Gesucht - gefunden ... nicht schlecht, aber einige Einwände.
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"So geht das." (so it goes). Lakonisch begleitet dieser Satz das Sterben in Schlachthof 5, Zufälligkeit, Belanglosigkeit markierend. Billy Pilgrim erzählt von den Stationen seines Lebens; und alle haben einen zentralen Bezug: Die Bombardierung Dresdens, die der Autor selbst in einem Bunker miterlebte.
Billy ist traumatisiert und - omnipräsent, seit er von Außerirdischen vom Planeten Tralfamadore entführt wurde; er vermag in der Zeit zu reisen, Zeitsprünge zu machen bzw.: Durch die Reise wird ihm dies alles bewusst. Und so ist auch die Erzählung von Billys Leben eine zeitlich ungeordnete Abfolge von Erlebnissen, alles aber vom Grauen des Krieges überstrahlt, vom Sterben, von der rätselhaften Unmenschlichkeit. Diese im Roman nie aufgelöste Reise nach dem fremden Planeten, ob real oder traumatisiert (was für den Fortgang der Romanes auch nebensächlich ist) bietet den philosophischen Hintergrund für die Erzählung von Billys Leben - und dieser wirkt oft tückisch - und unausgegoren.
Einerseits wird durch diese Struktur der Gleichzeitigkeit auf die Belanglosigkeit der Ereignisse hingewiesen, auf deren Determiniertheit, andererseits Billy als ein einflussloser Moralist geschildert, der hinnimmt, in Maßen mitfühlt, aber aufgrund der Einsicht in die Vorbestimmtheit nichts unternehmen kann. Selbst dieses "Können" wird in Frage gestellt; er überlegt, ein Flugzeug zu besteigen, da er von dessen Absturz weiß. Dann aber schickt er sich in eine paradoxe "freiwillige Vorbestimmtheit"; irgendwo in der Zeit wird man immer leben, immer sterben, immer glücklich oder unglücklich sein. Insofern ist jede Verurteilung eines Handelns sinnlos, da die Zukunft schon stattgefunden hat und es ein reiner Zufall ist, dass man nicht gerade im Sterben begriffen ist.
Diese Determiniertheit im Zusammenhang mit der moralischen Verantwortung (bzw. Verantwortungslosigkeit) wird nirgends aufgelöst, der Autor bemüht sich gar nicht um eine solche philosophische Durchdringung der Erzählung. Ob Nachlässigkeit oder beabsichtigt - der Roman bekommt dadurch etwas Aussageloses, Beliebiges. Das Kriegsgrauen ist ebenso sehr Episode wie eine Heirat, Geburt, Krankenhausaufenthalte, die Schuldfrage, die Frage nach Eigenverantwortlichkeit kann gar nicht gestellt werden. Die meisten philosophischen Implikationen einer solchen Struktur werden vollkommen ignoriert, sodass man sich mehr und mehr fragt, was den Autor zu einem solch seltsamen Konstrukt bewogen hat. Wäre es bei der Erzähltechnik von bunt zusammengewürfelten Einzelepisoden geblieben, wären einem die bescheidenen Erkenntnisse von Außerirdischen erspart geblieben, der Roman wäre um vieles lesbarer. So bleibt es ein sprachlich stimmiges, aber mit zweifelhaftem gedanklichen Klebstoff zusammengeflicktes Stückwerk.
Nachbemerkung: Vonnegut hat bis zum Ende seines Lebens immer an einer fast um den Faktor 10 erhöhten Opferzahl für Dresden festgehalten (und diese auch im Buch angeführt). Was ihn dazu bewogen hat, vermag ich nicht zu beurteilen, zweifelhaft ist solches allemal (weil er sich mit seinen Zahlen in die seltsame Gesellschaft von Holocoustleugnern und Neonazis begibt). In jedem Fall aber wäre ein bewusste Übertreibung eine Verhöhnung der tatsächlichen Opfer: Als ob man alles vervielfachen müsste, um dem Grauen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Dies aber sollte man Hollywood überlassen, Katastrophenfilmen, Kampfmaschinen oder auch Boulevardzeitungen. Nur wer glaubt sich verkaufen zu müssen, handelt hektoliterweise mit Blut und multipliziert die Opferzahlen. Hingegen reicht für die Ungeheuerlichkeit des Leidens ein verzweifelter Mensch, ein mit den Mitteln der Sprache einfühlsam gestaltetes Schicksal.
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lg
orzifar