Author Topic: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction  (Read 8878 times)

Offline sandhofer

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #15 on: 15. April 2012, 15.15 Uhr »
At the Mountains of Madness [Berge des Wahnsinns]

Im Gegensatz zu dem, was Wikipedia behauptet, knüpft hier Lovecraft keineswegs an den Cthulhu-Mythos an. Im Gegenteil: Er zerstört jeden Ansatz eines Mythos. Cthulhu, "the Old Ones", und jene Wesen aus The Wisperer in Darkness - sie sind alle zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Regionen des Weltalls (oder sogar von jenseits des Alls) gekommene Aliens, die miteinander im Streit liegen. Nichts Göttliches, was sich bei Lovecraft eigentlich von selber versteht, der Götter nur als Traumgestalten vorführte.

Im übrigen interessant die grosse Rolle der Dekadenz einer Kultur, die Lovecraft hier anhand der "Old Ones" vorführt. Lovecraft hielt Spenglers Thesen für wissenschaftliche Erkenntnisse.
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Offline orzifar

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #16 on: 15. April 2012, 21.16 Uhr »
Ganz nebenbei würde mich interessieren, ob es heute auch so gute Horrorgeschichten gibt. Manche Stories von Stephen King sollen sehr gut sein.

Ich habe drei Bücher von King gelesen - und war im Grunde positiv überrascht. Die Sachen sind schon sehr gut gemacht und auch originell (teilweise). Jedenfalls hat mich King besser unterhalten als z. B. Mankell, den ich nur langweilig und berechenbar fand (naja, Mankell beschränkt sich auch auf Krimis ganz ohne Horror, wobei mich bei seinen Büchern auch die sprachliche Simplizität verstört hat - vielleicht aber lag's an der Übersetzung).

lg

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Offline Sir Thomas

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #17 on: 16. April 2012, 08.23 Uhr »
Im übrigen interessant die grosse Rolle der Dekadenz einer Kultur, die Lovecraft hier anhand der "Old Ones" vorführt. Lovecraft hielt Spenglers Thesen für wissenschaftliche Erkenntnisse.

Lovecraft kannte Spengler? Interessant! Mir war nicht bekannt, dass die Thesen vom "Untergang des Abendlandes" im angelsächsichen Raum überhaupt zur Kenntnis genommen wurden.

Offline orzifar

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #18 on: 16. April 2012, 16.11 Uhr »
Hallo!

Spengler war im angelsächsischen Raum durchaus bekannt, hat doch etwa Toynbee sich ausdrücklich auf ihn berufen. Musil hat den "Untergang" und seine Beliebigkeiten treffend analysiert:

"Es gibt zitronengelbe Falter, es gibt zitronengelbe Chinesen. In gewisser Weise kann man also sagen, der Falter ist der geflügelte mitteleuropäische Zwergchinese. Falter und Chinese sind bekannt als Sinnbilder der Wollust. Zum ersten Mal wird hier der Gedanke an die noch nie beachtete Übereinstimmung des großen Alters der lepidopteren Fauna und der chinesischen Kultur gefasst. Dass der Falter Flügel hat und der Chinese keine, ist nur ein Oberflächenphänomen!" (das Zitat habe ich eine Zeitlang gesucht und heute zu meiner Freude auf Anhieb gefunden).

lg

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Offline Sir Thomas

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #19 on: 16. April 2012, 17.17 Uhr »
Spengler war im angelsächsischen Raum durchaus bekannt, hat doch etwa Toynbee sich ausdrücklich auf ihn berufen.

Poor Britannia!  ;D

Wie konnten die Enkel Lockes und Humes auf den deutschen Oberesoteriker hereinfallen? Shocking!

Offline sandhofer

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #20 on: 16. April 2012, 19.07 Uhr »
Wie konnten die Enkel Lockes und Humes auf den deutschen Oberesoteriker hereinfallen? Shocking!

Der Erfinder des analytischen Detektivs (gut, bei Lichte betrachtet: kein Analytiker) par excellence glaubte an Feen, daran, dass man die fotografieren könnte und auch fotografiert hatte und hielt eine plumpe Fälschung einer Feen-Fotografie für ein echtes Bild von echten Feen. Und war Spiritist. Sogar Missionar für den Spiritismus. Ebenso in Edinburgh geboren wie Hume: Sir Arthur Conan Doyle ...
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Offline mombour

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #21 on: 18. April 2012, 11.49 Uhr »
Ich habe drei Bücher von King gelesen - und war im Grunde positiv überrascht. Die Sachen sind schon sehr gut gemacht und auch originell (teilweise).

Vielen Dank für seine Einschätzung. Dann werde ich demnächst einige Erzählungen lesen. Ich habe gar nicht erwartet, dass hier im Forum jemand Stephen King gelesen hat. Das mag auch an festgefahrenen Vorurteilen liegen, die bei diesem Genre leider vorhanden sind. Aber die KUnst des feinen Horrors ist eben auch Kunst. Siehe Lovecraft oder Poe (übrigens auch Algernon Blackwood : "Die Weiden". Große Klasse.).
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Offline orzifar

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #22 on: 18. April 2012, 16.18 Uhr »
Ich habe "Alpträume" hier liegen (orig: Nightmares and Dreamscapes). Leserunde zu King ;).

"Todesmarsch" habe ich z. B. in guter Erinnerung, die Idee ist originell, gut ausgeführt, eigentlich kein Horror, sondern totalitäre Zukunftsvision. Obwohl man noch mehr hätte daraus machen können. Aber in jedem Fall lesbar.

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Offline mombour

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #23 on: 18. April 2012, 18.44 Uhr »
Ich habe "Alpträume" hier liegen (orig: Nightmares and Dreamscapes). Leserunde zu King ;).

Du, ich habe es antiquarisch geordert für 3,01€. Meinst du, dass kann man auch mal im Klassikerforum vorstellen ;D (kleiner Spaß, aber wer weiß schon, ob er mal ein Horrorklassiker wird). Ich finde es ja ganz reizvoll, Menschen zu schockieren, die mich sonst nur mit Thomas Mann Lektüre, Pavese o.ä. kennen.
Wenn das Buch da ist, sage ich bescheid. Als ich mal die Strugazki - Brüder gelesen habe, begegnete mir dostojewski vom Klassikerforum in stirnrunzelnder  Manier, obwohl diese Russenbrüder gut geschrieben haben. tz. (off-topic-End).
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Offline orzifar

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #24 on: 18. April 2012, 19.14 Uhr »
Du, ich habe es antiquarisch geordert für 3,01€. Meinst du, dass kann man auch mal im Klassikerforum vorstellen ;D (kleiner Spaß, aber wer weiß schon, ob er mal ein Horrorklassiker wird). Ich finde es ja ganz reizvoll, Menschen zu schockieren, die mich sonst nur mit Thomas Mann Lektüre, Pavese o.ä. kennen.
Wenn das Buch da ist, sage ich bescheid. Als ich mal die Strugazki - Brüder gelesen habe, begegnete mir dostojewski vom Klassikerforum in stirnrunzelnder  Manier, obwohl diese Russenbrüder gut geschrieben haben. tz. (off-topic-End).

Ich plädiere für eine kopernikanischen Wende im Sinne der Kantschen Erkenntnistheorie: Grundlage für eine gediegene Auseinandersetzung ist weniger das Objekt (auch über den Dr. Faustus oder den Kafkaschen Prozess kann man viel Unsinn schreiben) als das betrachtende Subjekt. Es ist die Rezeption, die Art der Argumentation, die einen Forenbeitrag lesenswert macht, nicht das in Frage stehende Werk. Auch wenn den anspruchsvolle Leser lieber zu anspruchsvollen Büchern greifen wird.

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #25 on: 20. April 2012, 05.10 Uhr »
Die Welt (des Horrors) ist klein: King schreibt im Vorwort, dass eine Geschichte aus dem Buch den Cthulhu-Mythos zum Thema habe. So schließt sich der Kreis ;). Wir werden berichten ...

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Offline Dostoevskij

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #26 on: 24. April 2012, 12.48 Uhr »
Moin, Moin!

Als ich mal die Strugazki - Brüder gelesen habe, begegnete mir dostojewski vom Klassikerforum in stirnrunzelnder  Manier, obwohl diese Russenbrüder gut geschrieben haben. tz. (off-topic-End).

Ich meinte ja lediglich, daß ich für diese Art Literatur weitgehend verloren bin. Habe ich wirklich bezweifelt, daß sie gut geschrieben habe?
-- 
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Offline mombour

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #27 on: 24. April 2012, 13.20 Uhr »
Hallo Dostoevskij,

ich bildete mir ein, so etwas herausgelesen zu haben. Nun, dann war es nicht so.

Liebe Grüße
mombour

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Offline sandhofer

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #28 on: 29. April 2012, 16.26 Uhr »
Supernatural Horror in Literature

Der letzte Text in meiner Ausgabe von Lovecrafts "Complete Fiction" ist keine Fiktion, sondern eher eine Geschichte der phantastischen Literatur, zusammen mit einem theoretischen Unterbau derselben. Lovecraft verwirft dabei die platte natürliche Erklärung des Übernatürlichen vieler seiner Vorgänger und Kollegen ebenso wie die platte Übernatürlichkeit eines Gespensts, das mit Ketten herumläuft und ein bisschen rattelt. Gleichzeitig plädiert er dafür, dass die Horror-Literatur eine der grundlegenden Phänomene des Geschichtenerzählens und damit eben der Literatur ist. Wir haben hier einen der letzten Texte auch biografisch gesehen vor uns, und er zeigt, dass Lovecraft sehr wohl wusste, warum er wie schrieb.
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Offline Lenzer

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Re: H. P. Lovecraft: The Complete Fiction
« Reply #29 on: 07. Mai 2012, 15.56 Uhr »
Ich habe drei Bücher von King gelesen - und war im Grunde positiv überrascht. Die Sachen sind schon sehr gut gemacht und auch originell (teilweise).

Vielen Dank für seine Einschätzung. Dann werde ich demnächst einige Erzählungen lesen. Ich habe gar nicht erwartet, dass hier im Forum jemand Stephen King gelesen hat. Das mag auch an festgefahrenen Vorurteilen liegen, die bei diesem Genre leider vorhanden sind. Aber die KUnst des feinen Horrors ist eben auch Kunst. Siehe Lovecraft oder Poe (übrigens auch Algernon Blackwood : "Die Weiden". Große Klasse.).

Es freut mich sehr, den Namen Algernon Blackwood einmal lesen zu dürfen. auch ich hab ihn zu schätzen gelernt, auch wenn es wirklich lange her ist, dass ich ihn gelesen haben. Als besonders feselnd habe ich seine Erzählung "Der Wendigo" in Erinnerung. In diesem Zusammenhang muss aber auch noch der Namen Arthur Machen fallen, der mit Poe zu HPL's Lehrmeistern gerechnet werden kann.
Zu King: Hier beschränken sich meine Erfahrungen auf ein Buch, und zwar "ES". Und das war wirklich grandios. Wie King immer wieder zwischen zwei Zeitebenen wechselt (und dass teilweise innerhalb eines Satzes (!!!)) ist wirklich großartig; das Buch ist hervorragend durchkomponiert und hat mich bis zum Schluß gefesselt.