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Gemeinsam Lesen => Leserunden => Topic started by: Kenavo on 25. Juli 2009, 17.16 Uhr
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Bei Mombour dauert es noch etwas bis er seine Bücher in den Händen hällt und Mascha wird nur jede 3. Geschichte mit uns kommentieren.. aber ich versuche schon mal einen Anfang....
Da ich die französischsprachige Ausgabe lese, gebe ich den französischen Titel + die wortwörtliche Übersetzung davon an - in der Hoffnung dass man in etwa auch im Deutschen dann erkennt um welche Geschichte es sich handelt - spätestens aber in der Inhaltsangabe werden wir uns dann wohl in den gleichen Geschichten wieder finden :wink:
1. Le Lutin - Der Kobold
(zuerst erschienen 7/01/1921)
der Titel sagt es - eine No-Go Geschichte für mich. Fantasy, Übersinnliches, Harry Potter oder Tolkien - ich kann damit nichts anfangen - auch wenn ein Nabokov es schreibt. Glücklicherweise nur 4 Seiten lang (in meinem Buch (große Seiten :wink: ) und obwohl ich sie der Vollständigkeit halber gelesen habe, kann ich nicht genau sagen um was es da geht.
Kein guter Einstieg.. aber es kann nur noch besser werden :)
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2. Ici on parle russe - Hier spricht man Russisch
(zuerst erschienen 1923)
Diese Geschichte handelt von dem Tabakwarengeschäftsinhaber Martyn Martynytch und seiner Familie. Der Sohn Pétia und der Ich-Erzähler kennen sich seit einer gemeinsam verbrachten Krankheit und Jahre später bindet ihn der Vater durch das Erzählen eines Familiengeheimnisses noch mehr an ihn und seine Lieben.
Ein Geheimnis das mir so irrwitzig und seltsam erscheint - und das ich auch nicht preisgeben will bis wenigstens meine beiden Mitleser die Chance haben, die Geschichte zu entdecken. Sie zählt zwar nur 9 Seiten aber von vornherein zu wissen, was auf einen zukommt ist sogar bei so einer kurzen 'Distanz' nicht toll.
Aber hier wird mir jemand 'helfen' müssen mit der Interpretation - ich gehe mal davon aus, dass Nabokov sich zu dem Moment schon im Exil befand und somit ist es ein wahrlich böser Hieb gegen das Regime in Russland.. aber so was von böse.. :wink:
(eines kann man mir nicht abstreiten - ich motiviere meine Mitleser wo ich nur kann ;D )
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Aber hier wird mir jemand 'helfen' müssen mit der Interpretation - ich gehe mal davon aus, dass Nabokov sich zu dem Moment schon im Exil befand und somit ist es ein wahrlich böser Hieb gegen das Regime in Russland.. aber so was von böse.. :wink:
Aufgrund der Oktoberrevolution floh die Familie Nabokov 1917 nach Jalta, anschließend ging es nach Europa. Vladimir ging 1919 nach Cambridge, studierte am Trinity College Naturwissenschaften, russische und französische Literatur. Dort schrieb er auch Gedichte.
"Wir treffen uns wieder nach Jahren
Wir werden weinen dann,
Daß wir nicht mehr sind, was wir waren
Und die Zeit uns sinnlos verrann..."
Ab 1922 wohnte er in Berlin. Im Jahre 1937 musste er, weil seine Frau Jüdin war,aus Deutschland fliehen. Es ging nach Frankreich, 1940 in die USA.
@kenavo: Ich bin sehr motiviert, ja!! ;D
Liebe Grüße
mombour
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2. Ici on parle russe - Hier wird Russisch gesprochen
(zuerst erschienen 1923)
Diese Geschichte handelt von dem Tabakwarengeschäftsinhaber Martyn Martynytch und seiner Familie. Der Sohn Pétia und der Ich-Erzähler kennen sich seit einer gemeinsam verbrachten Krankheit und Jahre später bindet ihn der Vater durch das Erzählen eines Familiengeheimnisses noch mehr an ihn und seine Lieben.
Ein Geheimnis das mir so irrwitzig und seltsam erscheint - und das ich auch nicht preisgeben will bis wenigstens meine beiden Mitleser die Chance haben, die Geschichte zu entdecken. Sie zählt zwar nur 9 Seiten aber von vornherein zu wissen, was auf einen zukommt ist sogar bei so einer kurzen 'Distanz' nicht toll.
Aber hier wird mir jemand 'helfen' müssen mit der Interpretation - ich gehe mal davon aus, dass Nabokov sich zu dem Moment schon im Exil befand und somit ist es ein wahrlich böser Hieb gegen das Regime in Russland.. aber so was von böse..
Ja, Nabokov hatte in seinen Berliner Jahren (und nicht nur) sehr oft die russischen Emigranten unter die Lupe genommen. Herrlich fand ich in dieser Hinsicht Maschenka :)
Und diese Erzählung hat es auch in sich.
Zuerst mal lässt er uns ohne Umschweife wissen wie diese Berliner Emigranten zu der kommunistischen Führung der Sowjetunion stehen: Petja kauft sich u.a. einen Hammer und eine Büste Lenins und zerschlägt letztere mit ersterem noch im Laden.
Was für mich aber der Kern der Erzählung ausmachte war die feine (aber liebevolle) Ironie mit der er das Leben und Ansichten dieser Leute schildert: sie sind tatsächlich der Meinung, durch ihre Tat dem Vaterland zu dienen, bzw. etwas gegen den Bolschewismus zu unternehmen. Und das tun sie auch noch schön, ordentlich, wie es sich für Gutsherren gehört, ohne viel Leid, mit ganzem Komfort und … letzten Endes nur sich selber schädlich.
Es ist kein richtig böses Unterfangen, doch spürt man schon den Hang zur subtilen Ironie und Unterhaltung des werdenden großen Schriftstellers.
Erwähnen muss ich noch die unaufdringliche Art in der er die Eckdaten der Geschichte schildert: Kleine Spuren hie und da und schon wissen wir wann das passiert (Die Frau von Martynytsch hatte seit den Tagen der Revolutionswirren ein Zucken im Gesicht), welcher Seite die Leute angehören (Besitzer eines außergewöhnlichen Traktors), womit sie sich so beschäftig(t)en (Puschkin und die Griechen statt Politik) usw.
Und schon sind wir bei einem der Gründe, warum ich Nabokov so gern lese: Seine Liebe zum bedeutungsvollen Detail, seine ordentliche Art zu schreiben. (Doderer lässt in dieser Hinsicht auch grüßen.)
Fazit: eine empfehlenswerte Erzählung!
@kenavo: nach deinen Eindrücken über Der Kobold zu urteilen ist Die Einladung zur Enthauptung, das ich zuletzt von ihm gelesen habe, nichts für dich :-\
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Und diese Erzählung hat es auch in sich.
Vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen – dank Mombours biographischen Details konnte ich mir die Geschichte schon in etwa richtig deuten – aber durch deine Informationen habe ich gesehen, dass ich bei diesem Autor noch viel genauer lesen muss. Das mit dem Hammer und dem Kopf hatte ich natürlich ‚gelesen’ – war aber irgendwie war das dann an mir vorbeigerauscht.. und das Detail mit der Mutter und dem Zucken oder dem Besitz von einem Traktor der Familie hatte ich regelrecht überlesen.
Aber in der Tat – dieses ‚Erfüllen’ eines Auftrages, den sie ja noch nicht einmal bekommen, sondern sich selber gestellt haben, finde ich auch zu schräg. Aber genau wie du sagst :
Was für mich aber der Kern der Erzählung ausmachte war die feine (aber liebevolle) Ironie mit der er das Leben und Ansichten dieser Leute schildert: sie sind tatsächlich der Meinung, durch ihre Tat dem Vaterland zu dienen, bzw. etwas gegen den Bolschewismus zu unternehmen. Und das tun sie auch noch schön, ordentlich, wie es sich für Gutsherren gehört, ohne viel Leid, mit ganzem Komfort und … letzten Endes nur sich selber schädlich.
;)
Wunderbare Geschichte..
Allein Einladung zur Enthauptung ist vom Titel her schon mal nichts für mich.. aber ich werde mich tapfer durch jede einzelne Geschichte hier kämpfen
:D
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Zuerst mochte ich loswerden, dass man sich vom Buchtitel „Einladung zur Enthauptung“ nicht irreführen lassen sollte. Der Roman ist eine herrliche Parodie auf einen Diktaturstaat. Der Inhalt wankt gerne zwischen Realität und diversen Fantasien, auch die Sehnsucht nach dem alten
Russland offenbart sich. Das nur am Rande.
„Der Kobold“: Die Geschichte wird in deutscher Übersetzung mit „Geisterwelt“ wiedergegeben, auch hier die Sehnsucht nach der alten Heimat. Der Kobold ist ein Waldgeist, der auch hatte flüchten müssen. Die Zerstörung des alten Russlands wird hier metaphorisch mit dem Abholzen der Wälder erläutert (das erinnert mich an Tschechows „Kirschgarten“, dort muss der Kirschgarten wegen einer Ferienwohnanlage weichen). Der Forst war weg, nur graue Asche, so heißt es in Nabokovs Erzählung, darum musste unser Waldgeist sich auf Wanderschaft begeben, sozusagen emigrieren.
Diese Erzählung ist ein wenig niedlich, kann mit Nabokovs späteren Werken, auch mit „Maschenka“ nicht herhalten. Es ist eben seine erste Erzählung. Erstaunlich ist aber, dass Nabokov zwei Jahre später in „Hier wird russisch gesprochen“, sprachlich gesehen und von der Idee her schon ein waschechter Nabokov ist.
Tja, dieser Martynytsch behandelt den Bolschewisten sehr unsanft. Trotzdem, gerade diese groteske Situation, dieser arme Kerl in der Badzelle, veranlasste mich zum Schmunzeln. (Mascha ging es ähnlich, wie ich las). Bemerkenswert ist, dass dieser Bolschewist in dem Tabakladen eben nicht russisch sprach. Martynytsch wollte in seinem Tabakladen eine russische Oase einrichten, da hat der Kerl natürlich gleich gestört. Natürlich verhält sich Martynytsch nicht rechtens, weil er Selbstjustiz übt und selber unmenschlich ist. Man kann seine Heimat eben nicht in die andere Welt mitnehmen. Sein geliebtes Russland muss man leider wehmütig zurücklassen. Das ist das Schicksal von Emigranten. Den Hammerschlag auf die Leninbüste fand ich einfach köstlich.
Liebe Grüße
mombour
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Zuerst mochte ich loswerden, dass man sich vom Buchtitel „Einladung zur Enthauptung“ nicht irreführen lassen sollte. Der Roman ist eine herrliche Parodie auf einen Diktaturstaat. Der Inhalt wankt gerne zwischen Realität und diversen Fantasien, auch die Sehnsucht nach dem alten
Russland offenbart sich. Das nur am Rande.
Stimmt, kenavo, wie ich schon sagte, Nabokovs Exkurse in die phantastische Welt sind ziemlich gut in der Realität verankert.
Hier meine Notizen:
Le Lutin - Der Kobold - Geisterwelt
Eine kleine Erzählung, die folgendermaßen anfängt:
„Ich zog gedankenverloren mit der Feder den zitternden runden Schatten des Tintenfasses nach. In einem fernen Zimmer schlug die Uhr, und mir Träumer wollte es scheinen, als klopfe wer an die Tür - .“ (S. 11)
Herein kommt ein grauer, gebeugter Mann, der sich als der Waldgeist entpuppt, der in frühen Jahren und in einem anderen Land mit dem Autor herumgetollt hatte.
Er musste das besagte Land / Russland auch verlassen, genauso wie der Autor, genauso wie viele andere Geister (der Wassergeist, der Hausgeist), getrieben von der Grausamkeit und der zerstörerischen Stimmung, die da herrschte.
Die Erzählung ist ein bisschen pathetisch, von Wehmut durchtränkt, doch ich denke, sie hat so ziemlich den damaligen Seelenzustand der russischen Emigranten getroffen und ist somit gut aufgenommen worden.
Wie oft im Werk Nabokovs eine Anspielung, die mich amüsiert hat:
„Und sind nun alle fort, sind fort, vertrieben von dem wahnsinnigen Landmesser.“ Ich weiß nicht, ob einer der Führungsköpfe der Oktoberrevolution als „Landmesser“ bezeichnet wurde (oder tatsächlich war), aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, ist es eine Anspielung auf die Nationalisierung des Landes im Folge der Oktoberrevolution. Die meisten Emigranten waren gut situierte Leute gewesen, denen man alles (nicht nur Ländereien) entschädigungslos genommen hatte.
Diese Erzählung ist ein wenig niedlich, kann mit Nabokovs späteren Werken, auch mit „Maschenka“ nicht herhalten.
Finde ich auch ;)
Lieben Gruß von
mascha (ich hätte jetzt fast maschenka geschrieben :), die nun Isabel & Co beim Skilaufen begleitet (Der Schlag des Flügels)
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"Der Schlag des Flügels" (1923)
„Sie irren sich. Ich habe keine Heimat“. Nur ganz nebenbei wird Kerns Emigrantendasein erwähnt. Seine Frau ist gestorben. Er schaut sich ihr Gesicht in einer älteren Ausgabe einer Zeitschrift („Tatler“). Warum sie in der Zeitung abgebildet war, wissen wir nicht.
Im Skiurlaub in der Schweiz schwärmt er für eine Engländerin namens Isabel, an die er aber nicht herankommen kann. Kern befindet sich in einer drückenden Stimmungslage. Das wird atmosphärisch in Worten vermittelt:
„In der Ferne schwammen die metallenen Berggipfel im Grabeslicht. Ihm schien es, als habe er für einen Augenblick den Tod gesehen. Er zog die Falten des Vorhangs so eng zusammen, daß nicht ein einziger nächtlicher Strahl ins Zimmer fallen konnte. Aber als er das Licht gelöscht hatte, bemerkte er vom Bett aus, daß der Rand eines kleinen Glasgestells aufleuchtete. Da stand er auf, machte sich lange am Fenster zu schaffen und verfluchte das Mondlicht. Der Fußboden war kalt wie Mamor.“
Das ist eine Passage, die mir besonders gut gefällt, weil sie sehr fein die Stimmung von Kern mit Raum füllt. Besonders aufmerksam skizziert ist der schwache Lichteinfall des Mondes, der ja eine gewisse Kühle ausstrahlt und dann ist der Fussboden so kalt wie Mamor. Das passt alles so herrlich zusammen. Semele, die Mondgöttin, steht mythologischj gesehen mit der Unterwelt in Verbindung und Kern, der depressiv verstimmt ist, will sich sein Leben nehmen.
„Der Tod erschien ihm wie ein ruhiger Schlaf, wie ein sanftes Fallen. Keine Gedanken, kein Herzklopfen, keine Schmerzen.“
Isabel: „Die fliegende Isabel“, da dachte ich natürlich an einen Schmetterling.
„Sie gehört zur Gattung der Glatthäuter. Sie sucht nur flüchtige Beziehungen.“
Was meint Nabokov mit „Glatthäuter“ (ist das ein zoologischer Begriff?)
Kern ist im betrunkenen Zustand, als er Isabels Zimmer betritt. Die Sache mit dem Engel habe ich nicht verstanden. Es mag sein, dass Kern einer Halluzination erlegen ist. Das Raubtier ist dann wohl der Hund, den Kern lauschend schon mal erspäht hatte. Ich werde diese Textstellen noch einmal lesen.
Kerns gedrückte Stimmung und die Erinnerung an seine Frau (Maschenka?), die Melancholie eines Emigranten? Übrigens ist "Tatler" eine Modezeitschrift, die man heute noch abonieren kann. In der Abo-Werbung heißt es:
"TATLER - eine hochwertige Zeitschrift, die über Mode und Schönheit berichtet, Menschen porträtiert und über Musik, Kunst, Theater und Film informiert."
Vielleicht können wir die Sache mit dem Engel noch lüften.:wink:
Liebe Grüße
mombour
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"Der Schlag des Flügels" (1923)
Vielleicht können wir die Sache mit dem Engel noch lüften.
Hallo mombour,
mir bleibt nicht mehr viel übrig, über die Erzählung zu sagen. Die von dir zitierten Stelle fand ich auch wunderbar. Jetzt beim wieder Lesen merke ich, dass da schon vom Tod die Rede ist, d.h. von einer leichten Todesnähe, Todesahnung.
Das ist bestimmt nicht die einzige Spur, die Nabokov hinterlässt, daraufhin müsste ich die Erzählung noch untersuchen.
Das scheint mir deswegen von Bedeutung, weil ich die nächtliche Szene als Traum interpretiert habe. Er wurde von dem steckenden Schlüssel ausgelöst und vermischt Realität, bzw. Gedanken Kerns (die Gitarre, der Hund, der zu schreibende Brief) mit Fantasie (Hund, der sich in einen Engel verwandelt).
Der Engel hat Flügel, einer wird gebrochen - Schicksalsflügel?
Am anderen Tag stirbt jemand (wer das ist, darf kenavo noch nicht wissen ), d.h. der Traum bewahrheitet sich, was nicht nur im Werk von Nabokov öfters vorkommt, sondern auch in seinem Leben.
Ich zitiere einige Stellen aus M. Maar: Solus Rex, Berlin Verlag 2007
„Metaphysik war für ihn [Nabokov] […] nicht Gedankenspielerei, sondern etwas bedrängend und furchtbar Ernstes. Auch das Entziffern der nächtlichen Botschaften war keine Spielerei. Brian Boyd überliefert, Nabokov habe luzide Träume gehabt.“ (S. 81)
(Brian Boyd: Die russischen Jahre 1899-1940, Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg 1999)
So hat er z.B., Jahre bevor er durch das Verkaufen der Rechte für die Verfilmung von L-olita reich geworden ist im Traum den Onkel gesehen, dem er sein erstes Vermögen verdankt. Dieses Vermögen wurde ihm während der Russischen Revolution entrissen. Der Onkel kam also im Traum und meinte, er würde als „Harry und Kuvyrkin“ wiederkehren. Den Scheck für die L-olita-Rechte zeichnete die Filmgesellschaft „Harris and Kubrick“.
Oder 1945 träumt er von Sergej, er sieht ihn „in Agonie in einem deutschen Konzentrationslager. Am Tag darauf kam die Nachricht: Sergej war in Neuengamme gestorben.“ (S. 81)
Auch der Tod des Vaters, „die Urkatastrophe seines Lebens, war der Familie angeblich von einem Medium vorhergesagt.“ (S. 82)
Ob das alles stimmt, sei dahingestellt, die Tatsache aber, dass diese Sachen von Nabokov ernst genommen wurden bleibt und hinterlässt auch in seinem Werk gewisse Spuren.
Findet ihr meine Interpretation annehmbar?? Ich lasse mir natürlich gerne widersprechen ;)
mombour: Zu Glatthäuter habe ich nichts gefunden …
Interessant deine Assoziation: fliegende Isabel = Schmetterling :) , habe ich gar nicht daran gedacht.
Und danke für die Info über TATLER ;)
Lieben Gruß von
mascha
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Aber hallo.. wer rennt mir denn hier davon :)
Ich rekapituliere erst einmal und komme dann zu dem Schlag des Flügels.
° Dank einer Frage von Mascha, habe ich die erste Geschichte noch einmal gelesen und revidiere ganz gerne mein erstes Urteil, dies sei bloß Fantasy und deshalb nichts für mich. Da ich im Nachhinein merkte, dass ich die zweite Geschichte zu schnell gelesen hatte und einiges einfach überlesen hatte, widmete ich mich der ersten doch noch einmal – und komme jetzt doch auch zur Schlussfolgerung von Mombour.. Die Sehnsucht nach der Heimat kleidet er wohl in eine Geschichte, die mir nicht unbedingt behagt – aber ich muss doch auch die Zeit in Betracht ziehen zu der sie geschrieben wird – somit ist das also dann doch ok.
° Da meine Ausgabe chronologisch vorgeht, kommt vor eurer besprochenen Geschichte Der Schlag des Flügels noch
3. Bruits – Klänge (September 1923)
(ich übernehme hier den deutschen Titel der Aufzählung von Mascha – obwohl ich es sehr subtil finde, dass ‚Bruits’ im Französischen zuerst Geräusch, Lärm bedeutet aber als dritte Bedeutung Gerüchte – und auch darum geht es in dieser Geschichte)
Bisher meine liebste Geschichte. Es geht um einen Ich-Erzähler der ein Verhältnis zu einer verheirateten Frau hat und mir ihr gemeinsam einen Bekannten besucht.
Als sie nach dem Besuch wieder zum Haus der Frau gehen, schickt sie ihn unter einem Vorwand zum Freund zurück (ich würde wetten, sie hat bewusst ihr Zigarettenetui vergessen), damit er Zeuge wird, wie dieser sich weinend im Bett liegend befindet – ist es die unglückliche Liebe zur Frau? Aber dies macht keinen Eindruck auf ihn – im Gegenteil, er fühlt sich als Zeuge des Unglücks des anderen regelrecht fröhlich.
Und selbst als er zur Frau zurückkommt und diese ihm sagt, dass sie ihrem Mann die Wahrheit sagen will - aufgrund einiger Leute, die sie wohl zusammen gesehen haben und anfangen werden zu reden, weiß er für sich selber – SO sehr liebe ich sie nicht.
Und mein Lieblingssatz:
Il m’était doux de te perdre (in etwa – es war mir angenehm (süß) dich zu verlieren)
In meiner Ausgabe gibt es im Anhang nicht nur chronologische Daten, Originaltitel, sondern Dmitri Nabokov ergänzt auch manchmal mit einigen persönlichen Fakten – er sagt zu dieser Geschichte, dass sie wohl eine Geschichte über seine Jugendliebe zu seiner Cousine Tatiana Evguenia Segelkranz sein.
° 4 - Un coup d’aile – Der Schlag des Flügels
(Oktober 1923)
Ihr beide habt dazu schon ausgiebig geschrieben und zum Inhalt und zur Deutung bleibt mir kaum mehr etwas mehr zu sagen.
Außer dass mir die Geschichte mit dem Engel auch zuerst rätselhaft (und wieder etwas zu abgehoben :) ) war – aber als er kurze Zeit später keine Spur mehr vom Engel im Schrank fand, es anderntags seinen vermeintlich geschriebenen Brief nicht mehr gab, habe ich es mir auch als alkoholbeeinflussten Traum erklärt.
Ja, in der Tat – schöner Vergleich mit dem Schmetterling und der fliegenden Isabel.
Ihr wisst ja dass mich Sprachen faszinieren – aber hier haben wir nun ein sehr schönes Beispiel, wie Übersetzer ihre eigene Persönlichkeit in einen Text mit hineinbringen.
Der Satz, den Mombour hervorhebt, habe ich auch gefunden.
Sie gehört zur Gattung der Glatthäuter. Sie sucht nur flüchtige Beziehungen
Nur ist in der französischen Übersetzung zu lesen:
Elle est de la race des glisseuses. Elle ne recherche que des frôlements.
Dazu ist es interessant zu wissen, dass ‚glisser’ als Bedeutung z.B. hat: über den Schnee gleiten – was ja hier wie die Faust aufs Auge passt
Ich würde also diesen Satz folgendermaßen sehen:
Sie gehört zur Gattung der ‚Gleitenden’. Sie sucht nur leichte Berührungen.
Das erspart uns also eine Sinnsuche der Glatthäuter :)
Und dabei haben wir jetzt noch nicht mal das russische Original :D
Doch noch etwas vergessen - der 'Tatler' war mir vorher schon ein Begriff - Evelyn Waugh und/oder Somerset Maugham.. ;)
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Hallo Kenavo,
"Der Schlag des Flügels", so ist es in meiner Ausgabe notiert, im Mai 1923 in Berlin geschrieben.(ist letzendlich aber nicht so wichtig, ob im Mai oder Oktober).
Schön wie du die Sache mit Glatthäuter gelöst hast.
"Klänge" lässt mich doch ein wenig ratlos zurück. Erst fühlt er sich in der Liebe zu der Frau so glücklich, dass er sich mit allem eins fühlt, doch, die lockere Entscheidung, sie zu verlassen, nur weil der Ehemann auftaucht, ist doch überraschend, weil dieser Vorgang völlig undramatisch abläuft. Pal Palytsch ist sicher wesentlich mehr verliebt, weil er unglücklich in Tränen ausbricht. Für den Ich-Erzähler scheint es ein etwas unverbindliches Verhältnis gewesen zu sein.
Als "Klänge" können hier die verschiedenen seelischen Zustände der Personen gemeint sein. Der Unglückliche Palytsch, die völlig verliebte Frau und dann der Erzähler.
Der einleitende Teil bis zum ersten größeren Absatz finde ich sprachlich am stärksten (die Bach-Fuge usw.) Danach fließt der Sprachduktus doch meist recht konventionell dahin.
Liebe Grüße
mombour
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Hallo zusammen,
wie schon angedeutet, lese ich parallel zu den Erzählungen
M. Maar:
Solus Rex – Die schöne böse Welt des Vladimir Nabokov
Berlin Verlag 2007
Wenn ich Bezüge zu unseren Erzählungen finde, werde ich sie als Exkurse kennzeichnen.
@kenavo: wie schön du die Glatthäuter verwandelt :) hast Da sieht man, wie sehr wir auf die Übersetzer angewiesen sind.
Klänge
@mombour: ja, den Anfang fand ich auch schön, aber den Rest irgendwie linkisch, stilistisch holprig. Komischerweise ging es beim Wieder Lesen besser. Irgendwie sind das Erzählungen, die sich nicht unbedingt beim ersten Mal eröffnen (winke kenavo assignid_52268975
Gelungen fand ich hier wieder mal die subtile Art, die Beziehungen zwischen den Personen, bzw. ihr Seelenzustand zu ermitteln.
Übrigens, habt ihr auch den Verdacht, dass Pal Palytschs Einladung erfunden war und sie den Ich-Erzähler nur zu einem bestimmten Zweck mitgeschleppt hat?
Herrlich schräg fand ich auch das Bild in dem er Palytschs „Heilung“ zeigt: Ein anderer Pal Palytsch kräuselte sich schwarz und zitternd im Wasser. (S. 69)
Klänge ist ein schöner Titel, passt auch zum „Einklang“ des Ich-Erzählers mit der Natur, in ein paar schönen Passagen geschildert.
Exkurs: Dieses Grundgefühl, das etwas „Zerfließendes hat und zwischen zwei Polen oszilliert“ nennt M. Maar in „Solus-Rex“ das Medusen-Gefühl.
Der eine Pol wäre der, den wir auch in der Erzählung Klänge finden: Einigung mit der Natur, Gefühl der Allsympathie, das die Ich-Grenzen lustvoll überschwemmt. Das ist z.B. auch bei Goethes Werther zu finden. (auch bei Nabokov weiter in den Erzählungen Götter und Träger Rauch)
Der andere Pol des Medusen-Gefühls ist das Gegenteil des oberen: die Verbindung des Ich zur Welt kollabiert, Wörter werden zu absurden Hüllen, die Begriffe zersetzen sich. (siehe auch Werther am Ende) Hier wird eine Parallele zu Hugo von Hofmannsthals Brief des Lord Chandos gezogen, das das berühmte Bild der Wörter prägt, die wie modrige Pilze im Mund zerfallen. Bei Nabokov ist das z.B. in der Erzählung Entsetzen zu finden.
Ja und zwischen diesen zwei Extremen bewegt sich das innere Ich Nabokovs, das Ich seiner Werke, auf dessen Suche sich Maar in diesem Buch macht.
Lieben Gruß von mascha, die sich demnächst um die Götter kümmert ;)
PS: Meine beiden HC-Bände sind unterwegs
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Liebe Mascha - dank dir erst einmal für deinen Kommentar - du bist ja wirklich sehr gewissenhaft und 'fleißig' - aber das macht auch alles sehr viel Spaß und ich finde es sehr interessant wie all diese Häkchen ineinander passen.
Auf der anderen Seite kann ich aber noch keine neue Geschichte als gelesen vermelden - der Job und zuhause halten mich derzeit etwas auf Trab.. aber ich werde nicht verzagen und an diesem Projekt dran bleiben :)
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Götter
Mal wieder eine vielschichtige Erzählung, die sich nicht so einfach zusammenfassen lässt. Es geht um ein trauerndes Paar und ihren Versuch, über den Verlust eines Kindes hinwegzukommen.
Das erfährt man aber nach und nach. Den Anfang fand ich wunderbar: eine trauernde Frau wird durch das, was sich in ihren Augen spiegelt eingeführt: eine leere, verregnete Straße, nachts, trübe Regenluft. Auf diesem Hintergrund erscheint dann auch der Ich-Erzähler.
Die Frau bleibt auch weiterhin im Hintergrund, um die etwas verdächtige Begeisterung des Mannes für alle und alles ins richtige Licht zu rücken. Er ist von der Ekstase des Lebens durchflutet, er spürt in seinem Blut das Kreisen des Universums (siehe das „Medusengefühl“ oben), der Bettler hält ihm einen Maiglöckchenstrauß entgegen, alles leuchtet usw.
Zum ersten Mal in diesen Geschichten begegnen wir wortwörtlich auch einem Schmetterling. (Symbolisch hatten wir ihn ja schon in Der Schlag des Flügels)
Auf dem Weg zum Friedhof versucht er, sie durch Hinweise auf die Herrlichkeit des Lebens abzulenken, aber auch durch Märchen.(Märchenspuren findet man öfters bei Nabokov.) Ich fand sie beide sehr schön, sowohl das um die Zypresse und den Mandelbaum als auch das über den ersten Ballonflug und das goldene Ei.
Herrlich fand ich auch die Beschreibung der Fahrt mit der U-Bahn mit Anspielungen auf Dantes „Göttliche Komödie“:
Wir steigen auf breiten Stufen hinab in die langen, düsteren unterirdischen Gewölbe. […] Die grauen Wände sind mit Darstellungen von strahlenden Sündern bemalt. Aus der Tiefe wächst in schwarzen Wellen ein samtenes Dröhnen empor. […] Ich bin sicher, sie reden in Terzinen. Und deine Nachbarin […] ist das nicht Beatrice? Aus der feuchten Hölle treten wir wieder in die Sonne hinaus.
Und dann mein Lieblingssatz: Du und ich werden einen neuen goldenen Sohn haben. Er wird entstehen aus deinen Träumen und meinen Märchen.
(S. 98 )
Es war mir in dieser Erzählung zu viel Gold eingestreut, doch da sie sozusagen im siebten Himmel spielt, ist das vielleicht erlaubt.
Habt ihr die violetten Farbtupfen bemerkt? Das ist eine von Nabokovs Lieblingsfarben. Sie kommt auch in den anderen Erzählungen vor.
Exkurs (S. 86-88 ): Nicht der Tod eines Sohnes, sondern der Tod des Vaters von Nabokov steht im Hintergrund dieser Geschichte. Deshalb hat sie einen falschen Ton, stimmt psychologisch nicht.
Das eigentliche Thema sei das Thema von Sohn und vergöttertem Vater und würde in der kleinen Binnen-Novelle um den Ballonflug stecken.
Der Sonnenmythos des Ballonmärchens wird dem trauernden Elternpaar zum Trost. Auch des Erzählers Herz sei durch die Abendröte geflogen [..] und auch ihnen solle ein neuer goldener Sohn geboren werden.
(S. 88 )
(Diese Verbindung ist mir entgangen …)
Nabokov erzählt für den Verstorbenen:
Er hört es doch, ganz gewiß hört er meine Märchen. Ich erzähle doch für ihn. Für Worte gibt es keine Schranken. Versteh das doch!
Wahrscheinlich war das die Quelle, aus der er seine sprudelnde Produktion nach dem Tod des Vaters bezieht: 12 Erzählungen, 5 Stücke und 80 Gedichte in nur 2 Jahren. (alles unter dem Pseudonym Sirin)
Das Wort Gott verschwindet aus seiner Lyrik. Und es beginnt die Scharade der Geister. *winke kenavo*
FAZIT: wieder mal eine nicht so einfach gestrickte Erzählung, die zu entziffern sich lohnt
Lieben Gruß von mascha, die sich nun an die „Rache“ macht.
PS: kenavo – das klingt nicht gut, ich hoffe du kannst bald wieder deine Ruhe finden, ich denke an dich!
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RACHE
Die vorher erwähnte Scharade der Geister zieht schon in diese Erzählung ein.
Es ist eine Schauergeschichte, die erste ihrer Art, in der eine junge Frau grausam bestraft wird, weil sie ihren Mann mit einem … Gespenst betrügt.
Zum ersten Mal werden hier auch Figuren wortwörtlich aus der Erzählung entlassen.
Und auch zum ersten Mal wird hier ein Nymphchen, eine Vorläuferin L-olitas porträtiert.
Eine gewisse Komik hat die Erzählung auch, wenn man bedenkt was der Mann in seinem orangenen Koffer trägt: Einen Garderobenständer eigener Art … […] Unerläßlich für jeden Menschen. ;D
Und Ironie ist auch dabei …
Alles in allem, hat diese Erzählung einen neuen Ton. Sie hat mir sehr gut gefallen.
PS:
1. Habt ihr die „violetten Streifen“ des Seidenkissens bemerkt? ;)
2. Was sind diese „knisternden Zeitungslaken“, die der Professor kauft?? Eine Metapher für „Zeitungen“ oder wieder mal eine poetische Übersetzung?
Lieben Gruß von
mascha
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5. Les dieux - Götter
Oktober 1923 (auf Französisch zum ersten Mal in diesem Band Erzählungen erschienen)
Meine bisher liebste Geschichte, was die Sprache anbelangt! Ein Genuss!!
Mir hat auch diese Eröffnungsszene mit den Augen der Frau und dem, was sich in ihnen spiegelt, gefallen.
Die vielen schönen Anspielungen auf die Natur, wie schön alles sei.. und die sich fortbewegenden Bäume – da dachte ich zuerst – jetzt driftet er wieder ab :) aber der Ton ist so leicht, locker, da fand ich es in Ordnung – und vor allem als er dann von den Häusern spricht, die Hüpfen spielen (er spricht von ‚saute-mouton’, was in deutsch Bockspringen bedeutet), dachte ich mir – er ‚fabuliert’ als ob er an einem Krankenbett von einem kleinen Kind stehen würde um dieses aufzuheitern.. wandernde Bäume.. hüpfende Häuser.. und nach und nach kommt man natürlich zu der traurigen Tatsache, dass dieses Kind, dem er das erzählt, tot ist.
In der Szene mit der U-Bahn hat mir vor allem die Stelle gefallen, wo er von den weit aufgerissenen Augen der Dämonen in der Dunkelheit spricht – die man allerdings auch für die Zigarren halten könnte, von denen die mit ihnen gehen… so als ob er mir, die ich ja nichts von Dämonen oder ‚Fantasy’ hören will, gleich eine logische Alternative für seine Bilder anbieten würde ;)
Meinen Lieblingssatz hast du auch als den deinen herausgehoben:
mascha>Und dann mein Lieblingssatz: Du und ich werden einen neuen goldenen Sohn haben. Er wird entstehen aus deinen Träumen und meinen Märchen.
allerdings mit einem großen ABER : steht auf deutsch wirklich Träumen? Denn im Französischen ist es: mit deinen Tränen – und das ergibt für mich ja dann einen etwas anderen Sinn..
1. Danke auch für den Hinweis auf seine Vorliebe für Violett (der Mann wird mir direkt sympathisch ;) - der violette Asphalt ist mir komisch vorgekommen, hätte allerdings nicht sofort geschaltet dass es sich dabei um seine Lieblingsfarbe handelt
mascha>2. Was sind diese „knisternden Zeitungslaken“, die der Professor kauft?? Eine Metapher für „Zeitungen“ oder wieder mal eine poetische Übersetzung?
2. Sorry.. in meiner Übersetzungen gibt es nur einmal die Erwähnung von Zeitungen - nirgendwo knisternde Zeitungslaken.
Ist es der Teil mit der alten Zeitungsverkäuferin deren blaue Augen ein wenig verrückt sind? ;)
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Auf die Rache musst du noch etwas warten - in meinem Buch gibt es zwischen den Göttern und der Rache noch 2 andere Geschichten:
Jeu de hasard (Glücksspiel)
Le port (der Hafen)
(gut Ding will Weile haben ;) )
(Jeu de hasard habe ich zwar schon gelesen.. aber davon kommt morgen oder übermorgen mehr)
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In der Szene mit der U-Bahn hat mir vor allem die Stelle gefallen, wo er von den weit aufgerissenen Augen der Dämonen in der Dunkelheit spricht – die man allerdings auch für die Zigarren halten könnte, von denen die mit ihnen gehen… so als ob er mir, die ich ja nichts von Dämonen oder ‚Fantasy’ hören will, gleich eine logische Alternative für seine Bilder anbieten würde ;)
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Meinen Lieblingssatz hast du auch als den deinen herausgehoben:
mascha>Und dann mein Lieblingssatz: Du und ich werden einen neuen goldenen Sohn haben. Er wird entstehen aus deinen Träumen und meinen Märchen.
allerdings mit einem großen ABER : steht auf deutsch wirklich Träumen? Denn im Französischen ist es: mit deinen Tränen – und das ergibt für mich ja dann einen etwas anderen Sinn..
Stimmt, sorry, es sind Tränen!!
mascha>2. Was sind diese „knisternden Zeitungslaken“, die der Professor kauft?? Eine Metapher für „Zeitungen“ oder wieder mal eine poetische Übersetzung?
2. Sorry.. in meiner Übersetzungen gibt es nur einmal die Erwähnung von Zeitungen - nirgendwo knisternde Zeitungslaken.
Ist es der Teil mit der alten Zeitungsverkäuferin deren blaue Augen ein wenig verrückt sind? ;)
Nein, keine Verkäuferin, die kommt in "Güte" vor. In Rache kauft er einfach 2 Bananen und knisternde Zeitungslaken
Ich freue mich, dass dir die Erzählung auch so gut gefallen hat.
Lieben Gruß von
mascha
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Da ich in den nächsten 2 Wochen weniger Zeit habe, arbeite ich ein bißchen vor:
GÜTE
Die Rahmengeschichte: ein Bildhauer verabredet sich mit seiner Geliebten und wartet vergebens.
Das ist, glaube ich nur die Verpackung, um den Ich-Erzähler zum Brandenburger Tor zu schicken und uns Einblicke in das Geschehen da zu gewähren.
Im Mittelpunkt steht die Verkäuferin an einem Straßenstand. Sie sitzt da auf ihrem Hocker, friert in ihren Watscheltstiefelchen und ihrer Überjacke aus gelbem Plüsch und … hofft in jedem Vorbeigehenden einen potentiellen Käufer zu finden, auch wenn sie es nicht zugibt.
Ein sehr liebevoll gezeichnetes Porträt im Gegenzug zu dem windigen, regnerischen Tag.
Sie ist es auch, die von „Güte“ profitiert, eine einfache, aber so bedeutende Geste.
Das wirkt wiederum wie eine Art „Epiphanie“ auf den Ich-Erzähler, der mal wieder seine Freude an dieser guten Welt entdeckt und bezeugt. Na ja.
Schön dann am Ende die Fahrt mit der S-Bahn im Rhythmus der pochenden Kastanien.
Und eine Frage: Ist „Sächelchen“ ein übliches Diminutiv? Noch nie gehört …
PS: Was die Beziehung Nabokov – Deutschland betrifft, aber auch um einfach mehr über Nabokovs Berliner Jahre zu erfahren, möchte ich euch folgendes Buch ans Herz legen:
Dieter E. Zimmer
Nabokovs Berlin
Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2001
Es ist ein Text- und Bildband wenn man will auch über das Berlin der 20-er und 30-er Jahre. Es beinhaltet u.a. kurze Ausschnitte aus dem Werk Nabokovs untermalt mit Bildern aus dem Berlin jener Jahre. Neben dem Bild des Brandenburger Tors steht diese Erzählung. Der Verkaufsstand kommt leider auf dem Photo nicht vor ;)
DIE HAFENSTADT
Wieder mal eine Emigrantengeschichte, diesmal spielt sie in einer südfranzösischen Hafenstadt.
Nikita ist ein ehemaliger Offizier der über Konstantinopel nach Südfrankreich gekommen ist.
Dass das Leben in Konstantinopel nicht berauschend war wird nur kurz angedeutet: Nikita hat keine Angst vor Flöhen, „Konstantinopel … Baracken … Was glauben Sie wohl …“
Nach den üblichen Amtsgängen sucht er als erstes ein russisches Restaurant, wo er sich gleich heimisch fühlt, alles um ihn herum beschwor „den liebevollen russischen Provinzalltag“.
Mit der Heimat noch im Herzen, ist er auch in Frankreich ständig auf der Suche danach und glaubt sie auch da zu finden, wo sie vielleicht gar nicht ist. Oder doch? ;)
PS: Ich stolpere in letzter Zeit immer wieder über solche Sachen: habt ihr schon mal das Diminutiv „Dämchen“ gehört?? (Zumindest Word streicht es nicht an … *grübel*)
Lieben Gruß von
mascha
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Nein, keine Verkäuferin, die kommt in "Güte" vor. In Rache kauft er einfach 2 Bananen und knisternde Zeitungslaken :)
Sorry ;) ich hatte mich in deinem Beitrag vertan und irrtümlich den Bezug mit der Zeitung auf "Götter" genommen... :)
(ältere Damen sollten abends ins Bett und nicht vorm Compi hängen ;D )
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Hallo mascha und kenavo,
endlich finde ich wieder Zeit weiterzulesen und bin besonders angetan von "Götter" und "Güte".
In "Götter" die raffinierte Perspektive, in der der Mann in die Augen der Frau schaut, sich daraus die Erzählung entwickelt. Dieses Gefühl, seid umschlungen Millionen, ist zu finden in dem schon von mascha erwähnten Satz:
"Ich spüre in meinem Blut das Kreisen des Universums."
Auch in "Güte" eine Weltumarmung:
"Da auf einmal wurde ich der Zärtlichkeit der Welt gewahr, der tiefen Güte all dessen, was mich umgab, der wohltuenden Verbindung zwischen mir und allem Seienden -..."
Dazu passt auch folgendes Zitat aus "Götter":
"Wenn du lachst, möchte ich die ganze Welt zu deinem Spiegel machen."
Das ist schon fast ;), auch wenn Nabokov sich nicht darauf beziehen wollte, Buddhismus. Im Buddhismus ist der Mensch mit dem ganzen Kosmos verbunden, der Buddhist sieht in anderen Menschen immer einen Teil seines eigenen Selbstes (mal unprofessionell formuliert.)
Auf die oben zitierte Stelle aus "Güte", bezieht sich der Nabokov-Biograf Boris Nossik, dass Nabokov nach dem Tod seines Vaters seinen Glauben an Gott nicht verloren hat (ein anderer Biograf, Andrew Field, glaubt, das Vladimir sich nach dem Tod seines Vaters von Gott abwandte, Nossik, Seite 148 ). Die ganze Stimmung, die aus dieser Geschichte herüberstrahlt, dieses friedvolle, die Beobachtungen des Erzählers, in den einfachen Dingen des Lebens etwas wunderbares entdecken - all das, hat mir sehr gefallen. In dieser Erzählung klingt auch die "Maschenka"-Thematik an.
Die "Götter" habe ich zweimal gelesen. Erst dann, habe ich mitbekommen, dass die Frau um ihren Sohn trauert (aufmerksame Leser sind hier gefragt).
Noch etwas zu raffinierten Perspektiven:
aus "Rache" (gleich zu Beginn):
"...der ganze Strand und die ferne Reihe der Hotels drehten langsam ab, schwammen davon im Türkisdunst des Herbsttages."
Solch Raffinesss mag ich. Die Perspektive verdreht und habe doch gemerkt, es spielt sich auf einem Schiff ab. Die Inhalt der Geschichte ist durchaus reizvoll. Erstmals haben wir auch einen richtigen Plot.
Danke, mascha, für deine herrlichen Literaturhinweise.
Liebe Grüße
mombour
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Das ist schon (fast ;) ), auch wenn es Nabokov sich nicht darauf beziehen wollte, Buddhismus. Im Buddhismus ist der Mensch mit dem ganzen Kosmos verbunden, der Buddhist sieht in anderen Menschen immer einen Teil seines eigenen Selbstes (mal unprofessionell formuliert.)
Gut dass du darauf hinweist - hatte ich gestern doch noch ganz vergessen (diese Geschichten sind wirklich vielschichtig und machen richtig Spaß :) ) - bei den ganzen - begeisternden - Naturbeschreibungen dachte ich - hoppla - Herr Nabokov ist Pantheist!? ;)
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Auch in "Güte" eine Weltumarmung:
Schöne Formulierung ... :)
Das ist schon fast ;), auch wenn Nabokov sich nicht darauf beziehen wollte, Buddhismus. Im Buddhismus ist der Mensch mit dem ganzen Kosmos verbunden, der Buddhist sieht in anderen Menschen immer einen Teil seines eigenen Selbstes (mal unprofessionell formuliert.)
... trotzdem kann ich mit zu viel Überschwenglichkeit nicht viel anfangen
Auf die oben zitierte Stelle aus "Güte", bezieht sich der Nabokov-Biograf Boris Nossik, dass Nabokov nach dem Tod seines Vaters seinen Glauben an Gott nicht verloren hat (ein anderer Biograf, Andrew Field, glaubt, das Vladimir sich nach dem Tod seines Vaters von Gott abwandte, Nossik, Seite 148 ).
Lohnt sich die Biographie?
Die "Götter" habe ich zweimal gelesen. Erst dann, habe ich mitbekommen, dass die Frau um ihren Sohn trauert (aufmerksame Leser sind hier gefragt).
Vielleicht ist das auch ein Zeichen dafür, dass die Psychologie nicht stimmt. Maar meint dazu:
Um die Fiktion vom Erlebten fernzurücken, hat der Autor die Generationen gespiegelt und aus einem toten Vater einen toten Sohn gemacht. Damit stimmt es psychologisch nicht mehr [...] Als er später selbst ein Kind hatte, gab Nabokov dem Thema ganz andere Akzente. Bei Adam Krug löst der Tod des Sohns nicht Lyrisme über Kamele, sondern folternden Wahnsinn aus. (S. 87 )
Nichtsdestotrotz fand ich die Idee und die Umsetzung der Geschichte einfach wunderbar!
aus "Rache" (gleich zu Beginn):
"...der ganze Strand und die ferne Reihe der Hotels drehten langsam ab, schwammen davon im Türkisdunst des Herbsttages."
Solch Raffinesss mag ich. Die Perspektive verdreht und habe doch gemerkt, es spielt sich auf einem Schiff ab. Die Inhalt der Geschichte ist durchaus reizvoll. Erstmals haben wir auch einen richtigen Plot.
Jaaaa, das musste ich auch 2 Mal lesen um darauf zu kommen ;)
Lieben Gruß von
mascha
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Hallo mascha,
Ich habe Nossiks Biografie bisher nur als Nachschlagewerk benutzt, aufgefallen ist mir, dass manche Werke Nabokovs nicht in der üblichen deutschen Übersetzung übersetzt sind. Das irritiert. beim gelegentlichen Nachschlagen. Auch mit den Jahreszahlen, wann was passiert ist, kam ich beim Stöbern in diesem Buch ins schleudern. Ich habe mit Vergnügen die Biografie aus rowohts-monografien von Donald E. Morton gelesen. Hier stehen kurz und bündig wertvolle Informationen drin. Dieter E. Zimmer sagt über die Biografie von Boris Nossik Meisterwerk der Schluderei (http://www.d-e-zimmer.de/HTML/1997nossik.htm). Also, bleibe lieber bei Boyd, woraus auch Nossik teilweise abgekupfert hat. ;D
Das ist schon fast ( ;) ), auch wenn es Nabokov sich nicht darauf beziehen wollte, Buddhismus. Im Buddhismus ist der Mensch mit dem ganzen Kosmos verbunden, der Buddhist sieht in anderen Menschen immer einen Teil seines eigenen Selbstes (mal unprofessionell formuliert.)
... trotzdem kann ich mit zu viel Überschwenglichkeit nicht viel anfangen :(
Ich interpretiere das nicht mit Überschwenglichkeit. Es bedeutet nur, der Mensch ist mit der Natur verbunden - sich eins fühlen mit dem Kosmos.
Im Thomasevangelium gibt es eine bemerkenswertes Zitat::shock:
Thomas zu Jesus:
Wer bist Du?
Jesus zu Thomas:
Ich bin Du!
bei den ganzen - begeisternden - Naturbeschreibungen dachte ich - hoppla - Herr Nabokov ist Pantheist!? ;)
Nabokov redet aber nicht von Gott. Dieses Einssein im Gefüge der Welt muss ja nicht gleich Pantheismus sein. Dieses Gott ist Natur und Natur ist Gott finden wir bei Spinoza, Schelling, Goethe. Meines Erachtens ist das etwas anderes als das, was Buddhisten unter Einheit verstehen, weil es im Buddhismus keinen Gott gibt. ;)
Liebe Grüße
mombour
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6. Jeu de hasard - Glücksspiel
geschrieben Anfang 1924 - veröffentlicht am 22 Juni 1924 (Anmerkung von Nabokov selber dazu in meinem Buch im Anhang)
'Jeu de hasard' ist im Französischen ein feststehender Begriff wofür es die deutsche Übersetzung 'Glücksspiel' gibt - interessant hierbei finde ich allerdings, dass im Deutschen mit dem 'Glück' gespielt wird und im Französischen mit dem 'hasard' = Zufall ;)
Und in dieser Geschichte geht es wirklich um Zufall.. einen bösen Streich des Zufalls - und nicht nur 1x sondern gleich 3x lässt Nabokov seine unglücklichen Protagonisten aneinander vorbei laufen.
Es geht um ein Ehepaar wo der Mann schon einige Zeit vor der Revolution aus Russland wegging und die Frau konnte jetzt auch fliehen und befindet sich in einem Zug nach Paris. Seit Jahren ohne Nachricht von ihrem Mann ist sie auf dem Weg zu Verwandten und hofft auf Nachrichten von ihrem Mann. Nicht ahnend dass dieser sich unter dem Küchenpersonal im selben Zug befindet!
Dieser ist inzwischen dem Kokain verfallen und hat wohl die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner Frau aufgegeben.
Während wenigen Seiten lässt Nabokov drei Gelegenheiten aufkommen, wo der Leser davon ausgehen kann - ja, jetzt müssen sie sich begegnen.. aber er lässt das 'Schicksal'.. den Zufall dazwischen kommen.. und somit ist diesen Menschen auch drei Chancen nicht genug um sich zu finden.. und die Geschichte endet ohne jegliche Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Emigration, Verlust der Heimat, die Sprache, immer wieder die Sprache, die Verliebten die sich nicht mehr finden und zum ersten Mal auch Drogen.. ich bin immer mehr gefangen in seinem Universum und bin gerade dabei mich in diesen Schriftsteller zu verlieben ;)
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7. Le port - Der Hafen/Die Hafenstadt
geschrieben Anfang 1924 - erschienen am 24 Dezember 1924
Ich bin durch andere Lektüre gerade durch Isabelle Eberhardt bei dem französischen Reisejournalist Albert Londres gelandet und beschäftige mich durch beide seit wenigen Tagen mit Marseille. Somit konnte es nicht ausbleiben, dass ich gleich zu Beginn dieser Geschichte an eben diese Stadt dachte. Und was lese ich jetzt in den Notizen im Anhang - diese Geschichte ist teilweise autobiographisch weil Nabokov bei einem Besuch in Marseille ;) von eben diesem russischen Restaurant so begeistert war und mehrmals zurückkehrte - und unter anderem dort auch von zwei russischen Matrosen gefragt wurde, ob er sich nicht für Indochina einschiffen wolle!
Sprachlich ist diese Geschichte auch wieder ein wahrer Genuss und seit Mascha mich auf die Farbenvorliebe von Nabokov aufmerksam gemacht hat, sehe ich überall lila, violett,.... :)
'Dämchen' kenne ich von keinem anderen Texten - und hier begegne ich dieser ganz sicher nicht - 'Demoiselle' ist die durchaus richtige Bezeichnung für eine junge Dame/ein Fräulein ;)
Nabokov redet aber nicht von Gott. Dieses Einssein im Gefüge der Welt muss ja nicht gleich Pantheismus sein. Dieses Gott ist Natur und Natur ist Gott finden wir bei Spinoza, Schelling, Goethe. Meines Erachtens ist das etwas anderes als das, was Buddhisten unter Einheit verstehen, weil es im Buddhismus keinen Gott gibt ;)
Absolut einverstanden.. ich hatte nicht bedacht, dass die ‚offizielle’ Erklärung von Pantheismus etwas anders ist als jene, die ich mir als Teenager zurecht gelegt habe – meine Abkehr von Gott mit 14 Jahren hat mich nämlich vom Pantheismus zum Buddhismus gebracht, wobei ich für mich selber Gott aus der Gleichung Pantheismus schon herausgenommen hatte ;D
Und wie sagt die kanadische Schriftstellering Mavis Gallant so schön: Kurzgeschichten sind keine Kapitel von Romanen. Man soll sie nicht eine nach der anderen lesen als ob eine Geschichte der anderen folgt. Lesen Sie eine. Schließen Sie das Buch. Lesen Sie etwas anders und kommen später zurück. Die Geschichten können warten.
In diesem Sinne wird die Rache etwas warten…..
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8. La Vengence - Die Rache
(geschrieben im Frühling 1924)
Mascha hat diese Geschichte schon vorgestellt und dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.
Mir hat vor allem diese Eröffnungsszene gefallen – und auch das von Mascha erwähnte ‚Herauskomplimentieren’ der Figuren war als Einmischung des Autors stimmig
Zum ersten Mal werden hier auch Figuren wortwörtlich aus der Erzählung entlassen.
1. Habt ihr die „violetten Streifen“ des Seidenkissens bemerkt? ;)
JA – ich bin während der Lektüre ja schon immer gespannt darauf, WO die Farbe auftaucht ;)
2. Was sind diese „knisternden Zeitungslaken“, die der Professor kauft?? Eine Metapher für „Zeitungen“ oder wieder mal eine poetische Übersetzung?
Im Französischen ist das wieder etwas anders – und wäre mir daher nicht so aufgefallen
„...des journaux craquants et vastes comme des draps...“
...Raschelnde Zeitungen, gross wie Bettlaken...
In meinem französischen Forum habe ich in einer Diskussion über Nabokov seine ‚Vorliebe’ für das Thema Schmetterling erwähnt und dort meinte jemand, das sei auch so ein durchwegs immer wieder auftauchender ‚Spleen’ von ihm ..
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Noch etwas zu raffinierten Perspektiven: aus "Rache" (gleich zu Beginn): "...der ganze Strand und die ferne Reihe der Hotels drehten langsam ab, schwammen davon im Türkisdunst des Herbsttages."
Ja genau .. er arbeitet wirklich mit vielen kleinen Details die seine 'kurzen' Geschichten sehr vielschichtig machen.. und es ist eine wahre Freude sie zu lesen - vor allem auch aufmerksam zu lesen
Besonders für eine Schnell-Leserin wie mich eine echte Herausforderung - aber jede Geschichte ist für mich ein echter Gewinn....
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9. Bonté - Güte
(geschrieben März 1924)
Mascha hat dazu nicht nur schon einiges geschrieben, aber sie hat sie vor allem auch gut zusammen gefasst: Naja ;)
Und das wäre es dann auch für mich!
Naja.
Ich habe noch letztens zu Dora gesagt, dass ich dieses Buch so lange hinziehen will, wie möglich - die Geschichten sind schön und gut wie Bonbons die man geniessen will.. aber diese ist dann doch eher schwach.. aber ich will auch nicht zu kritisch sein - bisher gab es schon tolle Momente.. ich bin schon gespannt auf das was noch kommen wird :)
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Der Kartoffelelf, 1924
Wenn die Geschichte wirklich so boshaft ist, wie ich es versucht bin zu deuten, na, dann mannoman...Ich habe gegoogelt und gelesen, Michael Maar deutet die Geschichte im Vergleich zu Thomas Manns Erzählung „Der kleine Herr Friedemann“. Nabokov konnte Thomas Mann nicht ausstehen, und habe die Geschichte um den Herrn Friedemann ins bösartige karikatiert. Ist es bei Thomas Mann eine Erzählung über menschliches Leid, wird in Nabokovs Geschichte mit dem Zwerg ein bösartiger Spott getrieben, und er erliegt seinen illusionären Wünschen. Er nimmt die Umgebung nicht wahr, wie sie wirklich ist, bzw. wird von der Welt oder um die Welt betrogen.
Fred Dobson, der Zwerg, hat eine dicke Nase wie eine Kartoffel, wird mit einer grauen Maus verglichen, also mit einem Wesen, für den sich niemand interessiert, bez. den man übersieht. Auf der Suche nach einem weiblichen Wesen, landet er schließlich auf dem Schoß von Nora, der Frau eines Zauberers, für den auch der Zwerg arbeitet. Er verliebt sich in Nora, und glaubt, das Nora ihn auch liebt, was aber nicht stimmt.
Ich gehe jetzt inhaltlich nicht so sehr ins Detail. Worauf ich hinauswill ist, die Erzählung ist auch eine Spiel mit Trug und Täuschungen (man denke auch an die Szenen, wenn der Zauberer mit Tricks, seine Frau täuscht).Er täuscht sie mit ziemlich gemeinen Tricks, er spielt ihr Trugbilder vor, die schon verwerflich sind. Der Zwerg lässt sich von Nora so gewaltig in die Irre führen, dass er daran verenden muss. - oder, Nora kann nichts dafür, nur der Zwerg interpretiert aufgrund verfehlter Wahrnehmung. Es ist ein Spiel mit Täuschungen. Nabokov ist hier der Zauberer, wie man auch Thomas Mann (im anderem Sinne) als Zauberer bezeichnet hat.
Ich könnte sicher noch vielmehr herausholen, wenn die den Friedemann kennen würde. Es ist aber schön, wie ein Buch zum nächsten Buch führen kann. Das ist ein wunderbarer Effekt des Lesens. Bei Thomas Mann endet die Geschichte mit Selbstmord, Nabokov kostet das Ende des Zwerges sehr gemeingenüsslich bis ins grotesk verzerrte Finale aus.
Eine Frage. Ich bin ja auch Täuschungen erlegen. Ist Nora bösartig, oder scheint es mir nur so?
Liebe Grüße
mombour
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10. Détails d'un coucher de soleil (Einzelheiten eines Sonnenuntergangs)
Juni 1924
Man soll die Hoffnung mit mir nie aufgeben. Da bin ich also wieder - fast auf den Tag genau, ein Jahr später - an der Lektüre von Nabokov.. und ich bin auch gleich wieder so begeistert wie vor einem Jahr!
Der Notiz im Anhang entnehme ich die Information dass diese Geschichte zuerst mit einem anderen Titel veröffentlicht wurde (Katatsrofa) und Nabokov meint lapidar er fühle sich nicht für diesesn Titel verantwortlich, habe sie also umbenannt - und damit gleich eine dreifache Wirkung :
°der Hintergrund der Geschichte spiegelt sich gut darin wieder
°dieser Titel mache Leser neugierig die Beschreibungen überspringen würden und
°er würde damit die Kritiker ärgern
Was nun die Geschichte anbelangt, finde ich dass er in der Tat hier einen sehr guten Titel gefunden hat. Nicht nur seine Landschaftsbeschreibungen sind wieder vom Feinsten, er deutet auch auf ein Ereignis hin das sich in der Geschichte abspielt und das ich natürlich nicht nennen werde da ich anderen Lesern nicht vor der Lektüre die Pointe verraten kann.
Mark heisst der ‚Held’ dieser eher traurigen Geschichte. Mark der sich kurz vor seiner Hochzeit mit Klara befindet. Klara von der man zwar tuschelt sie sei noch bis vor kurzem verliebt gewesen, aber der Auserwählte ist über Nacht verschwunden und hat Mietschulden und ein gebrochenes Herz hinterlassen. Mark der sich glücklich wähnt dass Klara ihn auserwählt hat um ein gemeinsames Leben aufzubauen.
Auf nur 7 Seiten entwirft er ein Naturpanorama mitten in der Stadt was wunderschön zu lesen ist und lässt darin auch noch eine Tragödie ‚auftreten’.
Ich freue mich auf die folgenden Geschichten (wobei ich hoffe dass es nicht zwischen jeder von ihnen eine Pause von einem Jahr geben wird ;) )
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Hallo kenavo,
ich habe die Erzählung auch gerade gelesen und verrate die Pointe nicht. Aufallend, Nabokov erwähnt sehr oft Farben. Sehr schön fand ich (abgesehen von dem Sonnenuntergang) das knisternde Spiel der Funken auf dem Fahrdraht einer Straßenbahn. Ein herrliches Kleinod zwischen Glück und Tragik.
Vor dieser Erzählung ist in meinem Band noch "Zufall". Gibt es die Geschichte in deinem Band?
"Zufall" (1924)
Tragische Geschichte eines Emigranten, der 1919 aus Russland geflohen sind, weil sie hinter ihm her waren. Seine Frau Lena ist in Russland geblieben, in Odessa hatten sie sich verpasst. Nun hat Lushin, der Emigrant, sich durch diverse Jobs geschlagen und ist nun Kellner im Speisewagen eines Zuges. Er ist völlig deprimiert, weil er seine Frau vermisst und wohl niemals wieder sehen werde. Im Grunde genommen hat er mit seinem Leben abgeschlossen.
Und dann passiert es. In einem Zug von Berlin nach Paris befinden sich beide, Lushin und Lena. Was dann passiert, verrate ich mal nicht.
Wie in "Maschenka", melancholische Geschichte über einen Emigranten, der seine große Liebe niemals wieder sieht. Natürlich, "Maschenka" finde ich bedeutend besser, und das hat aber nichts damit zu tun, weil diese Erzählung viel kürzer ist. Sprachlich ist "Maschenka" weithaus virtuoser. Mir hat auch "Einzelheiten eines Sonnenuntergangs" viel besser gefallen, weil dort so viele Farben versprüht werden und das Lokalkolorit weitaus fassbarer und schöner getroffen ist. Tragisch sind beide Geschichten.
Liebe Grüße
mombour
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Hallo Mombour,
ich habe die Erzählung auch gerade gelesen und verrate die Pointe nicht. Aufallend, Nabokov erwähnt sehr oft Farben. Sehr schön fand ich (abgesehen von dem Sonnenuntergang) das knisternde Spiel der Funken auf dem Fahrdraht einer Straßenbahn. Ein herrliches Kleinod zwischen Glück und Tragik.
Ja - ganz wundervolle Beschreibungen - gleich der erste Satz als Einsteiger:
Le dernrier tramway disparaissiat dans l'obsurité de la rue comme dans un miroir.. (in etwas : die letzte Strassenbahn verschwand in der Finsternis wie in einem Spiegel...) [und dann kommen die von dir erwähnten Funken.. ;)]
Vor dieser Erzählung ist in meinem Band noch "Zufall". Gibt es die Geschichte in deinem Band?
Hm... schon die Geschichte Der Kartoffelelf brachte mich zum Grübeln - fehlt nämlich auch, so wie der Zufall...
und dabei heisst es "komplette Edition"
Irgendwie scheinen es die Franzosen mit dem Wort nicht so genau zu nehmen ;D
Jedenfalls geht es bei mir weiter mit Das Gewitter, Die Venezianerin, Bachmann, Der Drachen...
Ich habe versucht eine Inhaltsangabe im Internet zu finden welche Geschichten in den beiden deutschen Bänden enthalten sind - aber nix..
Im Idealfall finden wir uns aber bei den meisten Geschichten wieder :D
lg
Kenavo
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Wir sind aktuell!!
Es ist tatsächlich vollbracht!
Wir haben die ganzen Nachrichten herübergeschafft ;)
(und vor lauter Erschöpfung werde ich jetzt nicht zum Lesen kommen ;D )
aber in der Tat - der Zufall macht manchmal nette Kapriolen - ich habe heute morgen meine Büchertasche vergessen - ABER - mein Nabokov-Buch ist immer hier im Büro.. also werde ich heute abend mit der nächsten Geschichte in meinem Band weiter machen
lg
Kenavo
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L’orage / Das Gewitter
(Sommer 1924)
Eine sehr kurze Geschichte die hautpsächlich die schöne Beschreibung eines Gewitterregens über der Stadt ist.
Beinhaltet auch wieder ein phantastisches Element das mich allerdings hier auch wiederum nicht so sehr stört dass es mir den Lesegenuss verleidet hätte.
Immer wieder fasziniert mich wieviele kleine, fast unbedeutendet Details er in wenigen Sätzen einfliessen lässt und die sich allerdings wie Widerhaken festsetzen (wie hier z.b. der Abschnitt mit diesem Violinengeräusch oder dem Gesang einer hübschen Unbekannten im Hinterhof).