dt.: Die Verliese des Vatikans
Kurzbeschreibung
Mord als launenhafter Willkürakt
Ein Gerücht über die Gefangennahme des Papstes durch Freimaurer veranlaßt einen braven Bürger, zur Befreiung nach Rom zu eilen. Dort fällt er Hochstaplern in die Hände und schließlich einem undurchsichtigen Anschlag zum Opfer.
André Gide stellt in diesem satirischen Roman stärker denn je falsche kirchliche und bourgeoise Moral an den Pranger.
Ich habe das Buch in einer meiner SUB-Kisten gefunden und werde mich die Tage in die Lektüre stürzen.
Da Bartlebooth derzeit ohne Internet und dann auch noch mal in Urlaub sein wird, werde ich allerdings nur meine ersten Eindrücke posten und dann warten - schliesslich geht es doch irgendwie um 'gemeinsam' lesen
Und ohne auch nur eine Zeile vom Buch gelesen zu haben, führte mich die Bezeichnung, die Gide seinem Buch gab, gleich in die weiten Welten des Internet: anstatt Roman, Novelle oder ähnliches hat er seinem Buch die Form der SOTIE gegeben.
Sotie [französisch] die, französisches Narrenspiel oder auch
Sottie [französisch] die, Sotie, Narrenspiel, Gattung des weltlichen Theaters mit sozialer und politischer Satire, seit Mitte des 15. Jahrhunderts in Nordfrankreich nachweisbar
(Quelle: Meyers Lexikon online)
Nun bin ich also gespannt, was mich da erwartet....
Grüße
Kenavo
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Hallo Bartlebooth,
Ich weiß - kein Internet und dann noch Urlaub - aber ich möchte doch gerne meine ersten Eindrücke zu diesem Buch schon mal los werden
Meine erste Erfahrung mit André Gide ist äusserst positiv - sogar mehr als das - ich bin total begeistert! Sowohl Stil als auch Story gefallen mir sehr gut (habe mich zurückgehalten um nicht gleich in der ersten Nacht, das ganze Buch zu lesen - aber das ist so eines der Bücher, bei dem mir das durchaus passieren kann).
Da ich mit diesem Buch auf dich 'warten' werde (habe heute morgen bis Kapitel 2 (Buch 2) gelesen), habe ich in meiner Begeisterung paralell dazu auch noch gleich mit den 'Falschmünzern' angefangen und das stammt noch aus meiner Phase als ich mich weigerte, französische Autoren in französisch zu lesen - und somit lese ich das auf Deutsch - was mich etwas irritiert und wo ich mir überlege mir das Buch im Original zu besorgen. Daher vielleicht auch der Stilunterschied etwas grösser und auffallender - aber beide Lektüren gefallen mir sehr.
Ich warte gespannt auf deine ersten 'Meldungen'
Gruß,
Kenavo
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Hallo Kenavo,
ein kurzer Zwischenruf: Mein Erstkontakt mt André war nicht so positiv. Allerdings war ich erst 18 und las "L'immoraliste" - sehr eigenartig. Die "Faux-monnayeurs" habe ich hingegen in guter Erinnerung, las sie aber auch etwa 8 Jahre später, was aber nun auch schon wieder etwas her ist. Die "Caves du Vatican" stehen nun seit etwas über einem Jahr bei mir im Regal und ich bin gespannt auf den Text.
Herzlich: Bartlebooth.
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Hallo Bartlebooth,
erst einmal TOTAL OFF TOPIC - ich habe heute das Bild, das du als Avatar ausgesucht hast, gesehen - und festgestellt, dass das Boris Vian ist. Hat das für dich einen bestimmten Grund (wenn ich denn fragen darf?). Ich selber habe nur wenig Kenntnisse von seinem Werk, habe mir allerdings heute die Sonderausgabe zum 60sten Geburtstag des Erscheinens von 'L'écume du jour' ('Der Schaum des Tages') gekauft - schön aufgemacht im Schuber mit Fotos und sonstigem Bildmaterial zum Buch.
Und dann aber auch noch zum eigentlichen Thema dieses Threads
Ich weiß nicht, wie weit du inzwischen gekommen bist - ich habe Kapitel 3 beendet und mich bisher ganz wunderbar amüsiert - zuerst dachte ich, nur die Frauen würden etwas dümlich, simpel dargestellt werden - aber netterweise hat Gide mit Amédée Fleurissoire die Balance wieder hergestellt
Ich möchte ansonsten noch nicht viel dazu schreiben, da ich ja nicht weiß ob ich dir dann nicht in deiner Lektüre dazwischen funke - also warte ich lieber auf Rückmeldung von dir.
Liebe Grüße,
Kenavo
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Hallo Kenavo,
ja, Boris Vian ist einer meiner erklärten Lieblinge. Ich liebe sowohl seine Texte als auch seine Musik. Berichte hier gern über deine Leseerfahrungen mit "L'écume des jours".
"Les Caves du Vatican" habe ich jetzt übrigens begonnen (bin noch nicht sehr weit). Der lakonische Ton gefällt mir, die Beschreibungen der Figuren sind interessant und bieten natürlich von Anfang an klug eingefädeltes Konfliktpotenzial: Ein rheumatischer Freimaurer auf Kur im katholischen Rom, beschäftigt mit den lebenswissenschaftlichen Experimenten - mal sehen, ob mir deren Funktion irgendwann aufgeht.
Herzlich: Bartlebooth
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Bartlebooth> Berichte hier gern über deine Leseerfahrungen mit "L'écume des jours".
Werde ich sicherlich tun!
Gruß,
Kenavo
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Hallo Kenavo,
ich bin im Moment leider total ausgelastet, so dass ich nur sehr langsam vorankomme. Immerhin habe ich nun die ersten 50 Seiten gelesen und muss sagen: ich finde die Männer eigentlich deutlich lächerlicher dargestellt als die Frauen. Anthime, der Freimaurer, der - sehr modernetypisch - darauf aus ist durch Tierversuche eine totale Transparenz von leiblichen Vorgängen zu belegen, ist doch bemerkenswert begründungsschwach. Die totale Logik, die er anstrebt, vermag er nicht in Ansätzen für sein eigenes Leben umzusetzen. Rhetorisch lässt er sich von seiner 8jährigen Nichte in die Pfanne hauen und zwei Sätze seiner Schwägerin zum katholischen Glauben kann er nur mit fundamentalistischem Trotz quittieren. Außerdem ist es natürlich nicht so, dass er nach seiner Wunderheilung der Jungfrau Maria deutlich sagt, er wolle diese Heilung nicht, sondern seine Frau findet ihn betend vor und er konvertiert so schnell zum Katholizismus, dass es eine wahre Freude ist.
Das Kapitel zu Julius stellt diesen im ersten Abschnitt eigentlich auch als Witzfigur dar: Vaterkomplex, vorgebliche Gleichgültigkeit gegenüber Kritik an seinen Romanen, die er natürlich nur um der Kunst willen schreibt, was ihn aber selbstverständlich nicht daran hindert, seine Frau mit selbstzweiflerischen und eitlen Fragen vom Schlafen abzuhalten. Und ihre Antwort, dass seine ersten Romane nicht besser seien als sein letzter, trifft ihn offenbar auch mit einer Breitseite. Julius de Baraglioul ist ein Muster an Unsouveränität.
Dagegen erscheinen Véronique zwar etwas einfältig, aber menschlich, Marguerite als hypochondrisch aber scharfsinnig.
Herzlich: Bartlebooth.
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Hallo Bartlebooth,
Bartlebooth> ich bin im Moment leider total ausgelastet, so dass ich nur sehr langsam vorankomme
Kein Problem!
Bartlebooth> ich finde die Männer eigentlich deutlich lächerlicher dargestellt als die Frauen
Darum finde ich so ein gemeinsames Lesen ja immer wieder faszinierend – dort gibt es oft verschiedene Lese-Arten und eben in diesem Fall ja vielleicht auch die männliche und die weibliche Herangehensweise an ein Buch.
Mir kamen die Männer zu Anfang vielleicht weniger lächerlich dargestellt vor, weil ich finde, dass das Augenmerk des Autors viel mehr auf die Männer gerichtet ist – von den Männern gibt es Beschreibungen, das Äußerliche wird von keiner der Frauen auch nur erwähnt – die schienen mir zu Anfang wie Zierrat – was sie für den einen oder anderen Herrn der Schöpfer zu dem Zeitpunkt wo die Geschichte stattfindet ja wohl auch waren.
Und damit entstand bei mir wohl der Eindruck, dass Gide wohl hier eher die Männer in den Mittelpunkt setzten will.
Deine Einwände finde ich aber gerechtfertigt und geben mir eine andere Perspektive auf die ersten Kapitel.
Und spätestens mit der ‚Pilgerfahrt’ von Amédée Fleurissoire ist ja wieder alles im Lot
Liebe Grüße
Kenavo
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Bartlebooth:
Das Augenmerk liegt auf den Männern, aber nach ihnen sind die ersten beiden Teile ja auch benannt, insofern hat mich das nicht wirklich gewundert. Allerdings dreht sich der zweite Teil nur am Anfang wirklich um Julius de Baraglioul, er gerät danach zugunsten seines Vaters und des illegitimen Sohnes Lafcadio, dem ja dann noch einmal der fünfte Teil gewidmet sein wird, ins Hintertreffen. Das hat eine gewisse Folgerichtigkeit, denn wie wir im zweiten Teil erfahren ist Julius eine Enttäuschung für den Vater, eine Enttäuschung, die sich vom Physiognomischen ins Geistige zieht:
André Gide S.67>«Julius ne donnait de ses traits qu'une réplique affadie, comme il n'avait donné dans L'Air des cimes qu'une image edulcorée de sa vie, et réduite à l'insignifiance.»
So darf Lafcadio dann zwar nicht den Namen Baraglioul tragen, aber Juste-Agénore (der Vater) zieht den illegitimen Sohn ganz klar dem legitimen vor. Die Pflicht seinem rechtmäßigen Erben gegenüber erfüllt der alte Graf, mehr nicht: Als jener vorgelassen zu werden wünscht, Lafcadio aber noch bei diesem seine Audienz hat, wird Julius einfach abgewiesen - und zwar vom Kammerdiener. Julius de Baraglioul ist dabei seinem Halbbruder gegenüber nicht feindselig («il ne se sentait à son égard aucune malveillance»), überlässt ihm gern die Hälfte seines Erbes und das mit seinem Namen benannte Kapitel.
Über Lafcadio erfahren wir zwar einiges aus eigenem Munde, doch er bleibt nichtsdestoweniger eine mysteriöse Figur, diszipliniert und streng mit sich selbst bis zum Pathologischen.
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Hallo,
ich habe das Buch heute morgen beendet. Ab Mitte des vorletzten Kapitels entwickelt das Buch einen Sog und vor allem das letzte Kapitel ist ähnlich spannend wie ein Krimi - ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen (bin sogar deswegen später zur Arbeit gekommen und 'darf' heute Abend länger bleiben ).
Mir hat diese Lektüre ausnehmend gut gefallen und ich werde mich die Tage noch mal dazu melden,
bis dahin,
Kenavo
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Bartlebooth:
Der dritte Teil führt nun ins Zentrum des Buches. Der Papst wird von Freimaurern entführt. Vielmehr muss man sagen: Man sagt, er sei entführt worden. Die guten Christinnen glauben sich natürlich gegenseitig und hauen zur Befreiung des Stellvertreters ihren Sparstrumpf auf den Kopf. Und die Männer der gläubigen Katholikinnen machen sich zu einer geheimen Mission in den Vatikan auf. Warum dir, kenavo, Arnica Fleurissoire nun ausgerechnet das Frauenbild Gides wieder ein bisschen sympathischer gemacht hat, ist mir so ohne Erklärung nicht ganz einleuchtend. Ich finde sie bisher mit Abstand die naivste Frauenfigur. Das ändert sich vielleicht in Kapitel vier "Le mille-pattes". Ich bin weiter gespannt.
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Lieber Bartlebooth,
Ich darf mich selber zitieren
kenavo> zuerst dachte ich, nur die Frauen würden etwas dümlich, simpel dargestellt werden - aber netterweise hat Gide mit Amédée Fleurissoire die Balance wieder hergestellt
Arnica habe ich nie erwähnt - die ist mir genau wie dir als die peinlichste der Frauen vorgekommen - ich erwähnte ihren MANN da ich bis dahin die Frauen eher simpel, dümlich und naiv dargestellt fand - und eben als Amédée die Bühne betritt ist dies ausgeglichen Da ich alles weitere schon kenne werde ich auf deine weitere Lektüre warten - aber ich kann dir versprechen, die beiden letzten Kapitel sind Sahnehaube + Kirsche dieses Buches
Grüße,
Kenavo
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Bartlebooth:
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Ich habe gestern und heute endlich ein bisschen Zeit gehabt weiterzulesen.
Der dramatische Knoten schürzt sich, Amédée läuft wird williges Opfer der Ganoven des "Mille-pattes". Interessant und witzig die Symbolik der blutsaugenden Insekten, die ihn auf seiner Reise heimsuchen: Erst Wanzen, dann Flöhe, schließlich Moskitos. Amédées Gutgläubigkeit, mit der er sich ausnützen lässt, sprengt alle Grenzen.
Alles in allem ist dieser vierte Teil aber nur einer, der langsam aber sicher die übrigen Stränge zusammenführt. Auch Julius ist nun nach Rom gefahren, um beim Papst höchstselbst in Sachen seines übervorteilten Schwagers Anthime vorzusprechen. Doch er wird nur gedemütigt.
Ich mache mich gleich an ein paar weitere Seiten aus dem abschließenden Teil.
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Bartlebooth:
Der fünfte Teil beginnt mit einem Knalleffekt, dem unmotivierten Mord an Amédée. Die Geschichte schien mir plötzlich in eine völlig andere Richtung zu laufen. Wo bisher die Kirche, Marienerscheinungen, Bigotterie, Verschwörungstheorien im Mittelpunkt standen, verschiebt sich der Fokus nun auf das "perfekte Verbrechen". Doch das ist nur scheinbar der Fall. Im Grunde liegt der Akzent auf der persönlichen Moral, auf Beharrungsvermögen im eigenen Urteil. In der Rückschau besteht der Text aus Szenen, in denen sich Personen in den grundlegendsten Einstellungen ihres Lebens von jetzt auf nachher umentscheiden. Oder noch genauer: Thema scheint mir zu sein, worin eigentlich der Grund für eine moralische Haltung besteht. Gibt es hier irgendeine Figur, deren moralisches Handeln vollständig uneigennützig ist? Irgendeine Figur, für die moralische Argumente nicht einfach nur das Handeln entsprechend der eigenen Lust bemänteln sollen?
Vielleicht Amédée, mit dem muss ich mich noch einmal etwas eingehender beschäftigen. Was seinen Konversion und die Rekonversion am Ende auslöst, ist mir nicht ganz klar geworden. Vielleicht kannst du da helfen, Kenavo?
Lafcadio erscheint mir hingegen wie ein - im klassisch modernen Sinne - moralisch blasierter Zeitgenosse. "Les caves du Vatican" scheint mir vor allem das zu sein: Eine Farce über das moralische Handeln.
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Bartlebooth> "Les caves du Vatican" scheint mir vor allem das zu sein: Eine Farce über das moralische Handeln.
Für mich trifft das genau den Kern dieses Buches.
Und am meisten hat mich ja dann doch dieser Lafcadio und sein Mord schockiert – kam er mir vorher noch wie ein ‚sympathischer’ Junge vor – hier beweist er dann seine geistlose Oberflächlichkeit – denn der Mord passiert doch zu allererst aus Langeweile und der ‚Kick’ den er dabei empfindet wird für ihn nur dadurch getrübt, dass er einen Fehler begangen hat und Gefahr läuft, erwischt zu werden. Sein Opfer interessiert ihn nicht.
So leid es mir tut – deine Frage nach Amédée kann ich auch nicht beantworten. Mir ist das auch etwas unklar geblieben.
Liebe Grüße,
Kenavo
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kenavo>Und am meisten hat mich ja dann doch dieser Lafcadio und sein Mord schockiert – kam er mir vorher noch wie ein ‚sympathischer’ Junge vor – hier beweist er dann seine geistlose Oberflächlichkeit – denn der Mord passiert doch zu allererst aus Langeweile und der ‚Kick’ den er dabei empfindet wird für ihn nur dadurch getrübt, dass er einen Fehler begangen hat und Gefahr läuft, erwischt zu werden. Sein Opfer interessiert ihn nicht.
Das ist richtig, aber ist Lafcadio wirklich so viel schlimmer als die anderen Figuren des Buches. Im Grunde wird hier eine Eitelkeit nach der nächsten ausgestellt und niemand interessiert sich für den anderen - vielleicht mal abgesehen von dem kreuznaiven Amédée, der aber, un das scheint mir entscheidend, sein Interesse für andere sofort als Schwachheit und Sünde brandmarkt. Lässt Gide uns nicht einfach über den Begriff der "Sünde" nachdenken? Und ist Lafcadio nicht eigentlich der, der am wenigsten "sündig" handelt, weil er immerhin niemals vorgibt, sich um irgendjemanden wirklich zu scheren?
Im letzten Posting, du hast es gemerkt, meint ich natürlich nicht Amédée, sondern Anthime, dessen Rekonversion mir weiterhin Rätsel aufgibt.
Herzlich: Bartlebooth.
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Bartlebooth> aber ist Lafcadio wirklich so viel schlimmer als die anderen Figuren des Buches
Nun ja, vielleicht nicht schlimmer - aber Dummheit, Naivität oder sonstwelche geistigen Mängel mag ich eher 'entschuldigen' als wenn man aus Langeweile einen Menschen umbringt??!
Bartlebooth> Lässt Gide uns nicht einfach über den Begriff der "Sünde" nachdenken?
Ja, sicherlich - und in seinen Augen kann ich mir auch vorstellen, dass Lafcadio mehr Sympathie hat als die anderen eitlen, dummen oder naiven Protagonisten seines Romanes - aber für mich bleibt das Motiv des Mordes nach wie vor schlimmer als die eigentliche Tat an sich.
Auch wenn er nicht vorgibt, sich um jemanden zu kümmern - dies und seine Langeweile geben ihm kein Recht, einen anderen Menschen umzubringen (jedenfalls in meine Weltansicht gehört sowas nicht )
Grüße,
Kenavo
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Bartlebooth:
Bartlebooth>> aber ist Lafcadio wirklich so viel schlimmer als die anderen Figuren des Buches
kenavo>Nun ja, vielleicht nicht schlimmer - aber Dummheit, Naivität oder sonstwelche geistigen Mängel mag ich eher 'entschuldigen' als wenn man aus Langeweile einen Menschen umbringt??!
Ich habe, um ehrlich zus ein, Schwierigkeiten, diese "geistigen Mängel" trennscharf voneinander abzugrenzen. Ist es nicht eine allgemeine Verrohung bzw. Gleichgültigkeit, die Gide vorführt? Und ist nicht nur die Art und Weise ihrer Kanalisierung ein andere?
kenavo>aber für mich bleibt das Motiv des Mordes nach wie vor schlimmer als die eigentliche Tat an sich.
Das verstehe ich nicht wirklich. Die schwerwiegende Tat scheint dich doch besonders zu schockieren, der Mord, den sich Lafcadio herausnimmt. Langeweile bzw. Gleichgültigkeit gegenüber den Mitmenschen sind doch (bis auf wenige Ausnahmen) allgegenwärtiges Handlungsmotiv aller Figuren des Romans, oder? Nur die daraus abgeleiteten Taten unterscheiden sich.
Ich will jetzt nicht alles über einen Kamm scheren, mir geht es darum, deinen Punkt zu verstehen, wenn du "Motiv" und "Tat" kontrastierst.
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Bartlebooth> Schwierigkeiten, diese "geistigen Mängel" trennscharf voneinander abzugrenzen
Ja, trifft zu – naive Menschen werden oft auch als dumm von ihren Mitmenschen angesehen - da ist ein Unterschied nicht so klar auszumachen - aber dumme Menschen müssen nicht unbedingt naiv sein (eine Arbeitskollegin von mir ist das beste Beispiel – sicherlich dumm – aber gepaart mit einer Boshaftigkeit, die keine Naivität zulässt )
Bartlebooth> Ist es nicht eine allgemeine Verrohung bzw. Gleichgültigkeit, die Gide vorführt?
Ja. Die Unterschiede der ‚geistigen Mängel’ der Protagonisten in diesem Buch sind in der Tat nicht klar abzugrenzen.
Bartlebooth> Langeweile bzw. Gleichgültigkeit gegenüber den Mitmenschen sind doch (bis auf wenige Ausnahmen) allgegenwärtiges Handlungsmotiv aller Figuren des Romans, oder? Nur die daraus abgeleiteten Taten unterscheiden sich.
Es war vielleicht überspitzt zu sagen, dass mich die TAT von Lafcadio nicht genauso schockiert wie sein Grund. Natürlich finde ich es schlimm genug, dass seine Langeweile ihn dazu bringt jemanden umzubringen.
Und du hast natürlich recht - bei den meisten Figuren ist ein ähnliches Handlungsmotiv vorhanden – allerdings ist es für mich nach wie vor ein Unterschied ob jemand daraufhin nur einfach etwas in seinem Leben ändert oder vielleicht auch noch sein Umfeld manipuliert (terrorisiert?) oder ob jemand einen anderen Menschen tötet.
Grüße,
Kenavo