde ...

lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
Mareike Fallwickl: Das Licht ist hier viel heller
Marshall Sahlins: Neue Wissenschaft des verwunschenen Universums. Eine Anthropologie fast der gesamten Menschheit

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #2 on: 21. Oktober 2012, 07.20 Uhr »
Ich bin kein Anhänger der Homöopathie ...  >:D
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Offline sandhofer

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #3 on: 21. Oktober 2012, 09.31 Uhr »
Meine Ausgabe beginnt mit einer 30seitigen Selbstbiographie.

Meine auch. Wenn das allerdings ein lachender Philosoph sein soll ... Larmoyant würde es besser treffen. Diese 30 Seiten triefen nur so von Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit. Schlechte Einstimmung ins Thema. "Thema verfehlt", wie mein Lehrer unter gewissen Aufsätze zu schreiben pflegte.
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Offline sandhofer

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #4 on: 21. Oktober 2012, 14.20 Uhr »
Kleine Lesefrucht am Rande (aus Band 4, S. 166)

Es macht Jean-Jacques [gemeint ist Rousseau - sandhofer] Ehre, daß er das gestohlene und abgeleugnete Band, worüber Marion aus dem Dienst gejagt wurde, nie vergessen konnte [...]

So kann man es auch sehen ...
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Offline sandhofer

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #5 on: 22. Oktober 2012, 20.40 Uhr »
Im Grossen und Ganzen ist der Weber aber ein wunderbar beruhigende Lektüre vor dem Einschlafen ...  >:D

Und er muss mal ziemlich Erfolg gehabt haben; meine Ausgabe ist doch recht zerlesen, wenn auch nicht zerfleddert ...
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Offline orzifar

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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #6 on: 23. Oktober 2012, 01.07 Uhr »
Im Grossen und Ganzen ist der Weber aber ein wunderbar beruhigende Lektüre vor dem Einschlafen ...  >:D

Und er muss mal ziemlich Erfolg gehabt haben; meine Ausgabe ist doch recht zerlesen, wenn auch nicht zerfleddert ...

Was ich von meinem Exemplar nicht behaupten kann. Erfreut sich eher eines weitgehend jungräulichen Aussehens. (Was ich verstehen kann ;)).

lg

orzifar
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #7 on: 23. Oktober 2012, 08.26 Uhr »
Was darauf hinweisen würde, dass Weber zu den Autoren gehörte, die man "haben" musste. Nämlich, um sie zum Beweis eines zwar bürgerlichen Bildungsbewusstseins, das aber nicht unkritisch sein wollte, in seinem Bücherschrank aufzustellen. Passt.
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #8 on: 26. Oktober 2012, 20.23 Uhr »
Ha! Ich habe ihn erwischt: Weder das Kapitel 5/XIII ("Die Freßsucht") noch das folgende Kapitel 5/XIV ("Die Leckerei und Gutschmeckerei") erwähnen meinen Brillat-Savarin. Er könnte ihn zwar noch gelesen haben, aber nur auf Französisch. Ist aber trotzdem eine Bildungslücke, Herr Weber!  ;D
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #9 on: 27. Oktober 2012, 10.05 Uhr »
Aber er kennt Mercier:

Mercier hat viel geschrieben, zu viel - seine Theaterstücke sind vergessen - besser sind seine anderen Werke, aber für sein bestes erkläre ich: Du Théâtre (Amst. 1773. 8 ) [...] (6/I - "Die Künste. Das Theater")

Der Weber muss tatsächlich Bücher gefressen haben ...

PS. Zu Mercier hier, hier und hier:hi:
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #10 on: 31. Oktober 2012, 20.33 Uhr »
Zwischendurch gelingen ihm gute Pointen. Wenn er betonen will, dass der Naturzustand der Enzyklopädisten ein reines theoretisches Konstrukt ist, kann er eine Anekdote zitieren einer Gräfin, die zu d'Alembert sinngemäss sagt, dass er bei seiner Schmächtigkeit in einem Naturzustand keine Chance gehabt hätte. Man kann natürlich darüber debattieren, ob das theoretische Konstrukt des Naturzustands Sinn macht oder nicht, hat man sich dagegen entschieden, kann man es kaum besser entkräften. Diese reductio ad absurdum hat auch Jean Paul mit Fichte ausgeführt, und es sind die schlechtesten Teile bei Jean Paul nicht ...
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #11 on: 01. November 2012, 19.45 Uhr »
Als Gegenstück die ganz faulen Eier. Zum Thema "Pressfreiheit" bringt er jene französische Dame, die während der Blütezeit der französischen Revolution sich Folgendes geleistet habe: Mme Monar wurde verhaftet, weil sie, nachdem ihr Mann seit ein paar Tagen unter Verstopfung gelitten hatte, nun aber endlich, wie Weber so schön euphemistisch sagt, "Leibesöffnung hatte", sich aus dem Fenster lehnte und ihrer Nachbarschaft laut schreiend die frohe Botschaft mitteilte: "Monar chie!"

Das ist nicht nur unterste Schublade, das ist schlicht und ergreifend Vera...schung des Lesers ...  >:(
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #12 on: 07. November 2012, 20.00 Uhr »
Im Moment keine ganz faulen Eier mehr. Weber schwatzt halt gern und kramt seine Belesenheit aus. Ganz wie ich ...  ;D
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #13 on: 10. November 2012, 10.24 Uhr »
Beim Thema "Deutsche Satire" nimmt Weber typischerweise für Rabener und gegen Liscov Stellung. Und immer wieder wird dieser Thümmel erwähnt. Ich nehme an, er meint den Moritz August von. Kennt jemand etwas von diesem Thümmel? Wikipedia lässt mich eine Art verwässerten Wieland erwarten ...
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Re: Carl Julius Weber: Demokritos
« Reply #14 on: 10. November 2012, 18.34 Uhr »
Und dann wieder, wo er mit seiner Belesenheit kokettiert. So, wenn er nur einen Halbsatz zum "Jahr 2440" macht. Die (späteren!) Anmerkungen in meiner Ausgabe explizieren dann den Mercier. Wie ist das eigentlich in Deiner, orzifar? Auch erklärende Anmerkungen? Meine muss Mitte des 19. Jahrhunderts gedruckt worden sein, also wusste man schon damals vieles nicht mehr. Und lateinische Zitate sind auch bereits übersetzt. (Was für die "Volkstümlichkeit" der Ausgabe spricht; meine Herder-Werkausgabe, rund 50 Jahre jünger, fand das ihrerseits nicht nötig.)
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