Author Topic: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus  (Read 8004 times)

Offline sandhofer

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Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« on: 28. Juli 2009, 18.07 Uhr »
Strobl (1877-1946), der deutschsprachigen Minderheit in Mähren entstammend, rechtsnational, später auch nationalsozialistisch gesinnt, war zu Lebzeiten mit seinen Burschenschaftsromanen und seinen phantastischen Romanen durchaus bekannt. Mit Eleagabal Kuperus lese ich gerade einen seiner frühen phantastischen Romane, erstmals publiziert 1910. Meine Ausgabe datiert von 1928, zeigt also, dass Strobl über etliche Jahre recht populär war. Zuletzt wurde dieser Roman in zwei Bänden noch in diesem Jahrtausend neu aufgelegt, ist aber in der Zwischenzeit vergriffen.

Ich hatte ja ein bisschen Angst, auf nationales Gesülze oder Schlimmeres zu stossen. Gekauft habe ich mir dieses Buch, weil mich eine Beschreibung, auf die ich zufälligerweise im Internt stiess, hellhörig werden liess. Dieser Inhaltsangabe nach soll es hier zum Zweikampf zwischen dem guten Zauberer Kuperus und dem Schurken (Kapitalist und Multimilliardär) Bezug kommen, und ich fragte mich, wieweit ich hier auf eine weitere Quelle der gegenwärtig boomenden Phantastik (die sich neudeutsch ja nun "Fantasy" nennt) gestossen war, wo ja - ob Herr der Ringe oder Harry Potter - das gleiche Grundmuster verwendet wird. Ich habe das erste Buch fertig, bin im zweiten auf Seite 56 und kann nun sagen: Das Grundmuster geht bei Strobl recht schnell verloren. Die Charaktere sind relativ einfach, aber nicht uninteressant gezeichnet. Nur einmal habe ich kurz leer geschluckt, als Kuperus dem Liebespaar der Guten andeutete, es könnte die Keimzelle einer neuen Menschheit sein. Der Konflikt, in der Vorschau angekündigt als einer zwischen Natur und Magie einerseits, Naturwissenschaft/Technik und Kapitalismus andererseits, findet allerdings so nicht statt, jedenfalls bis jetzt nicht. Auch der Kapitalist verwendet als Person magieähnliche oder hyptnotische Kräfte, um sein Personal seinem Willen zu unterwerfen. Das grosse Welteroberungsschema, das natürlich nicht fehlen darf, wird zwar in Aktion gebracht, geht aber praktisch vergessen unter den Konflikten zwischen einzelnen Akteuren. (Vor allem auf der "bösen Seite" intrigiert natürlich letzten Endes jeder und jede nur für sich selber.) Sprachlich liest sich die Geschichte angenehm, kein Vergleich mit dem Deutsch, das wir uns heute teilweise bieten lassen müssen, wenn wir heutige Fantasy lesen möchten. (Und welcher Fantasy-Autor heute dürfte es sich wohl erlauben, bei der Erwähnung von Xerxes, der das Meer peitschen liess, einfach zu sagen, dass man die Geschichte bei Herodot nachlesen könne?)

Aber im Grunde genommen, ist, was ich lese, eine Beschreibung multipler sexueller Störungen und Hörigkeiten. Man hat das Gefühl, Die Venus im Pelz in einem leicht phantstisch-verschrobenen Setting rund um Prag zu lesen ... Ich hatte das nicht erwartet und bin, ich gestehe es, angenehm überrascht. (Nicht aber, dass nun jemand glaubt, mit Strobl einen wirklich grossen Autor vor sich zu haben. ;) Aber ich habe unter dem Label "Klassiker der phantastischen Literatur" auch schon schlimmeres gelesen. )
« Last Edit: 28. Juli 2009, 19.50 Uhr by sandhofer »
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Offline mombour

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Re:Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #1 on: 30. Juli 2009, 16.15 Uhr »
Hallo sandhofer,

ich habe immer gedacht, Strobls Roman handele vom römischen Kaiser Heliogabal. Aber das war eine Verwechslung mit Louis Couperus (1863-1923): Heliogabal, der Sonnenkaiser.  :)

Ja, selten findet man Romane aus der Phantastik, die wirklich gut sind (z.B. F.C. Oberg: Der rote Marchese, Lindenstruth Verlag). Ich kenne mehr gute phantastische Erzählungen als gute phantastische Romane.

Von Strobl habe ich bisher nur "Die arge Nonn' " (Erzählung) gelesen, hierin geht es um eine sexuell versündigte Nonne (Nymphomanin), die schon längst tot ist, aber immer noch herumgeistert. Erotik ist wohl ein beliebtes Thema in der Phantastik. Der Erzählband "Haschisch"  von Oscar A. H. Schmitz (1873-1931) ist auch von Erotik durchzogen, und das mit durchaus sprachlichem Niveau, dass sich gerne lesen lässt.

Ein Freund von mir, der viele alte Phantasten liest, hat mir mal gesagt das Strobls Erzählungsband "Lemuria" sehr gut ist.

Liebe Grüße
mombour
« Last Edit: 30. Juli 2009, 17.34 Uhr by mombour »
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Offline sandhofer

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Re:Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #2 on: 02. August 2009, 15.58 Uhr »
Ja, selten findet man Romane aus der Phantastik, die wirklich gut sind

Eleagabal Kuperus ist nicht wirklich schlecht, für seine Gattung und sein Zielpublikum wohl sogar einigermassen gelungen. Besser als alles, was das ausgehende 20. und jetzt das 21. Jahrhundert unter diesem Label verbrochen haben, ist er noch allemal. Die grosse Rolle einer irrgeleiteten Sexualität stört mich als solches ja auch nicht. Es ist aber halt schon so, dass mir scheinen will, dass da der Autor ob seiner sexuell besessenen Bösewichtin den eigentlichen Plot, den mit dem Ringen um die Weltherrschaft, völlig vergessen hätte. Und das ist schade. Verne, Machen oder Lovecraft waren da viel prüder, und deshalb, finde ich, viel phantastischer.

Ein Freund von mir, der viele alte Phantasten liest, hat mir mal gesagt das Strobls Erzählungsband "Lemuria" sehr gut ist.

Den Titel hatte ich mir sowieso schon mal halb vorgemerkt für eine spätere Tour de bouquinistes, jetzt ist er es ganz. ;)
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Offline sandhofer

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Re:Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #3 on: 08. August 2009, 16.33 Uhr »
So. Fertig. Mein Fazit:

Eleagabal Kuperus gilt als einer der deutschsprachigen Klassiker der phantastischen Literatur. Er ist, von vielleicht zwei kurzen Stellen abgesehen, zum Glück von völkischem Gedankengut weitestgehend frei geblieben. Die zwei Stellen sind folgende: Einmal stellt der gute, weisse Magier Kuperus dem guten Hauptliebespaar in Aussicht, es könnte sich zu den Stammeltern einer neuen Rasse entwickeln, ohne die Imperfektionen der alten, gegenwärtigen. Dies wird allerdings nicht weiterverfolgt. Eine zweite, störendere Stelle ist die, wo Kuperus die im Buch stattfindenden allgemeinen Metzeleien als Gesundungsprozess eines Volkes gutheisst.

Das Buch hat eine grosse Schwäche: Es fängt an als phantastischer Roman, als Zweikampft zwischen den beiden Mächtigen - Eleagabal Kuperus, Weiser und weisser Magier, einerseits und Thomas Bezug, Kapitalist und Technokrat, andererseits. Nach rund 100 von rund 700 Seiten allerdings läuft die Geschichte in eine völlig andere Richtung, und der Zweikampf spielt kaum eine Rolle mehr.

Strobl liefert, angesiedelt in einer fiktiven, namenlosen Stadt (hinter der sich aber wohl Prag verbirgt) eine Analyse seiner Zeit. Natürlich sind es konservativ-bäuerliche Werte, die Strobl hochhält. Bezug will in einer einmaligen, bisher unterhörten Aktion alles Land auf diesem Globus aufkaufen, um die Produktion von Sauerstoff in den Pflanzen zu unterbinden, damit er selber den Sauerstoff monopolisieren kann. Die Bauern sollen dabei verelenden und in die Stadt getrieben werden.

Auf der "guten Seite" finden wir neben dem Magier Kuperus den Schriftsteller Adalbert Semilasso. In der Wildnis ist der aufgewachsen, nämlich in einer Höhle bei einem der menschlichen Gesellschaft entflohenen, halbwilden Vater. Ein stilisiertes Selbstbildnis? Jedenfalls: Erst als Erwachsener kommt Adalbert unter Menschen. So könnte man den Roman auch als Entwicklungsroman auffassen, denn die Entwicklung des jungen Semilasso nimmt einen zentralen Platz ein.

Doch es ist, hierin an die Venus im Pelz erinnernd, auch die Geschichte sexueller Hörigkeit, indem Bezugs Tochter sich als Vamp entpuppt, die alle Männer zu sich ins Bett zu löken weiss, auch wenn bzw. gerade weil dieses Bett ursprünglich Potiphars Sarg war. Die Männer, auch Semilasso, trotzdem er bereits seine ideale Geliebte gefunden und sich ihr erklärt hat, fallen ihr alle zum Opfer, selbst dann, wenn sie es gar nicht wollen und sich immer wieder dagegen wehren. (Während Thomas Bezug seine schier unbegrenzte Macht zwar auch an Geliebten austobt; er, der Mann, aber offenbar bei Widerstand auf brutale Vergewaltigung angewiesen ist.) So bricht denn das erste Buch (Die würgende Hand) mitten in diesem Handlungsstrang um die Tochter Bezug ab. (Warum überhaupt zwei Bücher? Ich vermute buchhändlerisch-verlegerische Gründe, denn Strobl gibt sich nicht mal die Mühe, das erste Buch mit einem Cliffhanger zu beenden. Es hört einfach auf, und das zweite nimmt den Handlungsstrang auf, wie wenn nichts gewesen wäre.)

Doch auch dieser Handlungsstrang wird nicht beibehalten. Das letzte Drittel des zweiten Buchs ist dann der Schilderung von etwas noch ganz anderm gewidmet: Ein Planet ist aus seiner Bahn geraten und rast auf die Erde zu. Die jetzt einsetzende Endzeitstimmung, die Schilderung der Reaktionen der Menschheit im Allgemeinen, der verschiedenen Protagonisten im Besonderen, machen den besten Teil des Werks aus. Das Chaos bricht aus, Heilslehren spriessen aus diesem Boden wie Pilze nach einem warmen Sommerregen. Und los geht's - Richtung Abgrund. Dieser Teil hat - für mich- das ganze Buch herausgerissen.

Nicht wirklich phantastische Literatur also. Ein bisschen Entwicklungsroman. Aber vor allem: Venus im Pelz meets Die Offenbarung des Johannes.
 
« Last Edit: 10. Juni 2013, 16.31 Uhr by orzifar »
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Offline sandhofer

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #4 on: 11. Mai 2013, 14.45 Uhr »
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Offline orzifar

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #5 on: 25. Mai 2013, 17.54 Uhr »
Hallo!

Neben der Wissenschaftstheorie als ein leicht lesbares Refugium gedacht liest sich das Ganze leider recht sperrig. Sprachlich eher bescheiden, kuriose Metaphern: "Etwas wuchs in ihm wie ein dunkle Blüte aus Glas; und wenn ihn das Mädchen küßte, dann klang die purpurne Blüte", sehr altbackene Struktur. Und die Charaktere durchschaubar, vor Überraschungen bleibt man gefeit. Ob ich die Geduld über mehr als 800 Seiten aufbringen werde, scheint mir mittlerweile fragwürdig.

Nach den erst 60 Seiten ergibt sich ein noch nicht ganz erkennbarer Konflikt zwischen Gut und Böse (der Schädel eines verstorbenen Schriftstellers soll von verschiedenen Mächten für die Ewigkeit präpariert werden), in den offenbar die Nachfahren von Semilasso, eines in einer Höhle lebenden Einsiedlers, verstrickt werden. Noch sind die Zusammenhänge unklar (und ich bin mir eben nicht sicher, ob ich sie tatsächlich entwirrt sehen will).

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #6 on: 25. Mai 2013, 21.03 Uhr »
Sprachlich eher bescheiden, kuriose Metaphern:

Das ist wohl zeittypisch. Meyrincks "Golem" hat auch so komische Sprachgepflogenheiten. Aber halte durch: Strobl ist bei allen Schwächen - und deren hat er viele - immer noch besser als 90% der zeitgenössischen 'Fantasy'.  ;)
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Offline orzifar

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #7 on: 30. Mai 2013, 09.29 Uhr »
Sprachlich eher bescheiden, kuriose Metaphern:

Das ist wohl zeittypisch. Meyrincks "Golem" hat auch so komische Sprachgepflogenheiten. Aber halte durch: Strobl ist bei allen Schwächen - und deren hat er viele - immer noch besser als 90% der zeitgenössischen 'Fantasy'.  ;)

Wobei Meyrink m. E. in einer anderen Liga als Strobl spielt (trotz des von dir monierten Mondgesteins ;)). Ich bin jetzt etwa auf S. 160 und kann nicht gerade behaupten, dass mich die Geschichte mitreißt. Ziemlich durchschaubar, abstrus (etwa der geplante Sauerstoffentzug für die Menschheit). Dazu recht platte Charaktere (wie etwa das tugendsame Schwesterchen).

Ich habe weder dein längeres Posting hier noch dein Resumee im Blog gelesen (um unbeeinflusst zu bleiben). Dies nur als Information, sofern du hier meine Ausführungen unter diesem Gesichtspunkte kurios finden solltest.

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #8 on: 30. Mai 2013, 10.05 Uhr »
Wobei Meyrink m. E. in einer anderen Liga als Strobl spielt (trotz des von dir monierten Mondgesteins ;)).

Durchaus. Ich müsste jetzt Zahlen und Daten nachschlagen, um zu verifizieren,ob Strobl tatsächlich der gefühlte Meyrinck-Epigone ist, für den ich ihn halte.

Ich bin jetzt etwa auf S. 160 und kann nicht gerade behaupten, dass mich die Geschichte mitreißt. Ziemlich durchschaubar, abstrus (etwa der geplante Sauerstoffentzug für die Menschheit). Dazu recht platte Charaktere (wie etwa das tugendsame Schwesterchen).

Nun ja: Ein Autor von Weltrang ist Strobl sicher nicht. Ich habe allerdings dann doch noch 1-2 Überraschungen erlebt.
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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #9 on: 03. Juni 2013, 03.47 Uhr »
Hallo!

So langsam versöhne ich mich mit dem guten Strobl. Ein strammer Nationalsozialist scheint er ja gewesen zu sein, umso überraschender, dass in diesem Roman (1910 entstanden) gar nichts in diese Richtung Weisendes bisher zu finden ist - im Gegenteil: Die italienischen Wanderarbeiter, die rumänischen Zigeuner als auch das gesamte fahrende Volk werden sehr positiv dargestellt, während der dumpfe Spießbürger gar nicht gut wegkommt.

Der Roman gewinnt an Fahrt, er scheint doch besser konzipiert als zu Beginn vermutet. Mal sehen - ich halte auf S. 240.

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #10 on: 04. Juni 2013, 21.35 Uhr »
Hallo!

Der reine Tor wird am Schluss des ersten Teiles doch noch Opfer seiner hormonellen Verwirrungen (oder auch eines mir noch nicht klar gewordenen Zaubers). Und obwohl er die Welt zu retten ausersehen ist, vergnügt er sich mit des Satans Tochter auf einer griechischen Insel, während die arme, unschuldige Jungfrau Regina daheim ihres ungetreuen Erlösers harrt. Viel Seltsames, Verwirrendes, nicht immer wirklich klar Komponiertes, aber manchmal ganz amüsant. Der Überraschungen sind bislang allerdings wenige, die Figuren sind schon sehr durchsichtig konstruiert.

Nun nochmal 400 Seiten, aber ich werde wohl durchhalten.

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #11 on: 09. Juni 2013, 05.13 Uhr »
Hallo!

Der zweite Teil übertrifft den ersten um Längen. Sprachlich ausgeglichener, geistreicher, mit tatsächlich überraschenden Wendungen. Das Hinscheiden des prospektiven Schwiegersohns Hecht nebst Abschiedsbrief - ganz ausgezeichnet, der heraufziehende Weltuntergang ebenfalls - selbst die erotischen Ausschweifungen der Tochter Bezugs sind gut (und dezent - und wohl deshalb gut) dargestellt. Mittlerweile lässt sich feststellen: Durchaus lesenswert. Das ist umso überraschender, da zweite Teile zumeist eher als in Länge gezogene, mühsam über viele Seiten erstreckte Handlungen beinhalten. Hier das genaue Gegenteil: Strobl findet zu seinen wirklichen Themen.

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #12 on: 10. Juni 2013, 16.51 Uhr »
Hallo!

Beendet. Und tatsächlich, wie schon im letzten Posting vermutet: Der zweite Teil entschädigt für die etwas mühsam-beladene Konzeption des ersten. Strobl scheint die ursprüngliche Geschichte immer mehr zu entgleiten - und dies zu seinem besten. Der Kampf zwischen Gut und Böse verliert sich in einer gelungenen Schilderung von Obsessionen, Fanatismen, die sich im Gefolge eines vermeintlichen Weltunterganges (der dann eben doch nicht stattfindet) endemisch verbreiten. Und so delektiert sich der Bösewicht nicht an der Macht, sondern an den Abgründen der menschlichen Seele, an den perversen Gelüsten, die im Rahmen von Endzeitstimmungen aufzutreten pflegen.

Das Phantastische der Erzählung (etwa die Wiedererweckung der reinen Regina von den Toten) tritt mehr und mehr in den Hintergrund, die - plausiblen - Grausamkeiten der Charaktere werden zum Hauptanliegen des Autors (unabsichtlich?). Aber - wie erwähnt - dies tut dem Roman gut, zeigt, dass Strobl mehr konnte als bloß Übernatürliches zu erfinden (das so - oder ein wenig anders - schon unzählige Male zuvor, oft besser, geschildert wurde). Auch der Verzicht auf ein gänzlich harmonisch-positives Ende ist ihm hoch anzurechnen: Nicht nur der Tod einiger positiver Figuren (etwa die Kreuzigung der aufopferungsvollen Schriftstellerwitwe oder die zu Tode gequälte Schwester des Semilasso) sehen den Leser mit nicht ausschließlich Vorhersehbarem konfrontiert, auch das Resumee ist entsprechend: Der große Kapitalist und Machtmensch Bezug ist tot, es lebe sein Prokurist (der da konstatiert, dass die Menschheit einen "Bezug" brauche).

Phantasy, die dort am besten ist, wo wenig oder keine Phantasy drinnen steckt.

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #13 on: 10. Juni 2013, 19.28 Uhr »
Schön, dass wir doch in etwa zum selben Resümee kommen.  ;)
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BigBen

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Re: Karl Hans Strobl: Eleagabal Kuperus
« Reply #14 on: 11. Juni 2013, 07.53 Uhr »
Schön, dass wir doch in etwa zum selben Resümee kommen.  ;)

Abwarten, bis ich es gelesen habe.  ;)