Author Topic: Wozu Lit(t)eratur?  (Read 18182 times)

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 763
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #30 on: 27. Juli 2009, 17.58 Uhr »
und betreff des Themas dieses Threads - ich habe festgestellt dass ich die letzten Jahre wohl eher ganz klar zur "Unterhaltungs-leserin" mutiert bin.

Das trifft durchaus auch für mich zu: Ich lese, um mich zu unterhalten. Es ist halt, salopp gesagt, so, dass mich z.B. Goethe besser unterhält als z.B. Konsalik.

Ganz allgemein habe ich ja schon bei der Zielrichtung der Frage "Wozu" meine Bedenken. Die Frage impliziert fast utilitaristisch einen Zweck hinter dem Phänomen Literatur bzw. Lesen. Kant hat den Begriff "interesseloses Wohlgefallen" geprägt, der's zwar auch nicht ganz trifft, aber m.M.n. in eine Richtung zeigt, mit der ich mich als Leser identifizieren kann: kein Zweck, kein Ziel, einfach Spass an der Freude.


aber mir ist inzwischen ein Roman von Colum McCann der mich klug und gut unterhält (sein neuer Roman ist übrigens übermässig fabulös und gar zu gut!!) genauso lieb wie ein Buch aus einer "gehobeneren" Klasse  :)

"Klug und gut" - ist das nicht schon "gehobenere Klasse"?  ;)
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

Offline Kenavo

  • Newbie
  • *
  • Posts: 46
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #31 on: 27. Juli 2009, 21.04 Uhr »
Es ist halt, salopp gesagt, so, dass mich z.B. Goethe besser unterhält als z.B. Konsalik.
;D

Kant hat den Begriff "interesseloses Wohlgefallen" geprägt, der's zwar auch nicht ganz trifft, aber m.M.n. in eine Richtung zeigt, mit der ich mich als Leser identifizieren kann: kein Zweck, kein Ziel, einfach Spass an der Freude.
damit kann ich bestens leben..

"Klug und gut" - ist das nicht schon "gehobenere Klasse"?  ;)
nun, ich denke mal dass auch dies wieder eine sehr persönliche Einschätzung ist - und ich würde wetten dass innerhalb von 5 Minuten 10 Leser daher kommen und mir beweisen dass die Bücher, die ich als 'klug und gut' einstufe, als 'mittelmässig unterhaltsam' anzusehen sind..  ;)
"Jener, der sich in seiner Leidenschaft verliert, hat weniger verloren als jener, der seine Leidenschaft verloren hat.“
Saint Augustin

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 763
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #32 on: 28. Juli 2009, 06.43 Uhr »
ich würde wetten dass innerhalb von 5 Minuten 10 Leser daher kommen und mir beweisen dass die Bücher, die ich als 'klug und gut' einstufe, als 'mittelmässig unterhaltsam' anzusehen sind..  ;)

Je nun - Das öffnet bereits die Türe zu einer andern, nächsten Frage, der nach der Gültigkeit von individuellen und allgemeinen Urteilen über literarische Werke.
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

arbor

  • Guest
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #33 on: 28. Juli 2009, 07.48 Uhr »
Da die Frage "wozu Literatur" nichts mehr Wesentliches ergibt, würde ich gerne eine These hinzugesellen:

Alle Literatur ist Lebensbeschreibung.

Entweder in der ganz banalen Form, in dem Leben tatsächlich (biografisch) nacherzählt wird, oder in der Kunstform, dass Figuren entworfen werden, die dann ihr eigenes Leben entfalten, und schließlich sogar in experimentellen Formen, die sich dem verweigern, weil auch sie eine bestimmte Sicht auf das Leben aus den Erfahrungen des Autors darstellen.

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 763
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #34 on: 28. Juli 2009, 07.52 Uhr »
Alle Literatur ist Lebensbeschreibung.

Das klammert Lyrik bereits aus der Literatur aus ...  ;)
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

arbor

  • Guest
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #35 on: 28. Juli 2009, 09.59 Uhr »
Nein, das sehe ich anders; auch Lyrik ist eine Reaktion auf Erfahrungen des Lebens, sie "beschreibt" zwar Leben eher selten (in den balladesken Formen vielleicht), aber sie bedient sich eines assoziativen Denkens (Metphorik, Bilder aus Worten) und ist damit sicherlich die kunstvollste Versprachlichung des Lebens, aber auf jeden Fall immer eine Äußerung des Lebens und über das Leben.

Offline sandhofer

  • Administrator
  • *****
  • Posts: 6 763
Re:Wozu Lit(t)eratur?
« Reply #36 on: 28. Juli 2009, 11.04 Uhr »
Ich glaube, ich sehe, worauf Du hinauswillst; aber, ehrlich gesagt, möchte ich Dir dahin nicht folgen. Deine Definition enthält zwei Variablen (nämlich „Leben“ und „Beschreibung“), die ich für mich erst noch mit Sinn füllen müsste. Und je nach dem, mit welchem Sinn ich sie fülle, wird auch die Definition mehr oder weniger Sinn machen. Allerdings sehe ich mich persönlich ausserstande, eine Definition von „Leben“ zu geben, ohne mich in metaphysischem Nebel zu verirren, es sei denn, ich würde versuchen, mich auf Biologisch-Medizinisches zu beschränken. Beim Wort „Beschreibung“ sind wir ja auch schon ziemlich weit auseinander. Wenn ich's schulmässig eng fasse, gehören unter „Lebensbeschreibung“ eigentlich nur journalistische Texte und (Auto-)Biografien, mit ein bisschen gutem Willen könnte ich noch den naturalistischen Roman darunter fassen. Wenn ich's so weit ausdehne, dass auch Lyrik drin Platz hat, finde ich mich mit Herrn von Briest auf einem allzu weiten Feld. Bösartig gefragt: Wenn mein Hund mit wütendem Gekläff auf Nachbars Katze losgeht – ist das nicht auch eine „Äußerung des Lebens und über das Leben“?  ;)
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus