Hallo!
Dies ist das erste Buch Nadolnys, der anschließend mit der "Entdeckung der Langsamkeit" weit über die Grenzen hinaus (zu Recht) bekannt wurde. - Der aus Bayern stammende Ole Reuter (man würde ihn aufgrund des Namens eher im Norden verorten) steht vor seinem Lehrerexamen - und damit auch vor einer Lebensentscheidung: Er befindet sich auf dem Weg zu einem soliden Leben, einem ebensolchen Beruf - und sieht sich bereits als alternder Studienrat dahinvegetieren. Daher kauft er sich eine Netzkarte - gültig für 4 Wochen im gesamten Gebiet der damaligen Bundesrepublik und versucht auf diese Weise eine Art Selbstfindung. Das Finden beschränkt sich aber eher auf wechselnde Geschlechtspartner (und jetzt frage ich mich angesichts des offenbar heterosexuellen Reuter: Muss ich hier Geschlechtspartnerinnen schreiben, um Verwirrungen vorzubeugen - aber vor dem Wort graut mir nun doch) und auf kleine, oft witzige Beobachtungen. Aber die Libido holt ihn schließlich in Gestalt der erst 17jährigen Judith ein, das ist kein Onenightstand wie so oft zu vor, sondern mehr ...
Vier Jahre später, nachdem sich Ole zwischendurch beim Film verdingt hat, ist er wieder im Besitz einer Netzkarte: Die nun 50 DM teurer ist und ihn vor jener Judith fliehen lässt, die für das Ende seiner ersten Reise mitverantwortlich war. Zwischen Eifersucht (den Judith hatte sich jemand gefunden, mit dem sie sich - natürlich nur platonisch - besser unterhalten kann) und der immer noch latenten Unsicherheit ob seiner Zukunft begibt er sich auf Besuchsreise - zu ehemaligen Kommilitonen, väterlichen Freunden und verflossenen Freundinnen, um schließlich wieder in Begleitung der holden Weiblichkeit (anderen Namens) recht zufrieden Richtung Berlin zu fahren. (Nadolny gibt vor, das Ganze nur anhand des Reisetagebuchs von Reuter zu erzählen - und er weiß in dieser Rahmenhandlung zu berichten, dass dieser sich nun doch vorläufig für den Lehrberuf entschieden hat.)
Es ist ein bisschen typischer Erstlings- und Jugendroman, aber die Fähigkeit Nadolnys, einfach nur zu erzählen und wie selbstverständlich Charaktere und Begebenheiten vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen, ist auch hier schon spürbar. Nicht, dass man den Roman unbedingt gelesen haben sollte: Aber ein sehr angenehmes, unprätentiöses Buch mit einigen gelungen, mit viel Witz gezeichneten Dialogen.
lg
orzifar