Author Topic: Aphorismen  (Read 3287 times)

arbor

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Aphorismen
« on: 06. August 2009, 11.51 Uhr »
Neben kleiner Prosa und Lyrik schätze ich auch Aphorismen.
Ich mag Denker, Philosophen und Literaten, die einen Gedanken auf den Punkt bringen können.

Das beginnt sicher mit “Klassikern” wie La Rochefoucauld, der u.a. geschrieben hat
“Aus Fehlern, die wir nicht bereit sind abzulegen, machen wir eine Tugend.”

Zu den Klassikern zähle ich auch ganze Werke wie Nietzsches “Menschliches - Allzumenschliches”.

Oder Oscar Wilde: Die gewöhnliche Grausamkeit ist nur Dummheit.

Selbst Marie von Ebner-Eschenbach hat manchen zündenen Gedanken niedergeschrieben.
Ein Beispiel: “Das gibt sich, sagen schwache Eltern von den Fehlern ihrer Kinder. O nein, das gibt sich nicht, das entwickelt sich!”

Auch Christian Morgenstern hat viele einprägsame Aphorismen zu Papier gebracht wie den hier: Leben heißt tausend Umwege zum Tode machen.

Ganz anders, aber nicht minder bemerkenswert sind die “Schnipsel” Kurt Tucholskys:
Langweilig ist noch nicht ernsthaft.

E. M. Cioran
hat ganze Werke aus prägnanten Gedanken vorgelegt:
Existieren wäre ein völlig unmögliches Unterfangen, wenn man aufhörte, dem Bedeutung beizumessen, was keine hat.

Ich muss mir von mir selbst nicht alles gefallen lassen, meinte einmal der Psychologe Viktor E. Frankl.

Eine Wiederentdeckung ist Hans Kudszus: Jeder ist der, dem er nicht entrinnen kann.

Sicher habe ich viele vergessen, die hier auch einzubringen wären (obwohl es dann oft Zitate aus längeren Werken sind wie etwa bei G. B. Shaw, Heinrich Heine oder Lichtenberg).

Offline Sir Thomas

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Re:Aphorismen
« Reply #1 on: 06. August 2009, 12.46 Uhr »
Eine Fundgrube für Aphorismen ist auch Fernando Pessoas "Buch der Unruhe":

"Wenn das Herz denken könnte, stünde es still" (Fragment No. 1)

"Schreiben heißt Vergessen. Die Literatur ist die angenehmste Art, das Leben zu ignorieren" (No. 116)

"Überdruß ist nicht etwa der krankhafte Ärger über mangelndes Tun, sondern das sehr viel krankhaftere Gefühl, dass es sich nicht lohnt, auch nur irgend etwas zu tun" (No. 445)

Viele Grüße

Tom

arbor

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Re:Aphorismen
« Reply #2 on: 06. August 2009, 13.00 Uhr »
Ja - das Buch der Unruhe... (ähnlich ergeht es mir auch mit Robert Musil, aber es sind oft Zitate aus größeren Zusammenhängen, dennoch erwägenswert).

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Nachträge - die sollten wenigstens auch erwähnt werden:

Blaise Pascal: Das Denken macht die Größe des Menschen.

Zu denen, die ein ganzes Werk beachtlicher Gedanken aufweisen, gehört sicher auch Elias Canetti mit seinen “Aufzeichnungen”:
Wie kann ich mich langweilen, solange ich Worte kenne?

Sören Kierkegaard
hat in sein umfangreiches Werk auch immer wieder kleine, prägnante Gedanken eingewoben:
Zweifeln heißt, die Zustimmung versagen, das Komische daran, dass ich jedesmal, wenn sich etwas darbietet, die Zustimmung versage.

Ähnliches findet sich im Werk des Gustave Flaubert (s. “November”):
Ich glaube, dass die Menschheit nur ein Ziel hat: leiden.

In den “Minima Moralia” des Theodor W. Adorno finden sich ebenso manch präzise auf den Punkt gebrachter Einfall: An der Psychoanalyse ist nichts wahr als ihre Übertreibungen.

Sein Zeitgenosse und zeitweiliger Mitarbeiter und Freund Walter Benjamin hat die kleine Form auch beherrscht:
Einen Menschen kennt einzig nur der, wer ohne Hoffnung ihn liebt.

Unter den weniger Bekannten findet sich ein Maler wie Francis Picabia:
Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

Der Schriftsteller Wilhelm Genazino hat gelegentlich auch neben seinen großen Romanen kleine Gedankenbücher herausgegeben:
Unglück imponiert nur den Unglücklichen.
(Vielleicht sind es Fundstücke, die sich nicht einfügen wollten in größere Zusammenhänge?)

Die Gedanken des Philosophen Ludwig Wittgenstein, so bemerkenswert sie oft sind, sind aber meist nur die Notizen der Schüler - dennoch:
Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenzen der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.

BigBen

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Re:Aphorismen
« Reply #3 on: 06. August 2009, 13.36 Uhr »
Mir fehlen hier noch Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher) und Stanisław Jerzy Lec (Unfrisierte Gedanken).

arbor

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Re:Aphorismen
« Reply #4 on: 06. August 2009, 18.17 Uhr »
Lichtenberg hatte ich erwähnt, wenn auch ohne Zitat, Lec gehört nicht zu meinen Favoriten - aber Ergänzungen sind ja nicht verboten... ;D