Author Topic: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit  (Read 25457 times)

Offline Anita

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Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« on: 10. August 2009, 11.38 Uhr »
Wer hat es schon gelesen?
Wie war es?
Wie liest es sich und lohnt es sich?

Ich werde diese Neuüberarbeitung von Luzius Keller demnächst in Angriff nehmen.

LG
Anita
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.  Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

arbor

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #1 on: 10. August 2009, 14.54 Uhr »
Ich habe nur die alte zehnbändige Ausgabe in der Übersetzung der Eva Rechel-Mertens; davon habe ich die ersten fünf Bände (die also, die auch zu Lebzeiten Prousts veröffentlicht wurden) gelesen.

Aber ich tue mich sehr schwer mit dieser - mir fremden - adeligen und großbürgerlichen Welt (da gibt es Passagen, in denen er über siebzig Seiten 'militärische' Errungenschaften und Leistungen diskutiert, da kann ich nicht anders als abschalten). Ich weiß also nicht, ob ich noch einmal Zeit aufbiete, auch die posthum erschienen Teile zu lesen. Kleinere Schriften Prousts ("Tage des Lesens" z.B.) haben mir da sehr viel mehr gefallen.

Es muss jeder für sich entscheiden, ob es sich lohnt, so etwas zu lesen.

Offline sandhofer

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #2 on: 10. August 2009, 20.55 Uhr »
Wer hat es schon gelesen?

Ich ...  ;D

Wie war es?

Grandios!

Wie liest es sich und lohnt es sich?

Natürlich lohnt es sich. Aber was meinst Du mit "Wie liest es sich"? Oberflächlich gesehen, ist es keine "schwere" Lektüre, Proust amüsiert und causiert wie wenn er eine der Gesellschaften unterhalten sollte, die er beschreibt. Dennoch ist er eben nicht oberflächlich, sondern liefert sehr präzise Bilder seines Protagonisten und der Welt.
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline Anita

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #3 on: 11. August 2009, 09.10 Uhr »
Aber was meinst Du mit "Wie liest es sich"?

Ich bin doch auch ein kleiner Angsthase ;)  Und man hört immer wieder, dass sich die Leser durch Proust hindurch quälen. Die Detailverliebtheit soll viele an den Rand „des Wahnsinns“ führen, wenn man das so formulieren darf. Sieben Bände, da muss man dann auch noch Durchhaltevermögen haben.
Auf der anderen Seite lese ich persönlich gerne ausführliche Beschreibungen, und ich könnte mir sogar vorstellen, dass mir Proust liegt.

LG
Anita
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Offline sandhofer

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #4 on: 11. August 2009, 12.55 Uhr »
Und man hört immer wieder, dass sich die Leser durch Proust hindurch quälen. Die Detailverliebtheit soll viele an den Rand „des Wahnsinns“ führen, wenn man das so formulieren darf. Sieben Bände, da muss man dann auch noch Durchhaltevermögen haben.

Nun, ich mag's zugegebenermassen "detailverliebt". Und Durchhaltevermögen habe ich (meist  ;) ).
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Offline orzifar

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #5 on: 13. August 2009, 19.14 Uhr »
Wer hat es schon gelesen?
Wie war es?
Wie liest es sich und lohnt es sich?
Ich werde diese Neuüberarbeitung von Luzius Keller demnächst in Angriff nehmen.

Gelesen - und es lohnt sich! Mit Längen (bei einem Werk von über 4000 Seiten) muss allerdings gerechnet werden, wobei es bei mir zumeist die Landschafts- und Naturbeschreibungen (irgendwann  beschreibt er seitenlang Seerosen) sind, die meine Geduld strapazieren. Diese ausufernde Darstellung hat er aus dem Jean Santeuil teilweise übernommen - und m. E. nicht unbedingt zum Vorteil des Werkes (sandhofer pflegt solchen Dingen mit sehr viel mehr Gelassenheit gegenüberzustehen ;)). Gesellschaftsbeschreibungen, Eifersuchtsdarstellung etc. - das sucht seinesgleichen. Und die Empfehlung: Unbedingt fertiglesen. Mich hat die Auflösung, die im letzten Teil sichtbar werdende Konzeption fasziniert.

Zu Proust selbst, seinem Leben eine Empfehlung: "Monsieur Proust", die Erinnerungen von Celeste Albaret, hrsg. von Georges Belmont. Diesem Herausgeber gebührt großes Lob für seine Zurückhaltung, das Buch selbst vermittelt ein eindrucksvolles Lebensbild Prousts. Hingegen absoluter Mist die Rowohlt-Monographie von Claude Mauriac.

Die Neubearbeitung kenne ich nicht, war aber mit der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens sehr zufrieden. Neu muss nicht zwangsläufig besser sein ...

lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
John Irving: Owen Meany

Offline Anita

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #6 on: 14. August 2009, 12.28 Uhr »
Danke orzifar  :)

"Monsieur Proust", die Erinnerungen von Celeste Albaret, dient dieses Buch als Einführung oder später zur Erklärung? Das würde ich dann nämlich direkt auch bestellen und lesen, denn wenn ich Proust lese, dann richtig  ;)

Die neue Ausgabe ist weiterhin von Eva Rechel-Mertens übersetzt, Keller hat nur den Satzbau, so sagte man das im Foyer, ins Deutsche übertragen. Es sei ein französisches Deutsch gewesen ...

Man könnte ja demnächst mal den ersten Abschnitt von alt und neu hier vergleichen.

LG
Anita
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Offline orzifar

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #7 on: 14. August 2009, 13.33 Uhr »
"Monsieur Proust", die Erinnerungen von Celeste Albaret, dient dieses Buch als Einführung oder später zur Erklärung? Das würde ich dann nämlich direkt auch bestellen und lesen, denn wenn ich Proust lese, dann richtig  ;)

Ich würde es weder als Einführung noch als Erklärung betrachten, einfach eine schön zu lesende Zusatzinformation über sein Leben (ich habe zuerst die Recherche und erst Jahre später "Monsieur Proust" gelesen. Wenn dich die Zusammenhänge zwischen Kunstfiguren und real existierenden Personen interessieren: George D. Painter: Marcel Proust - zweibändig und sehr umfänglich).

Die neue Ausgabe ist weiterhin von Eva Rechel-Mertens übersetzt, Keller hat nur den Satzbau, so sagte man das im Foyer, ins Deutsche übertragen. Es sei ein französisches Deutsch gewesen ...

Man könnte ja demnächst mal den ersten Abschnitt von alt und neu hier vergleichen.

Meine Französischkenntnisse sind keinesfalls hinreichend, um solche Feinheiten zu entdecken (Kenavo & Co sind aufgerufen ;)). Was mir bezüglich der Recherche immer als ideal erschienen wäre (trotz und wegen des Umfanges): Das Werk zweimal hintereinander zu lesen, da man durch die ungeheure Seitenzahl beim ersten Mal mit Personen, Ereignissen ein wenig ins Schlingern kommt. Aber dafür bräuchte es wohl fast ein Jahr (außer man liest mit der Geschwindigkeit Dostoewskijs ;)).

lg

orzifar
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arbor

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #8 on: 14. August 2009, 14.27 Uhr »
Was ich auch ganz hilfreich fand:

1. Philippe Michel-Thiriet, Das Marcel Proust Lexikon, Suhrkamp ISBN  3 518 39549 1
Angaben zu Leben und Werk in lexikalischer Form

2. Olof Lagercrantz, Marcel Proust oder Vom Glück des Lesens, Suhrkamp ISBN 3 518 40723 6
Ein "Wegweiser" durch das umfangreiche Werk

3. Jean-Yves Tadié, Proust, Suhrkamp ISBN 3 518 02672 0
Werkanalysen

4. Marthe Princesse Bibesco, Begegnung mit Marcel Proust, Insel TB  ISBN 3 458 33049 6

sowie die Briefausgaben
- Briefe zum Leben
- Briefe zum Werk

Offline sandhofer

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Re:Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #9 on: 15. August 2009, 07.10 Uhr »
Keller hat nur den Satzbau, so sagte man das im Foyer, ins Deutsche übertragen. Es sei ein französisches Deutsch gewesen ...

Nun ja - der ewige Streit beim Übersetzen: Soll der Übersetzer nun ein gefälliges Deutsch schreiben, und damit Pointen, die sich z.B. aus der Originalsyntax ergeben, killen, vielleicht gar eine auch im Original eigenwillige Syntax glätten und hübschen (man vergleiche die Diskussion um die Melville-Übersetzungen!) - oder soll er möglichst nahe beim Original (und dann halt ein bisschen weiter weg vom Deutsch des Durchschnittsgymnasiasten) sein?

Was mir bezüglich der Recherche immer als ideal erschienen wäre (trotz und wegen des Umfanges): Das Werk zweimal hintereinander zu lesen, da man durch die ungeheure Seitenzahl beim ersten Mal mit Personen, Ereignissen ein wenig ins Schlingern kommt. Aber dafür bräuchte es wohl fast ein Jahr (außer man liest mit der Geschwindigkeit Dostoewskijs ;)).

Hintereinder schafft man es wohl nicht; aber wieder mal lesen muss ich es auch. Ich habe seinerzeit beim ersten Mal ca. 3 Monate dafür gebraucht. Aber relativ stur eine Stunde Lesezeit pro Tag und an den Feiertagen (es war übers Jahr) sogar mehr dafür eingesetzt.
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Offline sandhofer

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Re: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #10 on: 26. Januar 2018, 16.49 Uhr »
Unterdessen sind ja - als "Flimmern des Herzens", iirc - die Korrekturfahnen einer frühen Version auch auf Deutsch veröffentlicht worden. Kennt das Buch jemand?
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Offline sandhofer

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Re: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #11 on: 19. Februar 2018, 19.59 Uhr »
Unterdessen sind ja - als "Flimmern des Herzens", iirc - die Korrekturfahnen einer frühen Version auch auf Deutsch veröffentlicht worden. Kennt das Buch jemand?

Offenbar niemand. Ich habe es mir trotzdem bestellt.  :P
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Offline sandhofer

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Re: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #12 on: 07. März 2018, 19.57 Uhr »
Offenbar niemand. Ich habe es mir trotzdem bestellt.  :P

Und unterdessen auch mit der Lektüre begonnen. Und festgestellt: Man darf, um Proust unbeschadet lesen zu können, keinesfalls kränkeln. So wie ich gestern Abend. Heute geht es mir wieder gut; ich komme also vielleicht dazu, weiter zu lesen.
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Offline sandhofer

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Re: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #13 on: 19. März 2018, 23.29 Uhr »
Es ist zwar sehr interessant (sofern man Proust mag), aber manchmal frage ich mich, ob es nicht Bücher gibt, die die Welt nicht braucht.
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Offline orzifar

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Re: Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
« Reply #14 on: 19. März 2018, 23.43 Uhr »
Es ist zwar sehr interessant (sofern man Proust mag), aber manchmal frage ich mich, ob es nicht Bücher gibt, die die Welt nicht braucht.

Unabhängig von der in Frage stehenden Lektüre bin ich mir ganz sicher, dass sich diese Frage grundsätzlich mit "ja" beantworten lässt ;).

lg

orzifar
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Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
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