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Lektüren, Rezensionen => Gerade am Lesen ... => Topic started by: sandhofer on 29. Mai 2014, 19.32 Uhr
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Hallo zusammen!
Band I der Werk-Ausgabe von Fritz Medicus - der junge Fichte, wenn ich das recht sehe. Ein - im Grossen und Ganzen - der Aufklärung verpflichteter Fichte. Erste Versionen der Wissenschaftslehre, aber so weit bin ich noch nicht. Seine Kritik aller Offenbarung gelesen - wo Fichte auf ziemlich scholastischen Umwegen zum Schluss kommt, dass wir 'Offenbarung' nie verifizieren können.
Grüsse
sandhofer
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Wenn da nicht die merkwürdige Geschichte von der Setzung des Ich und des Nicht-Ich wäre (aber ich fange erst heute mit der ersten Version der Wissenschaftslehre an - Grundriß des Eigenthümlichen ...), könnte man Fichte durchaus als Positivisten deklarieren. Er akzeptiert zwar Gott als gegeben, überspielt aber dabei, dass Gott nicht bewiesen werden kann (und arbeitet also frei nach Voltaire: Wenn es Gott nicht gäbe, man müsste ihn erfinden), weiss, dass er hier einen Taschenspielertrick vollführt, und kommt dennoch zum Schluss, dass eine Offenbarung nie nachgewiesen werden kann. Auch in seinem Begriff der Wissenschaftslehre steckt im Grunde genommen viel Positivismus.
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Ich muss mir das noch genauer anschauen. Irgendwo beim Übergang von 'A = A' zu 'B = A' zu 'Ich = Ich' zu "Das Ich setzt das Ich" begeht Fichte einen verhängnisvollen Fehler. Er fängt in der Logik an und rutscht in die Metaphysik. Ich vermute, weil der die logische Entität 'A' hypostasiert, ein Ding daraus macht - und nicht mal ein Ding an sich.
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Die frühen Versionen der Wissenschaftslehre erinnern an Spinozas Philosophie more geometrico ... Bei beiden gilt, dass leider sehr wenig Geometrie in ihrer more ist ...
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Hallo,
was genau liest du denn jetzt von Fichte? Ich habe zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich die Wissenschaftslehre gar nicht zu besitzen scheine (ober aber sie ist im Bücherwust versumpft), habe aber die erste und zweite Einleitung in dieselbe gefunden. Im übrigen kann man m. E. Spinoza kaum vorwerfen, nicht more geometrico agiert zu haben. Das Problem ist die fragwürdige Evidenz der Axiome. Aber kaum jemand hat diesen Versuch so ernst genommen wie Spinoza.
lg
orzifar
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Hallo!
was genau liest du denn jetzt von Fichte?
Im Moment nichts mehr. Als nächstes kommen: Die Grundlage des Naturrechts und das System der Sittenlehre. Die Wissenschaftslehre kommt später wieder. Ich schätze, im Juli.
Im übrigen kann man m. E. Spinoza kaum vorwerfen, nicht more geometrico agiert zu haben. Das Problem ist die fragwürdige Evidenz der Axiome. Aber kaum jemand hat diesen Versuch so ernst genommen wie Spinoza.
Ausser - mutatis mutandis - Fichte. Aber genau das meine ich: die fragwürdige Evidenz der Axiome, auch bei Fichte.
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Hallo!
Im Moment nichts mehr. Als nächstes kommen: Die Grundlage des Naturrechts und das System der Sittenlehre. Die Wissenschaftslehre kommt später wieder. Ich schätze, im Juli.
Bis Juli werde ich sicherlich eine Ausgabe aufgetrieben (oder die verschollene gefunden) haben. Vielleicht lese ich mit ...
lg
orzifar
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Hallo!
Also, mal schauen.
Gelesen habe ich gerade: Über den Begriff der Wissenschaftslehre (1794) / Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794 / 1802) / Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre in Rücksicht auf das theoretische Vermögen (1795 / 1802).
Es werden als nächste folgen: Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797). Sind aber alles kürzere Texte. Später kommt aber dann noch mehr.
Welche sind denn bei Dir vorhanden? Oder waren es?
Grüsse
sandhofer
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Hallo!
Welche sind denn bei Dir vorhanden? Oder waren es?
Ich habe die "Reden an die deutsche Nation", die erste und zweite Einleitung zur Wissenschaftstheorie und die "Bestimmung des Menschen". Außerdem noch die "Schriften zur Revolution". Das ist es, was ich so auf die Schnelle hier gefunden habe. Und die "Wissenschaftslehre" kann ich sicher irgendwo antiquarisch billig auftreiben (Fichte neu kaufen - da sträubt sich was :)).
lg
orzifar
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Hallo!
Ich antworte hier, um den Horen-Thread nicht deutsch-idealistisch zu verunzieren:
Auch Fichte - zumindest in den Jahren von 1794-1797- hat sich immer vom Idealismus, von Berkeley, abgegrenzt. So, wie auch von Descartes oder Leibniz.
Ja, wobei sich die Frage stellt, inwieweit Fichte diese Abgrenzung auch mit Berechtigung vornimmt. Allerdings könnte dies bei den frühen Schriften noch eher der Fall sein.
lg
orzifar
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Auch Fichte - zumindest in den Jahren von 1794-1797- hat sich immer vom Idealismus, von Berkeley, abgegrenzt. So, wie auch von Descartes oder Leibniz.
Ja, wobei sich die Frage stellt, inwieweit Fichte diese Abgrenzung auch mit Berechtigung vornimmt. Allerdings könnte dies bei den frühen Schriften noch eher der Fall sein.
Ich denke schon. So gut, wie Kant, dessen Einfluss in Fichtes frühen Werken doch noch sehr gross ist.
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Band I im Blog. 8) (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5564)
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1796, in den Grundlagen des Naturrechts, wirft Fichte dann die schön aufgebaute Theorie des Ich als erkennender, aber abstrakter Entität über Bord. Nun ist das Ich plötzlich ein konkreter Mensch, andern Ichs gegenübergestellt, und auch die Natur ist plötzlich da und wirkt ... lvw
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Offenbar konnte man zu jener Zeit keine Rechtsphilosophie schreiben, ohne ständigen expliziten oder impliziten Bezug auf Rousseau. So ist auch bei Fichte der Gesellschaftsvertrag implizit präsent; ebenso wie Rousseau plädiert auch Fichte für eine staatlich gelenkte und genehmigte Wirtschaft, im Grunde genommen eine Planwirtschaft.
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Die Grundlage des Naturrechts und Das System der Sittenlehre (= Band 2 der Medicus'schen Werkausgabe) nun auch im Blog (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5599).
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Hallo!
Sehr bald nun:
Es werden als nächste folgen: Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797).
Wie sieht's aus mit einer Leserunde?
Grüsse
sandhofer
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Sehr bald nun:
Es werden als nächste folgen: Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797) / Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797).
Wie sieht's aus mit einer Leserunde?
Den Band habe ich hier (Meiner Verlag). Ich werde einen Versuch machen, allerdings kann ich nicht versprechen, ob ich die Fichteschen Ergüsse durchhalte.
lg
orzifar
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Die "Einleitungen" sind ja kurz. :angel:
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Hab' jetzt mal in die Einleitungen 'reingekuckt. Das sind keine philosophischen Werke, das sind reine Polemiken von Fichte gegen seine Gegner. Subjektiv verständlich (der Atheismusstreit, der ihn seine Professur in Jena kosten wird, steht ins Haus), objektiv-philosophisch ziemlich wertlos. Eine Leserunde wird kaum lohnen.
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Wie überhaupt die Jahre 1799/1800 von Polemik und nicht von Philosophie erfüllt scheinen.
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"Die Bestimmung des Menschen" = Wissenschaftslehre für Dummies. lvw
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+ religiös-esoterisches Geschwurbel ... Schade: Fichtes Anfänge als aufklärerischer Philosoph in der Nachfolge Kants waren ja viel versprechend...
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Band III nunmehr im Blog versammelt (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5662) ... Interessant, was Fichte alles zu wissen und zu können glaubte. Aber Nicolai genau das vorwerfen ...
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Fichte wird mit seiner neuen Version der Wissenschaftslehre (1801) zusehends polemischer und esoterischer. So nach dem Motto: Man will mich gar nicht verstehen / Wer's jetzt nicht versteht, wird's nie verstehen / Weil: Mit Logik kann man die Wissenschaftslehre gar nicht verstehen. Schade - die Wissenschaftslehre war zu Beginn eigentlich ein guter, auch der Aufklärung und der Logik verpflichteter Ansatz zur Weiterentwicklung von Kants Kritik der reinen Vernunft.
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Und er ermüdet. Ich habe nach dem ersten Buch mal unterbrochen.
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Die Wissenschaftslehre von 1801 mittlerweile fertig gelesen. Keine Ahnung, wovon Fichte sprechen möchte ...
Als nächstes folgt die Version von 1804.
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Die Wissenschaftslehre von 1801 mittlerweile fertig gelesen. Keine Ahnung, wovon Fichte sprechen möchte ...
Als nächstes folgt die Version von 1804.
Bonaventura hatte mit seinem Kommentar im Blog, die Lesezeit redlich(er) zu verwenden, so Unrecht nicht ... Willst du den ganzen Fichte noch durchhalten?
lg
orzifar
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Bonaventura hatte mit seinem Kommentar im Blog, die Lesezeit redlich(er) zu verwenden, so Unrecht nicht ... Willst du den ganzen Fichte noch durchhalten?
Eigentlich schon. Denn neben der Wissenschaftslehre, wo er immer esoterischer wurde (die Version von 1804 ist mindestens genau so schlimm wie die von 1801), hat Fichte auch einiges geschrieben, das zu seiner Zeit in der Öffentlichkeit recht Furore machte. Die Wissenschaftslehre selber lese ich eigentlich nur noch kursorisch und in homöopathischen Dosen. Ich habe gestern noch die neue Biografie Cottas im Wallstein-Verlag begonnen, um mich von Fichte auszuruhen. >:D
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Wobei ich Koala von Lukas Bärfuss noch weniger verstehe.
DennochL: Fichte redet ein (für mich: imaginäres) Publikum an. Und doziert. Und ist selbstverständlich der einzige, der Recht hat.
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Die Wissenschaftslehre von 1804: Jetzt weiss ich, von wem Heidegger seine Sprache hat.
Bei den Urinhalten dachte ich einen Moment, jetzt wird Fichte obszön...
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Gemäss Wikipedia soll Fichte in den Grundzügen des gegenwärtigen Zeitalters "Ansichten zu einer Geschichtsphilosophie" entwickelt haben. Ich sehe vor allem eine weitere, sehr selbstbezogene Rechtfertigung der eigenen Philosophie ...
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Über Band IV von Fichtes Werken habe ich mich nun auch noch im Blog (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5726) ausgelassen.
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Die Bestimmung des Gelehrten
Es soll Gottes Idee von der Welt in sich verwirklichen. Oder so ähnlich. Daneben in einer Art vorauseilendem Gehorsam die Gesetze befolgen, weil er sich vor sich selber schämen würde, wenn er diese Gesetze (die so was wie Naturgesetze sind) nicht kennen und befolgen würde, selbst wenn sie nicht offiziell kodifiziert sind.
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Ich weiss nicht, soll ich lachen oder weinen...
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Er soll Gottes Idee ... nicht "es" ...
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Fichte vs. Schelling: Wenn ein Prophet und Welterlöser dem andern seine eigenen Fehler vorwirft. Das wäre direkt süss, wenn's nicht tragisch wäre. Tragisch für die Philosophie nämlich, die Kant gerade eben zu einer ernsthaften Sache gemacht hatte im deutschen Raum.
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Reden an die deutsche Nation: Selbstverständlich sind die Deutschen in jeder Hinsicht einzigartig und herausragend. (Gut: Vor dem geschichtlichen Hintergrund ist Fichtes Ansicht vielleicht verständlich...)
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Fichte war zu Lebzeiten ein glänzender Publizist. Philosoph war er nach den ersten paar Werken keiner mehr...
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Allerdings will er in den Reden an die Deutsche Nation als Pädagoge tätig sein: Er vertritt eine Volksbildung, die sich auf Pestalozzi stützt und ihn weiterführen will. Er spricht sogar davon, dass man Lehrer aus Pestalozzis Institut nach Deutschland importieren soll.
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Na ja - Band V ist vor allem geschichtlich interessant. Wie er da Pestalozzi ausnehmen will...
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Band V mittlerweile im Blog (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5775) - mit Schwergewicht auf den Reden an die deutsche Nation.
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Band VI enthält, soweit ich das sehe, Vorlesungsnotizen, ergänzt durch Vorlesungsnachschriften, aus der letzten Zeit Fichtes. Also wieder Philosophisches, aber halt dann doch wieder ins Prophetische "Ich bin der einzige, der recht hat und man folge mir" gedreht. Ausserdem hat Fichte schon gewisse, auf Heidegger vorausdeutenden Sprachallüren, die es mir schwer machen, ihm zu folgen.
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Die Staatslehre von 1813 enthält eine kurze und treffende Beschreibung des Libertarismus. Und eine ebenso kurze und treffende Charaktersieriung Napoléons. Daneben aber wird als letzter Grund für den Staat (der ein Vernunftsstaat sein soll, gemäss Fichte) natürlich der liebe Gott angeführt. Und Sex bitte nur, um Kinder zu machen...
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Die Lektüre der 6 Bände nun definitiv abgeschlossen - mittels eines Beitrags im Blog (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5853).