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Lektüren, Rezensionen => Gerade am Lesen ... => Topic started by: sandhofer on 12. Februar 2016, 19.28 Uhr
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Hallo zusammen!
Ich bin auf Goldsteins Biografie im Zusammenhang mit den Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse, Kategorie Sach- und Fachbuch, gestossen. Goldstein ist Philosophie-Professor und versucht, sich Forster über dessen Denken/Philosophie anzunähern. Bis jetzt (ich bin circa auf S. 40) durchaus gelungen, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass sowohl der Fach-Philosoph wie der an einfachen biografischen Fakten interessierte Leser das eine oder andere (aber je verschiedene) zu bemängeln finden werden. Den Bogen von Herodot über Locke und Hume zu Kant und dann zu Forster zu schlagen, ist zumindest einmal ein interessanter Startpunkt.
Grüsse
sandhofer
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Nach Abschluss der Lektüre: eine durchaus gelungene Mischung philosophischer und biografischer Schilderung dieses merkwürdigen Mannes.
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Goldsteins Biografie hat mich übrigens veranlasst, die vierbändige Werkausgabe Forsters zu kaufen, die seinerzeit bei Insel erschienen ist. Die Bücher sind heute angekommen.
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Goldsteins Biografie hat mich übrigens veranlasst, die vierbändige Werkausgabe Forsters zu kaufen, die seinerzeit bei Insel erschienen ist. Die Bücher sind heute angekommen.
Hm, du wirst mich wissen lassen, ob sich das wirklich lohnt bzw. gelohnt hat. Ich habe da meine Zweifel, besitze allerdings einen dieser Insel-Bände (Ansichten vom Niederrhein).
lg
orzifar
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Hm, du wirst mich wissen lassen, ob sich das wirklich lohnt bzw. gelohnt hat. Ich habe da meine Zweifel, besitze allerdings einen dieser Insel-Bände (Ansichten vom Niederrhein).
Werde ich. Da ich Reiseberichte, und vor allem alte Reiseberichte, liebe, denke ich, dass ich schon meinen Spass finden werde. :angel:
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Ich habe nun im Blog ein paar Zeilen über Goldsteins Biografie geschrieben (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7136). Für ein an ein grösseres Publikum geschriebenes Sachbuch ist es tatsächlich nicht schlecht gemacht. Und dass man dem breiteren Publikum auch mal ein paar philosophische Begriffe vorführt, finde ich durchaus reizvoll.
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Unterdessen bin ich in Band 1 der Werke in vier Bänden - Georg Forsters Bericht über die Weltumsegelung mit Cook. Forster hat einen Hang zum Dramatischen, das hat Goldstein mit Recht festgestellt. Im Übrigen ist es ein Bericht, wie so viele andere. Ausser vielleicht, dass Forster tatsächlich recht offen und unbefangen an die fremden Sitten und Menschen herangeht. Selbst Hundefleisch isst er problemlos.
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Gegen Ende seiner Reise(beschreibung) beginnt Forster zu begreifen, dass der "edle Wilde" so edel eben nicht ist. Man spürt förmlich, wie er mit dieser neuen Erkenntnis ringt.
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Georg Forsters Bericht von seiner Weltreise ist unterdessen auch im Blog (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7173) darniedergelegt.
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Band 2 - der sich radikalisierende Forster - ist nun auch "verbloggt" (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7236).
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Band 3 angefangen: Forster radikalisiert sich noch mehr...
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Band 3 ist aber im Grossen und Ganzen interessanter als die N° 2. Gut, all die Titel, die er unter den englischen Neuerscheinungen von 1788, 1789 oder 1790 aufführt, sind nicht soooo interessant. Aber die Auswahl - vor allem im Jahr 1790 - macht's: Wenn Forster den Schwerpunkt auf Schriften gegen die Sklaverei und den Sklavenhandel in Grossbritannien setzt, wird er interessant.
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Ich habe gerade noch festgestellt, dass ich Forsters Werkausgabe hier auch eingepflegt habe. Nun denn: Band 3 ist online (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7286).
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Nach den Lebensbeschreibungen Forsters von Ulrich und Enzensberger habe ich jetzt auch Goldsteins Buch gelesen. Es hat einen sehr angenehmen Eindruck bei mir hinterlassen, vor allem wegen der sprachlichen Gestaltung. Grundmotive erscheinen immer wieder: die Natur und die Revolution. Dass der neuzeitliche Revolutions-Begriff aus der Geologie stammt, hatte bereits der tragisch endende Karl Griewank in seinem Buch gezeigt.
Interessant auch der Abschnitt über die Rassen-Debatte mit Kant - das Aneinander-Vorbeireden wird gut verdeutlicht. Forster hat gespürt, dass Kant ein ganz anderes Anliegen und Herangehen hatte, doch wollte er sein eigenes Prinzip des "Selbst in Augenschein nehmens" unbedingt in die Debatte bringen. Noch viel finsterer als das, was Forster über die indigenen Bewohner Feuerlands bringt, sind die Auslassungen von Christoph Meiners, seines Mitbewohners in Göttingen, über "Neger" und "Juden". Es wurde plausibel gemacht, dass sich der Geschichtsprofessor und Philosoph Meiners ganz bewusst als Beamter des Kolonialreiches Großbritannien fühlte, in dessen Sold er stand, während sein Kollege Blumenbach in Göttingen als Naturwissenschaftler Schädel von Menschen verschiedener "Rassen" sammelte, ohne Menschen anderen Phänotyps abzuwerten. Das kommt bei Goldstein nicht vor, mir aber jetzt in den Sinn.
Und auch, dass Andreas Pecar und Damien Tricoire in ihrem auf dem Umschlag als "Streitschrift" betitelten Buch "Fremde Freunde" (2015) im Zeitalter der Aufklärung "Rassismus" bei Kant finden wollen. Diese m. E. ahistorische Verwendung des angesichts aktueller Verwendungen schlimmste Assoziationen hervorrufenden Begriffs kommt wohl daher, weil sich die Autoren viel im Bereich der englischen und französischen Literatur tummeln, wo man bei "race" wesentlich unbefangener zu sein scheint.
Aus Göttingen stammte auch seine Frau Therese, die mir hier zu wenig vorkommt, und das nicht nur in den Abschnitten über die Mainzer Republik 1793, die erste Deutsche Demokratische Republik. Sie wurde später ja noch bedeutend als Herausgeberin, weibliche Redakteure gab es weniger als Leiterinnen literarischer Salons. Diese Zeit ihres Wirkens wird dann wieder in Fabians Cotta-Biographie von 2014 gewürdigt. Aber zugegeben, die Biographie Goldsteins wäre überlastet worden, und ihm steht selbstverständlich wie allen Biographen das Recht zu, seine Schwerpunkte selbst zu setzen.
Ein trauriges Ende hatte der schwerkranke Forster, Heinrich Heine musste in seiner Pariser "Matratzengruft" noch länger leiden, und Hölderlin hat am Schluss hoffentlich nicht mehr viel mitbekommen.
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Hallo,
ihr schafft es noch, dass ich mir den Goldstein zu Gemüte führe. Dabei quillt mein Büchertisch über ...
lg
orzifar
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Aus Göttingen stammte auch seine Frau Therese, die mir hier zu wenig vorkommt, [...]. Sie wurde später ja noch bedeutend als Herausgeberin, weibliche Redakteure gab es weniger als Leiterinnen literarischer Salons. Diese Zeit ihres Wirkens wird dann wieder in Fabians Cotta-Biographie von 2014 gewürdigt. Aber zugegeben, die Biographie Goldsteins wäre überlastet worden, und ihm steht selbstverständlich wie allen Biographen das Recht zu, seine Schwerpunkte selbst zu setzen.
Wenn er Therese Huber, geborene Heyne, verwitwete Forster, auch noch in extenso hätte vorstellen wollen, hätte das wohl vom Umfang wie vom Aufbau her dieses Buch komplett gesprengt. Nicht zu reden davon, dass Forsters Begleiter auf der Niederrhein-Belgien-Holland-England-Frankreich-Reise, Alexander von Humboldt, dann auch in extenso hätte vorgestellt werden müssen. Und dann der zeitweilige Begleiter, im deutschen Niederrhein-Gebiet nämlich, Iffland, auch. Von Forster senior gar nicht zu reden. Oder von James Cook. Nö, ich war ganz zufrieden mit dem Umfang des Geleisteten.
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Aus Göttingen stammte auch seine Frau Therese, die mir hier zu wenig vorkommt, [...]. Sie wurde später ja noch bedeutend als Herausgeberin, weibliche Redakteure gab es weniger als Leiterinnen literarischer Salons. Diese Zeit ihres Wirkens wird dann wieder in Fabians Cotta-Biographie von 2014 gewürdigt. Aber zugegeben, die Biographie Goldsteins wäre überlastet worden, und ihm steht selbstverständlich wie allen Biographen das Recht zu, seine Schwerpunkte selbst zu setzen.
Wenn er Therese Huber, geborene Heyne, verwitwete Forster, auch noch in extenso hätte vorstellen wollen, hätte das wohl vom Umfang wie vom Aufbau her dieses Buch komplett gesprengt. Nicht zu reden davon, dass Forsters Begleiter auf der Niederrhein-Belgien-Holland-England-Frankreich-Reise, Alexander von Humboldt, dann auch in extenso hätte vorgestellt werden müssen. Und dann der zeitweilige Begleiter, im deutschen Niederrhein-Gebiet nämlich, Iffland, auch. Von Forster senior gar nicht zu reden. Oder von James Cook. Nö, ich war ganz zufrieden mit dem Umfang des Geleisteten.
Forster sen. und James Cook kommen schon recht ausführlich vor. Bei ersterem kommt mir ein Aufsatz in den Sinn, der sicher auch nicht aufgenommen zu werden brauchte: Gerhard Steiner: Johann Reinhold Forsters und Georg Forsters Beziehungen zu Russland. In: Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Bd. II, Berlin 1968, S. 245-311, 430-450.
Vater und Sohn mussten zusammenstehen in der Fremde. Wie sich eine verkorkste Vater-Sohn-Beziehung auf das Leben auswirken konnte, müsste mal jemand im Vergleich mit anderen Zeitgenossen darstellen (prominent und am meisten durchleuchtet natürlich Goethe).
Was den bei Goldstein nicht näher betrachteten Versuch Georg Forsters betrifft, 1788 an einer geplanten russischen Weltumsegelung unter Leitung des Kapitäns Mulovskij teilzunehmen, die am Ausbruch des russisch-schwedischen Krieges scheiterte, so kommt die Figur des Grafen Friedrich von Anhalt (1732-1794) ins Spiel, Generaladjutant Katharinas II., Direktor des Landkadettenkorps in St. Petersburg und Präsident der Freien Ökonomischen Gesellschaft, der zahlreiche Vertreter des deutschen Geisteslebens persönlich kannte (Gottsched, Goethe, Lenz, Klinger usw.). Er verdient ebenfalls einmal eine ausführliche Biographie. Die Briefe Anhalts betreffend die Anwerbung Forsters für den russischen Dienst liegen im Nachlass des Schweizer Arztes Johann Georg Zimmermann in Hannover. Aber, wie von Dir gesagt und von mir zugestanden - die Biographie wäre mit solchen Details überfrachtet worden, und der ziemlich gut erkennbare Hauptweg der Argumentation des Autors, halt eines Philosophiehistorikers, wäre verlassen worden.
Die einen Autoren in der Forster-Forschung sind wohl vor allem spezialisiert auf die Reiseforschung und Anthropologie der Aufklärungszeit, die anderen auf die politische Geschichte nach der Französischen Revolution von 1789 und die Mainzer Republik, bei Goldstein finden sich beide Themenkomplexe glücklich vereint.
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Da ich meine Lektüre von Forsters Werken auch hier abgelegt habe, will ich doch bekannt geben, dass mittlerweile Band 4, Briefe, an der Reihe ist.
Forster ist eigentlich ein Mann des Gesprächs. Sein Reisebericht ist Selbstgespräch, sprich Tagebuch. Später, die Ansichten vom Niederrhein, sind es Briefe an seine Frau, die er umarbeitet. Und als Lehrer, sei es in Kassel, sei es in Wilma, ist er todunglücklich, wenn ihm das Gespräch fehlt. Also konversiert er fleissig via Brief. Im damaligen Polen fehlte ihm das, weil die Post sehr unzuverlässig war. Vorher, in Kassel, profitierte er von der Nähe Göttingens, ja sogar mit den Weimarer Grössen war er im Dialog. In Mainz schliesslich vereinsamt er zusehends.
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Ich muss mich echt mal drum kümmern, ob es nicht noch andere, bessere Ausgaben der Briefe gibt. Bzw. eben den Briefwechsel. Ich habe nach ein paar Anmerkungen den Verdacht, dass Therese, die schon zu Forsters Lebzeiten auf Scheidung drang, vieles in ihrer Edition unterdrückt hat, v.a. den Wunsch Georgs, seine Kinder auch mal wieder zu sehen und/oder gar in ihrer Nähe bleiben zu können.
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Das Kapitel 'Forster' habe ich bis auf weiteres abgeschlossen (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7402); auch wenn mich eine kritische Ausgabe des Briefwechsels reizen könnte...
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Von Forster bin ich noch zu Cook gekommen, und lese nun eine etwa über 150 Jahre alte Biografie von einem gewissen Dr. Müller: Cook, der Weltumsegler. Besser sollte man allerdings von Hagiografie sprechen. Cook macht alles richtig, kann alles, weiss alles - so stellte man sich noch in den 1960ern die "gute", "erbauliche" Lektüre für Jugendliche vor, und ich vermute, dass dieses Buch auch für solche Jugendliche gedacht war...
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Unterdessen ist die erste Weltumsegelung beendet. Da wurden aber ganz schon viele Maoris und Südseeinsulaner erschossen, nur, weil sie sich trauten, den damit angeberisch herumlaufenden Engländer ein Gewehr oder zwei zu klauen...
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Ein bisschen recherchiert. Es handelt sich tatsächlich um ein Jugenbuch. Aus einer Jugendbuchreihe. Nun wundert mich gar nichts mehr.
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Nun wundert mich gar nichts mehr.
Ausser der Tatsache, dass das Ding langatmig und repetitiv wird ...
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[...] dass das Ding langatmig und repetitiv wird ...
Daran ändert auch Cooks Tod nichts mehr. Schade. Eigentlich war es - die Heldenverehrung mal abgesehen - zu Beginn recht informativ und interessant. Leider wird uns aber Cook immer nur "von aussen" gezeigt; wir erfahren nicht, was er denkt, warum er wann wie handelt. Das macht ihn zu einer leblosen Marionette.
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Wir erfahren überhaupt sehr wenig über die Figuren. Auch bei den Maori und den Bewohnern der Südsee-Inseln wird nicht vertieft auf deren Kultur eingegangen. Ich frage mich, was man von so einem Buch sich erhoffte in Bezug auf die Bildung der Jugend. Cook ist ja zum Schluss nicht einmal mehr ein moralisches Vorbild.
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"Cook, der Weltumsegler" hat nun trotzdem seinen Platz im Blo (http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=7465)g gefunden.