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Lektüren, Rezensionen => Bistro => Topic started by: orzifar on 26. August 2011, 00.16 Uhr

Title: Amerikanische Literatur
Post by: orzifar on 26. August 2011, 00.16 Uhr
Möglicherweise zu lesen in der nächsten Zeit: Der bereits anderweitig erwähnte Philipp Roth (Jedermann) und Thomas Pynchon: Mason & Dixon. Kennt jemand das Buch (bzw. Pynchon)? Mit abgrundtiefem Grauen denke ich allerdings an mein letztes amerikanisches Leseabenteuer: Don de Lillos "Körperwelten" war so ziemlich das schlechteste Buch, das ich in den letzten 10 Jahren gelesen habe.

lg

orzifar
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: mombour on 26. August 2011, 08.27 Uhr
Hallo orzifar,

mit den kleinen Don Delillos konnte ich auch nichts anfangen. Pynchon wäre interessant. Mason & Dixon wäre auch meine gewünschte Einstiegslektüre. Also, wenn das dann ansteht, sage mir bescheid.
Neben Untiefen gibt es natürlich auch die gute amerikanische Literatur, da lass ich mir nichts verderben, nur weil der Don deLillo mal daneben gelangt hat. ;D

Liebe Grüße
mombour
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: MacOss on 26. August 2011, 09.35 Uhr
Hast Du denn von Pynchon schon etwas gelesen, orzifar? In Sachen Pynchon bin ich noch unbeleckt, habe "Gegen den Tag" ungelesen im Regal zu stehen und wollte es eigentlich demnächst angehen. Ein Freund von mir und Pynchon-Liebhaber sagte mir aber, dass "Mason & Dixon" (oder noch eher "Vineland") wesentlich besser für den Einstieg in das Pynchon-Œuvre geeignet sei. Insofern bin ich auf Deine Meinung gespannt. :)

Gruß, M.
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: BigBen on 26. August 2011, 09.47 Uhr
Von Pynchon habe ich als Einstieg den Erzählband "Spätzünder" gelesen. Damit bekommt man schon einen guten Eindruck und muß sich nicht erst durch einen seiner üblichen Wälzer durcharbeiten. Aber nach den Erzählungen bin ich erstmal stecken geblieben. Ein paar seiner Romane stehen immer noch ungelesen hier rum.
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: mombour on 26. August 2011, 09.49 Uhr
Hallo MacOss,

in "Mason & Dixon" geht es um zwei Wissenschaftler. Das hört sich irgendwie noch übersichtlich an. In "Die Enden der Parabel" gibt es ungefähr 400 Personen, mehrere Handlungsstränge. Das ist der Unterschied. ;D

Liebe grüße
mombour
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: orzifar on 26. August 2011, 14.33 Uhr
Es geht wohl um die Mason-Dixon-Linie, die von den Namensgebern des Buches vermessen wurde. Mir ist diese Linie eher als Barriere zwischen Nord- und Südstaaten, als eine Trennung zwischen Sklaverei und Freiheit ein Begriff. Ob auch diese Thematik im Buch aufgegriffen wird weiß ich nicht.

Es ist mein erster Pynchon, amerikanische Literatur ist für mich weitgehend eine terra incognita. Und fast immer, wenn ich diesem Umstand abhelfen wollte, kam ich zu dem Ergebnis, dass es diesen Versuch nicht wert war (wobei der erwähnte de Lillo das mit Abstand schlimmste war). Ansonsten wird man ständig mit alternden, geilen College-Professoren konfrontiert, die da fröhlich-verzweifelt ihre Studentinnen bespringen. Wobei mich Bücher, deren Handlungen großteils unterhalb des Nabels angesiedelt sind, zumeist ausnehmend langweilen.

lg

orzifar
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: mombour on 26. August 2011, 14.38 Uhr
Es geht wohl um die Mason-Dixon-Linie,

Ja, genau.
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 27. August 2011, 07.29 Uhr
Hallo!

Aha - zeitgenössische US-Amerikaner scheinen doch ein beträchtliches Echo auszulösen. Bei mir, ehrlich gesagt, allerdings nicht. T.C. Boyles América - ein furchtbarer Hemingway-Verschnitt - hat mich äusserst zurückhaltend werden lassen. Paul Austers New York Trilogy war eigentlich auch nur im ersten Band (City of Glass) wirklich geniessbar, auch wenn die beiden andern Bücher immer noch besser waren, als so manch anderes, das ich gelesen habe.

Dennoch müssten diese Amis ohne mich stattfinden.

Grüsse

sandhofer
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: mombour on 27. August 2011, 09.23 Uhr
Hallo sandhofer,

Aha - zeitgenössische US-Amerikaner scheinen doch ein beträchtliches Echo auszulösen.

Auf jedenfall. Ich denke, was amerikanische Literatur betrifft, gibt es noch viel zu entdecken (Pynchon, Denis Johnson, William H. Gass).  Bei mir ist es jedenfalls so. Ich lasse mich nicht abschrecken, wenn ich mal ein paar Amerikaner gelesen habe, die mir nicht so gefallen haben, dass ich dann sage, ich lese keine Amis mehr. Ist es bei dir ein wenig so, du magst keine Amis mehr lesen, weil dich einige wenige etwas enttäuscht haben? Pynchon zählt zu den bedeutenden postmodernen Schreibern. Allein schon aus literaturgeschichtlichem Interesse Pynchon lesen, sich evtl doch begeistern lassen, ist mir immer ein Versuch wert,  obwohl Mason &Dixon eher im Stil des 18. Jahrhunderts geschrieben ist, aber dann doch als Einstieg geeignet scheint.  Ich habe einige grandiose Erzählungen von David Foster Wallace gelesen ("Kleines Mädchen mit komischen Haaren"). Wallace hat sich als Schüler von Pynchon bezeichnet.

Ein wenig off topic, ich weiß.
Liebe Grüße
mombour
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: orzifar on 27. August 2011, 14.56 Uhr
Hallo!

Ich hab den Teil betreffs amerikanischer Literatur abgetrennt und verschoben.

Ich bin manchmal versucht, alles Us-amerikanische in Sippenhaftung zu nehmen. Der Grund: Mir ging's mit vielen Büchern ähnlich: Stark handlungsorientierte oder aber abgehoben postmodern-kryptische Schreibweise, die schon erwähnte, unsägliche Thematik des sich fortpflanzenden, alternden Literaturprofessors etc. Auster (Das Buch der Illusionen) hat mich gelangweilt (trotz oder wegen der unzähligen Toten), Christopher Coakes Erzählungen haben mich zum Gähnen gebracht (das ist so ein mir suspekter Absolvent eines "creative writing" Kurses (was man auch merkt), der einige Preise bekommen hat), mit Boyle kam ich noch eher klar (ohne den Wunsch zu verspüren, sein Gesamtwerk kennen zu lernen), teilweise fand ich Irving lesbar, von de Lillo kein Wort mehr ;), Roth und Updike haben auch keinen Wunsch nach mehr erweckt ... Natürlich bedeutet das nicht, dass es da nicht noch viel (Schönes, Bedeutendes) zu entdecken gäbe: Aber wenn man an einer bestimmten Stelle des Gebirgsbaches gegraben, gewaschen und statt Nuggets häufig altes, verrostetes Küchengeschirr gefunden hat, wird man irgendwann den Ort wechseln mit der Hoffnung auf mehr Glück. Aber ein paar Amerikaner werden's schon noch werden in den mir verbleibenden Jahren ...

lg

orzifar
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 27. August 2011, 19.56 Uhr
Hallo!

Pynchon zählt zu den bedeutenden postmodernen Schreibern.

"Postmodern" ist schon das nächste Pfui-Wort ...  ;D

Allein schon aus literaturgeschichtlichem Interesse Pynchon lesen, sich evtl doch begeistern lassen, ist mir immer ein Versuch wert,  [...]

Aus literaturgeschichtlichem Interesse lese ich Gleim oder Klopstock. Die Zeit für blinde Versuche habe ich nicht mehr.  :angel:

Im Ernst: Die amerikanische Literatur hat seit Faulkner, Steinbeck und Hemingway meiner Meinung nach nur Epigonales hervorgebracht, nachdem sie mit diesen drei Autoren (und vorher mit Poe, Twain oder Bierce) Wegweisendes produzierte. (Man mag Hemingway mögen oder nicht - ich mag ihn nicht - aber er war weg- und stilbildend ... leider ...) Und bisher fand ich keinen Autor, der mich eines andern belehren konnte. Austen, dort, wo er gut ist, hat von Borges abgekupfert, ohne den Argentinier zu verbessern.

[...] wenn man an einer bestimmten Stelle des Gebirgsbaches gegraben, gewaschen und statt Nuggets häufig altes, verrostetes Küchengeschirr gefunden hat, wird man irgendwann den Ort wechseln mit der Hoffnung auf mehr Glück.

Und zwar wird man nicht am selben Bach ein paar Meter weiter oben oder weiter unten weiter schürfen, sondern eine oder zwei Bergketten weiter ...

Grüsse

sandhofer
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: mombour on 27. August 2011, 22.19 Uhr
Hallo sandhofer,

wir können ja mal ein Spielchen machen. Wer entdeckt den besten zeitgenössischen amerikanischen Roman. ;D
Ich begebe mich auf die Suche. Warscheinlich  werde ich der einzigste sein, der sich da Mühe gibt.  :angel:

Vielleicht liegt es auch am Lesegeschmack, lieber einen Goethe als ein Postmoderner. Dafür zeige ich Verständnis. Da zeitgenössische Literatur  ein Spiegel unserer Zeit ist, finde ich es  durchaus passend, mal was Zeitgenössisches zu lesen. So ein Drogenbuch wie "Schon tot" von Denis Johnson wär da schon was. Wird verglichen mit "Tortilla flat", bloß moderner eben. So richtig abgefahren.  Bei der Lektüre des bereits erwähnten David FosterWallace "Kleines Mädchen mit komischen Haaren" kommen bildhafte Elemente wie aus einem Drogenrausch vor (am besten man vergisst alles, was man vorher gelesen hat, wenn man das Buch liest, weil es eben was völlig neues ist). Ein Autor vor fünfzig Jahren hätte niemals so geschrieben, hat auch nicht.  Steinbeck ja auch nicht, obwohl mir "Tortilla Flat" schon gefällt.

Ich erinnere auch gerne an Cormac McCarthy, der den Western zur Hochliteratur gehoben hat. Ganz toll. Sein Roman "Grenzgänger" hat auch was von Jack London (Wölfe).

Liebe Grüße
mombour
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: Anita on 28. August 2011, 12.04 Uhr
Ich begebe mich auf die Suche. Warscheinlich  werde ich der einzigste sein, der sich da Mühe gibt.  :angel: 

Also Mühe, ja Mühe, Leid und Not hab ich mir auch schon gemacht, und Geld zum Fenster heraus geworfen. Mit Pynchon "Gegen den Tag" und dieses "The House", oh Gott was war das denn  :o Ja das passt: "postmodern-kryptische Schreibweise" müsste mir zwar liegen, tat es aber nicht!

Ansonsten rein zur Unterhaltung habe ich den ein oder anderen Irving ganz gerne gelesen, den Updike kann man auch lesen, aber Austen und Boyle, mit denen konnte ich auch nichts anfangen. Generell habe ich nach dem Umzug die Amis in mein Arbeitszimmer verlegt, die kommen mir nicht mehr in die gute Stube  :angel:

LG
Anita
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 04. September 2011, 17.06 Uhr
Hallo!

Ich habe jetzt mal Faulkners As I Lay Dying bestellt. Vielleicht goutiere ich Faulkner ja ein Vierteljahrhundert später besser, vielleicht ist er ja auch als Romancier verständlicher denn als Short-Story-Schreiber.

Grüsse

sandhofer
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: BigBen on 05. September 2011, 07.49 Uhr
Apropos, ich habe am Wochenende mal wieder Kurt Vonnegut gelesen. Der lohnt sich eigentlich immer.  8)
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 05. September 2011, 20.33 Uhr
Ich kenne zu wenig von Vonnegut - eigentlich nur das grosse Slaughterhouse Five or The Children’s Crusade. Aber das ist durchaus ein Werk, das Lust macht auf mehr vom selben Autor.
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: orzifar on 05. September 2011, 20.57 Uhr
Ich kenne zu wenig von Vonnegut - eigentlich nur das grosse Slaughterhouse Five or The Children’s Crusade. Aber das ist durchaus ein Werk, das Lust macht auf mehr vom selben Autor.

Auch ich kenne nur Schlachthof 5, das Buch hat bei mir aber einen recht zweifelhaften Eindruck hinterlassen. (Mal sehen, ob sich auf meiner Festplatte noch die Besprechung findet.)

lg

orzifar
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: BigBen on 06. September 2011, 08.01 Uhr
Ich habe gerade "Ein dreifach Hoch auf die Milchstrasse: Vierzehn unveröffentlichte Geschichten und ein Brief" von Vonnegut gelesen. Skurrile Kurzgeschichten mit einem hintergründigen Humor. Empfehlenswert ist auch "Mann ohne Land: Erinnerungen eines Ertrinkenden". Autobiographisch und mit einem bitterbösen Blick auf Amerika.

http://www.amazon.de/Ein-dreifach-Hoch-Milchstrasse-unveröffentlichte/dp/3036955763 (http://www.amazon.de/Ein-dreifach-Hoch-Milchstrasse-unveröffentlichte/dp/3036955763)
http://www.amazon.de/Mann-ohne-Land-Erinnerungen-Ertrinkenden/dp/3492249280 (http://www.amazon.de/Mann-ohne-Land-Erinnerungen-Ertrinkenden/dp/3492249280)
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 06. September 2011, 19.24 Uhr
Auch ich kenne nur Schlachthof 5, das Buch hat bei mir aber einen recht zweifelhaften Eindruck hinterlassen. (Mal sehen, ob sich auf meiner Festplatte noch die Besprechung findet.)

Wäre schön und interessant. Weil: So zweifelhaft fand ich Vonnegut eigentlich nicht. (Postmodern halt ...  :teufel: )
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: orzifar on 07. September 2011, 00.14 Uhr
Gesucht - gefunden ... nicht schlecht, aber einige Einwände.

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"So geht das." (so it goes). Lakonisch begleitet dieser Satz das Sterben in Schlachthof 5, Zufälligkeit, Belanglosigkeit markierend. Billy Pilgrim erzählt von den Stationen seines Lebens; und alle haben einen zentralen Bezug: Die Bombardierung Dresdens, die der Autor selbst in einem Bunker miterlebte.

Billy ist traumatisiert und - omnipräsent, seit er von Außerirdischen vom Planeten Tralfamadore entführt wurde; er vermag in der Zeit zu reisen, Zeitsprünge zu machen bzw.: Durch die Reise wird ihm dies alles bewusst. Und so ist auch die Erzählung von Billys Leben eine zeitlich ungeordnete Abfolge von Erlebnissen, alles aber vom Grauen des Krieges überstrahlt, vom Sterben, von der rätselhaften Unmenschlichkeit. Diese im Roman nie aufgelöste Reise nach dem fremden Planeten, ob real oder traumatisiert (was für den Fortgang der Romanes auch nebensächlich ist) bietet den philosophischen Hintergrund für die Erzählung von Billys Leben - und dieser wirkt oft tückisch - und unausgegoren.

Einerseits wird durch diese Struktur der Gleichzeitigkeit auf die Belanglosigkeit der Ereignisse hingewiesen, auf deren Determiniertheit, andererseits Billy als ein einflussloser Moralist geschildert, der hinnimmt, in Maßen mitfühlt, aber aufgrund der Einsicht in die Vorbestimmtheit nichts unternehmen kann. Selbst dieses "Können" wird in Frage gestellt; er überlegt, ein Flugzeug zu besteigen, da er von dessen Absturz weiß. Dann aber schickt er sich in eine paradoxe "freiwillige Vorbestimmtheit"; irgendwo in der Zeit wird man immer leben, immer sterben, immer glücklich oder unglücklich sein. Insofern ist jede Verurteilung eines Handelns sinnlos, da die Zukunft schon stattgefunden hat und es ein reiner Zufall ist, dass man nicht gerade im Sterben begriffen ist.

Diese Determiniertheit im Zusammenhang mit der moralischen Verantwortung (bzw. Verantwortungslosigkeit) wird nirgends aufgelöst, der Autor bemüht sich gar nicht um eine solche philosophische Durchdringung der Erzählung. Ob Nachlässigkeit oder beabsichtigt - der Roman bekommt dadurch etwas Aussageloses, Beliebiges. Das Kriegsgrauen ist ebenso sehr Episode wie eine Heirat, Geburt, Krankenhausaufenthalte, die Schuldfrage, die Frage nach Eigenverantwortlichkeit kann gar nicht gestellt werden. Die meisten philosophischen Implikationen einer solchen Struktur werden vollkommen ignoriert, sodass man sich mehr und mehr fragt, was den Autor zu einem solch seltsamen Konstrukt bewogen hat. Wäre es bei der Erzähltechnik von bunt zusammengewürfelten Einzelepisoden geblieben, wären einem die bescheidenen Erkenntnisse von Außerirdischen erspart geblieben, der Roman wäre um vieles lesbarer. So bleibt es ein sprachlich stimmiges, aber mit zweifelhaftem gedanklichen Klebstoff zusammengeflicktes Stückwerk.

Nachbemerkung: Vonnegut hat bis zum Ende seines Lebens immer an einer fast um den Faktor 10 erhöhten Opferzahl für Dresden festgehalten (und diese auch im Buch angeführt). Was ihn dazu bewogen hat, vermag ich nicht zu beurteilen, zweifelhaft ist solches allemal (weil er sich mit seinen Zahlen in die seltsame Gesellschaft von Holocoustleugnern und Neonazis begibt). In jedem Fall aber wäre ein bewusste Übertreibung eine Verhöhnung der tatsächlichen Opfer: Als ob man alles vervielfachen müsste, um dem Grauen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Dies aber sollte man Hollywood überlassen, Katastrophenfilmen, Kampfmaschinen oder auch Boulevardzeitungen. Nur wer glaubt sich verkaufen zu müssen, handelt hektoliterweise mit Blut und multipliziert die Opferzahlen. Hingegen reicht für die Ungeheuerlichkeit des Leidens ein verzweifelter Mensch, ein mit den Mitteln der Sprache einfühlsam gestaltetes Schicksal.

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lg

orzifar
Title: Re: Amerikanische Literatur
Post by: sandhofer on 07. September 2011, 09.37 Uhr
Diese Determiniertheit im Zusammenhang mit der moralischen Verantwortung (bzw. Verantwortungslosigkeit) wird nirgends aufgelöst, der Autor bemüht sich gar nicht um eine solche philosophische Durchdringung der Erzählung. Ob Nachlässigkeit oder beabsichtigt - der Roman bekommt dadurch etwas Aussageloses, Beliebiges.

OK - ich sehe Deinen Punkt. Da ich in der Literatur selber weniger Wert auf moralische Verantwortung bzw. philosophische Durchdringung lege wie Du, habe ich das Resultat nicht so sehr als aussagelos und beliebig empfunden (allerdings zum Teil auch, daher meine Aussage: "postmodern" ;)), für mich ist Slaughterhouse 5 eher der Ausdruck der Absurdität, die die Nachkriegsgeneration empfunden haben muss, die sich nicht an vorgegebenen metaphysischen Inhalten orientieren wollte, wie ein Sartre oder Böll. Am ehesten ein US-amerikanischer Camus, der sich sogar der Sisyphus'schen Ethik verweigert.

"So geht das." - Jetzt weiss ich, woher Maloney seinen Spruch hat ...