Hallo!
Nachdem ich vom Pflegenden zum Patienten mutiert bin und mir die Bedeutung des Wortes "sterbens"-übel (insbesondere der in Form des Elativs verwendete Zusatz) auf eindrucksvolle Art und Weise klar wurde, habe ich des nächtens mit Schilten begonnen (und den Beiträgen nach zu urteilen bin ich nicht besonders weit in Rückstand geraten, bin Mitte des zweiten Quartheftes).
Obwohl ein Wiederlesen (das dritte Mal, die erste Lektüre liegt allerdings schon knapp 30 Jahre zurück) bin ich von neuem beeindruckt von diesem Buch, seiner Sprache, der morbid-sarkastischen Grundhaltung, die bei allem Humor immer die Verzweiflung spürbar werden lässt. Trotz der Komik (etwa der Charakterisierung des Betbruders Stälbli in seiner "Schleimsuppenblässe" und "oblatenhaften Transparenz") ist dies keine Darstellung, die milde lächelnd, gar nachsichtig die Lebenswelt dieser Schiltener beschreibt, sondern es ist ein leidender, schwer an sich tragender Galgenhumor. Der Landschullehrer Schildknecht schildert in 20 Quartheften sein Grauen vor dem dumpfen, bigotten Vegetieren seiner "Gemeinde", es ist ein Dokument der Unfähigkeit, sich mit dieser Umwelt zu arrangieren, mit Dummheit, Engstirnigkeit.
Das Schiltener Tal erinnert ein wenig an den Ort in Bernhards Frost, eine beklemmende Atmosphäre zwischen dumpfer Sexulität, Religiosität, konservativem Arbeitsethos (nur eben ist Burger Bernhard sprachlich weit überlegen). (Auch bei Franz Innerhofers findet sich eine ähnliche Beschreibung, dort vielleicht noch eindrucksvoller, schmerzhafter, weil man mit dem Wissen um den autobiographischen Hintergrund diese Bücher liest.) Und noch ein Autor fällt mir in diesem Zusammenhang ein: Walter E. Richartz mit seinem "Büroroman", der auch von diesem verzweifelten Humor geprägt ist, welcher sich nicht über den Gegenstand zu erheben vermag, keine Metaposition des Lächelns, sondern ausgeliefert dieser Welt, der zuerst der Sarkasmus, dann der Selbstmord gegenübergestellt wird.
lg
orzifar