Das ist in der Tat eine beeindruckende Liste von unhappy endings! Und doch: In keiner der kleistischen Geschichten geht alles nur den Bach runter, keine endet in völliger Trostlosigkeit wie die Stücke des absurden Theaters oder andere Werke der Moderne (Kafkas Prozess, Verwandlung etwa) Da geht Kleist nicht so weit wie die Moderne - oder er geht über sie hinaus. Es gibt bei ihm bei allem Unglück, aller Destruktivität eben auch Gegen- und Heilkräftiges.
Ja, in seinem finsteren Erstling, den Schroffensteins, sind zum Schluss alle Kinder tot, aber die Liebe von Agnes und Ottokar setzt der Familientradition aus Argwohn, Grausamkeit und Hass ein Ende, führt letztlich, wenn auch (zu) spät, zur Versöhnung der Familienzweige.
Der zerbrochene Krug ist ein analytisches Drama, das aufklärt, Licht ins Dunkel der die Menschen knechtenden Machenschaften bringt. Dem falschen Richter wird das Handwerk gelegt. Ja, Eve wird ihren Ruprecht, der in seiner Engstirnigkeit entlarvt wird, wahrscheinlich nicht mehr lieben können, aber sie wird auch nicht mehr erpressbar und manipulierbar sein.
Käthchen, ganz Hingabe, trägt über Falschheit und Berechnung den Sieg davon.
Von Michael Kohlhaas, dessen Rechtsgefühl… einer Goldwaage glich, heißt es : …mitten durch den Schmerz, die Welt in einer so ungeheuren Unordnung zu erblicken, zuckte die innerliche Zufriedenheit empor, seine eigene Brust nunmehr in Ordnung zu sehen. Das ist am Wendepunkt der Erzählung, nachdem K. Willkür und Unrecht erlitten, seinen unverhältnismäßigen Rachefeldzug aber noch nicht begonnen hat, gleichwohl aber entschlossen ist, das Unrecht nicht hinzunehmen und auf sich beruhen zu lassen. Er erreicht ja auch im Endeffekt die Verurteilung des Junkers und nimmt sein eigene wegen Landfriedensbruchs als gerechte Strafe an.
Auch die Marquise findet in dem Moment , in dem sie sich über den Zustand des Erleidens erhebt und beschließt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich mit Stolz gegen die Fährnisse der Welt zu rüsten, zu Ruhe, Gelassenheit, ja Heiterkeit und findet sogar die Kraft zu dem sie kompromitierenden und der Lächerlichkeit preisgebenden Schritt, um ihr Leben in Ordnung zu bringen.
Ja, in der Verlobung von Santo Domingo stirbt das Liebespaar, aber nicht bevor sich Toni, das fünfzehnjährige Mestizenmädchen kraft ihrer Liebe und ihres Willens über die schier unüberwindlich scheinenden Gegensätze erhoben und einer unmenschlichen mörderischen Umwelt getrotzt hat …
Ich kann nicht sterben, ohne mich, zufrieden und heiter, wie ich bin, mit der ganzen Welt, und somit auch, vor allen Anderen, meine theuerste Ulrike, mit Dir versöhnt zu haben. …..
…..möge Dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit dem meinigen gleich…
Die bekannten Zeilen Kleists aus dem Abschiedsrief an seine Schwester. Ich glaube, dass die angesprochene „Heiterkeit“ eine ähnliche ist wie die schon in seinem Werk aufscheinende, auch wenn sie hier mit Selbstzerstörung einhergeht.