Hallo!
Ein Wiederlesen der "Offenen Gesellschaft" (das ich für ein ausnehmend wichtiges Buch des 20. Jahrhunderts halte), in Kombination mit Broszats Analyse der Machtergreifung Hitlers. Das alles ist von trauriger Aktualität, wenn man Entwicklungen wie die in Polen, in Ungarn, der Türkei (natürlich auch in Russland) ansieht. Wobei sich die Sprache kaum oder gar nicht geändert hat, Hitler sprach von antideutschen (nicht der deutschen Nation dienenden) Kräften, Erdogan tut dasselbe mit antitürkischen Kräfte und beide setzen die Kritik am Staat mit der Kritik am Führer (und vice versa) gleich, wodurch jedwede Opposition als unpatriotisch abqualifiziert wird. Dies kann man nicht nur mit Einzelpersonen, sondern natürlich auch mit ganzen Parteien machen - bis man schließlich nur noch eine einzige Partei hat, die für das Wohl des Staates sorgt.
Die Ausschaltung verfassungsrechtlicher Instanzen (wie in Polen) ist ebenfalls eine Wiederholung wie auch die dort versuchte Gleichschaltung der Medien (dasselbe in Ungarn), wobei ich Meinungen, die die beiden Länder aus der EU ausschließen wollen, für kurzsichtig halte: Für die entsprechenden Regierungen wäre das ein Freibrief für weitere Maßnahmen (und man würde sich wohl als Opfer des eigenen Patriotismus stilisieren), die Einbindung in die EU ist sehr viel mehr ein schweres Hindernis für die Pläne Orbans oder Kacynskis. Poppers Buch ist jedenfalls immer noch aktuell, wenngleich sich marxistische Endzeitphantasien für einige Zeit erledigt haben dürften. Dafür feiern theistische und nationalistische (auch rassistische) Modelle (die Popper gleichfalls erwähnt) ein ungeahntes Comeback.
lg
orzifar