Author Topic: Schopenhauers vierfache Wurzel ...  (Read 3685 times)

Offline orzifar

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 2 942
Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« on: 09. Oktober 2022, 15.36 Uhr »
Hallo!

Angeregt durch die Erwähnung Schopenhauers auf Mastodon (Giesbert) habe ich nun mit der "vierfachen Wurzel" begonnen. Ich habe wenig Erinnerung daran und bin - wie ich gestehen muss - ziemlich enttäuscht. Philosophisch ist das fragwürdig wie fast alles des deutschen Idealismus, erkenntnistheoretisch ein einziges Stirnrunzeln erzeugend. Selbst der eigentlich geschätzte Stil Schopenhauers mutet hier oft trocken und mühselig an - als ob er sich an Kant orientieren würde. Ludwig Boltzmann lobte Schopenhauer für seine Hegelkritik, fügte aber - mit Recht - hinzu, dass vieles von dieser Kritik er auch auf seine eigene Philosophie hätte anwenden sollen.

Das ist ein recht inkonsistentes Sammelsurium: Während man etwa liest, dass alle Gegenstände der Erfahrung sämtlich materiell wären, die empirischen Objekte seien aufgrund der Gesetze des Raumes, der Zeit und der Kausalität zum Komplex der empirischen Realität verknüpft, liest man später, dass die Materie (= Substanz) die reine Kausalität selbst ist. Da fehlt es mir an Abstraktionsvermögen, Materie und Kausalität in eins zu setzen, das ist nur graduell weniger verstörend wie die aus dem Ich gesetzte Welt Fichtes oder der Hegelsche Weltgeist. - Mir scheint eine gewissen jugendliche, philosophische Naivität verloren gegangen zu sein, anno dazumal scheine ich derlei einfach überlesen bzw. versucht zu haben, Philosophisches auf mein Empfinden, Erleben zu beziehen und ähnlich wie aus einer Aphorismensammlung Einsichtiges, Einleuchtendes herauszudestillieren. Ich habe Schopenhauer auch vor Kant gelesen, was nachträglich besehen so schlau wohl nicht ist, weil jener ohne diesen kaum verständlich ist.

lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
John Irving: Owen Meany

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 762
Re: Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« Reply #1 on: 10. Oktober 2022, 05.56 Uhr »
Hm ... ja. Ich habe seinerzeit im Blog nur den Inhalt referiert. Das ist bei mir immer ein Zeichen, dass ich mit dem Text wenig anfangen konnte. Giesbert, denke ich, mag ja vor allem den Autor verschiedener "Parerga und Paralipomena".
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline orzifar

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 2 942
Re: Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« Reply #2 on: 10. Oktober 2022, 15.45 Uhr »
Hm ... ja. Ich habe seinerzeit im Blog nur den Inhalt referiert. Das ist bei mir immer ein Zeichen, dass ich mit dem Text wenig anfangen konnte. Giesbert, denke ich, mag ja vor allem den Autor verschiedener "Parerga und Paralipomena".

Die - glaube ich - auch zu mögen (ich bin mir der jetztigen Lektüre wegen nicht mehr so ganz sicher). Das ist meiner Erinnerung nach pointiert und gut geschrieben, auch wenn mir heute der misanthropische Grundton weniger originell erscheinen dürfte (dieses permanente Sich-Echauffieren über die Dummheit der Menschen hat was Pubertäres). Und auch die Rechthaberei (die ohnehin fragwürdig ist) wirkt auf mich ermüdend, man kann doch manchmal ein bisschen über den Dingen stehen. Und wenn schon ist mir Ironie lieber als ein wütendes Einschlagen auf das - zugegebenermaßen - oft peinliche Philosophieren. (Wütend kann man dann sein, wenn durch die vorgebliche Dummheit tatsächlich Leid verursacht wird, gesellschaftliches Ungemach. Aber die obskuren Setzungen Fichtes sollten eher zu Mitleid Anlass geben ...)

Als ich deinen Beitrag vor ein paar Tagen wiedergelesen habe, hatte ich genau diesen Eindruck: Ein wenig lieblos den Inhalt wiedergegeben ;). Ich habe mir auch einiges an Sekundärliteratur besorgt (u. a. auch den von dir besprochenen Birnbacher), wobei die Autoren gerade über das Verhältnis Schopenhauers zur Realität (Materie, Substanz) recht widersprüchliche Ansichten haben (wie eben auch Schopenhauer sich sehr inkonsistent äußert; einerseits will er Kant nicht aufgeben, andererseits ist er doch unzufrieden mit ihm und rettet das Ding an sich und dessen (Un-)Erkennbarkeit durch die Körperlichkeit des Subjekts). Könnte gut sein, dass ich irgendwann nicht mehr weiterlesen mag ;).

Lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
John Irving: Owen Meany

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 762
Re: Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« Reply #3 on: 11. Oktober 2022, 05.56 Uhr »
Als ich deinen Beitrag vor ein paar Tagen wiedergelesen habe, hatte ich genau diesen Eindruck: Ein wenig lieblos den Inhalt wiedergegeben ;).

Du darfst gern mehr dazu schreiben.  ;D
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline orzifar

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 2 942
Re: Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« Reply #4 on: 11. Oktober 2022, 17.37 Uhr »
Als ich deinen Beitrag vor ein paar Tagen wiedergelesen habe, hatte ich genau diesen Eindruck: Ein wenig lieblos den Inhalt wiedergegeben ;).

Du darfst gern mehr dazu schreiben.  ;D

Ich hoffe es tun zu können. Teilweise auch wieder interessant, ich kannte die Stellen von Kant zur Willensfreiheit nicht (bzw. konnte mich nicht an sie erinnern), die er zitiert. Mögen mir die Umstände gnädig sein und die rechte Muße geben.

lg

orzifar
Derzeitige Lektüre:

Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831 - 1933
Hans Albert: Kritik des theologischen Denkens
John Irving: Owen Meany

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 762
Re: Schopenhauers vierfache Wurzel ...
« Reply #5 on: 13. Oktober 2022, 05.57 Uhr »
Ich hoffe sehr darauf.  :hi:
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus