Nach den Lebensbeschreibungen Forsters von Ulrich und Enzensberger habe ich jetzt auch Goldsteins Buch gelesen. Es hat einen sehr angenehmen Eindruck bei mir hinterlassen, vor allem wegen der sprachlichen Gestaltung. Grundmotive erscheinen immer wieder: die Natur und die Revolution. Dass der neuzeitliche Revolutions-Begriff aus der Geologie stammt, hatte bereits der tragisch endende Karl Griewank in seinem Buch gezeigt.
Interessant auch der Abschnitt über die Rassen-Debatte mit Kant - das Aneinander-Vorbeireden wird gut verdeutlicht. Forster hat gespürt, dass Kant ein ganz anderes Anliegen und Herangehen hatte, doch wollte er sein eigenes Prinzip des "Selbst in Augenschein nehmens" unbedingt in die Debatte bringen. Noch viel finsterer als das, was Forster über die indigenen Bewohner Feuerlands bringt, sind die Auslassungen von Christoph Meiners, seines Mitbewohners in Göttingen, über "Neger" und "Juden". Es wurde plausibel gemacht, dass sich der Geschichtsprofessor und Philosoph Meiners ganz bewusst als Beamter des Kolonialreiches Großbritannien fühlte, in dessen Sold er stand, während sein Kollege Blumenbach in Göttingen als Naturwissenschaftler Schädel von Menschen verschiedener "Rassen" sammelte, ohne Menschen anderen Phänotyps abzuwerten. Das kommt bei Goldstein nicht vor, mir aber jetzt in den Sinn.
Und auch, dass Andreas Pecar und Damien Tricoire in ihrem auf dem Umschlag als "Streitschrift" betitelten Buch "Fremde Freunde" (2015) im Zeitalter der Aufklärung "Rassismus" bei Kant finden wollen. Diese m. E. ahistorische Verwendung des angesichts aktueller Verwendungen schlimmste Assoziationen hervorrufenden Begriffs kommt wohl daher, weil sich die Autoren viel im Bereich der englischen und französischen Literatur tummeln, wo man bei "race" wesentlich unbefangener zu sein scheint.
Aus Göttingen stammte auch seine Frau Therese, die mir hier zu wenig vorkommt, und das nicht nur in den Abschnitten über die Mainzer Republik 1793, die erste Deutsche Demokratische Republik. Sie wurde später ja noch bedeutend als Herausgeberin, weibliche Redakteure gab es weniger als Leiterinnen literarischer Salons. Diese Zeit ihres Wirkens wird dann wieder in Fabians Cotta-Biographie von 2014 gewürdigt. Aber zugegeben, die Biographie Goldsteins wäre überlastet worden, und ihm steht selbstverständlich wie allen Biographen das Recht zu, seine Schwerpunkte selbst zu setzen.
Ein trauriges Ende hatte der schwerkranke Forster, Heinrich Heine musste in seiner Pariser "Matratzengruft" noch länger leiden, und Hölderlin hat am Schluss hoffentlich nicht mehr viel mitbekommen.